24.11.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil13.11.2018

Kein Urheber­rechts­schutz für Geschmack eines LebensmittelsGeschmack eines Lebensmittels ist nicht als "Werk" einzustufen

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass der Geschmack eines Lebensmittels keinen Urheber­rechts­schutz genießen kann. Der Geschmack eines Lebensmittels ist nämlich nicht als "Werk" einzustufen.

Der "Heksenkaas" ist ein Streichkäse mit Crème fraîche und Kräutern, den ein nieder­län­discher Gemüse- und Frisch­pro­duk­te­händler im Jahr 2007 kreiert hat. Die Rechte des geistigen Eigentums an diesem Erzeugnis hat dieser an die gegenwärtige Rechteinhaberin Levola, eine Gesellschaft nieder­län­dischen Rechts, abgetreten.

Seit 2014 stellt die Gesellschaft nieder­län­dischen Rechts Smilde für eine Supermarktkette in den Niederlanden ein Erzeugnis mit der Bezeichnung "Witte Wievenkaas" her.

Unternehmen hält Geschmack des "Heksenkaas" für urheber­rechtlich geschütztes Werk

Da Levola der Auffassung ist, dass die Herstellung und der Verkauf von "Witte Wievenkaas" ihr Urheberrecht am Geschmack des "Heksenkaas" verletze, beantragte sie vor den nieder­län­dischen Gerichten, Smilde zur Unterlassung u.a. der Herstellung und des Verkaufs dieses Erzeugnisses zu verurteilen. Sie trug hierzu vor, dass der Geschmack des "Heksenkaas" ein urheber­rechtlich geschütztes Werk sei und der Geschmack des "Witte Wievenkaas" eine Verviel­fäl­tigung dieses Werks darstelle.

Der in der Berufungs­instanz mit dem Rechtsstreit befasste Gerechtshof Arnhem-Leeuwarden (Berufungs­gericht Arnhem-Leeuwarden, Niederlande) möchte vom Gerichtshof wissen, ob der Geschmack eines Lebensmittels Schutz nach der Urheber­rechts­richtlinie genießen kann*.

Für Urheberschutz muss Objekt eigene geistige Schöpfung vorweisen

In seinem Urteil stellte der Gerichtshof fest, dass der Geschmack eines Lebensmittels nur dann durch das Urheberrecht gemäß der Richtlinie geschützt sein kann, wenn er als "Werk" im Sinne dieser Richtlinie einzustufen ist. Diese Einstufung setzt zunächst voraus, dass das betreffende Objekt eine eigene geistige Schöpfung ist. Sie verlangt darüber hinaus einen "Ausdruck" dieser eigenen geistigen Schöpfung.

Urheber­recht­licher Schutz erstreckt sich nur auf Ausdrucksformen

Nach dem Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums, das im Rahmen der Welthan­dels­or­ga­ni­sation (WTO) angenommen worden und dem die Union beigetreten ist**, und nach dem Vertrag der Weltor­ga­ni­sation (WIPO) für geistiges Eigentum über das Urheberrecht***, zu dessen Vertrags­parteien die Union gehört, erstreckt sich der urheber­rechtliche Schutz nicht auf Ideen, Verfahren, Arbeitsweisen oder mathematische Konzepte als solche, sondern auf Ausdrucksformen.

Folglich impliziert der Begriff "Werk", auf den die Richtlinie abzielt, notwen­di­gerweise eine Ausdrucksform des urheber­recht­lichen Schutzobjekts, die es mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbar werden lässt.

Identifizierung des Geschmacks eines Lebensmittels beruht im Wesentlichen auf Geschmacks­emp­fin­dungen und -erfahrungen

In diesem Kontext stellt der Gerichtshof fest, dass es im Fall des Geschmacks eines Lebensmittels an der Möglichkeit einer präzisen und objektiven Identifizierung fehlt. Hierzu führt er weiter aus, dass anders als beispielsweise bei einem literarischen, bildnerischen, filmischen oder musikalischen Werk, das eine präzise und objektive Ausdrucksform darstellt, die Identifizierung des Geschmacks eines Lebensmittels im Wesentlichen auf Geschmacks­emp­fin­dungen und -erfahrungen beruht, die subjektiv und veränderlich sind. Diese hängen nämlich u.a. von Faktoren, die mit der Person verbunden sind, die das betreffende Erzeugnis kostet, wie beispielsweise deren Alter, Ernäh­rungs­vor­lieben und Konsum­ge­wohn­heiten, sowie von der Umwelt oder dem Kontext, in dem dieses Erzeugnis gekostet wird, ab.

Identifizierung des Geschmacks eines Lebensmittels mit technischen Mitteln unmöglich

Zudem ist beim gegenwärtigen Stand der Wissenschaft eine genaue und objektive Identifizierung des Geschmacks eines Lebensmittels, die es erlaubt, ihn vom Geschmack anderer gleichartiger Erzeugnisse zu unterscheiden, mit technischen Mitteln nicht möglich.

Unter diesen Umständen gelangt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass der Geschmack eines Lebensmittels nicht als "Werk" einzustufen ist und daher auch keinen Urheber­rechts­schutz gemäß der Richtlinie genießen kann.

Erläuterungen

* Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Infor­ma­ti­o­ns­ge­sell­schaft (ABl. 2001, L 167, S. 10).

** Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums in Anhang 1C des am 15. April 1994 in Marrakesch unterzeichneten Übereinkommens zur Errichtung der (WTO), das durch den Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986 - 1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche (ABl. 1994, L 336, S. 1) genehmigt wurde

.

*** Am 20. Dezember 1996 in Genf angenommener Vertrag der WIPO, der am 6. März 2002 in Kraft trat. Dieser Vertrag wurde durch den Beschluss 2000/278/EG des Rates vom 16. März 2000 (ABl. 2000, L 89, S. 6) im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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