21.11.2024
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Dokument-Nr. 7715

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Urteil02.04.2009Gerichtshof der Europäischen UnionC-260/07
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil02.04.2009

Tankstel­len­vertrag mit Laufzeit von mehr als fünf Jahren kann unter Umständen nicht unter die Gruppen­frei­stellung fallenEntscheidung des EuGH in der Sache Pedro IV Servicios / Total España SA

Ein Tankstel­len­vertrag mit einer Laufzeit von mehr als fünf Jahren fällt nicht unter die Gruppen­frei­stellung, wenn der Lieferant dem Wiederverkäufer die Tankstelle vermietet oder verpachtet, ohne Eigentümer sowohl der Tankstelle als auch des Grundstücks zu sein. Unter der Verordnung Nr. 1984/83, die bis zum 31. Dezember 1999 in Kraft war, verhielt es sich nicht so. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden.

Art. 81 Abs. 1 EG verbietet Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhal­tens­weisen zwischen Unternehmen. Dieses Verbot kann jedoch gemäß Art. 81 Abs. 3 EG unter bestimmten Voraussetzungen für nicht anwendbar erklärt werden auf Gruppen von Vereinbarungen zwischen Unternehmen oder Gruppen von aufeinander abgestimmten Verhal­tens­weisen, die unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung beitragen.

Die Verordnung 1984/83 (siehe unten) sah in diesem Sinne für bestimmte Gruppen von Allein­be­zugs­ver­ein­ba­rungen und aufeinander abgestimmten Verhal­tens­weisen eine Freistellung von dem Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG vor. Die Anwendung der in dieser Verordnung vorgesehenen Freistel­lungs­re­gelung kam insbesondere dann in Betracht, wenn es um einen Tankstel­len­vertrag mit einer Laufzeit von mehr als zehn Jahren ging, sofern der Lieferant dem Wiederverkäufer die Tankstelle aufgrund eines Pachtvertrags oder im Rahmen eines sonstigen rechtlichen oder tatsächlichen Benut­zungs­ver­hält­nisses überlassen hatte.

Zum 1. Januar 2000 wurde die Verordnung Nr. 1984/83 durch die Verordnung Nr. 2790/1999 ersetzt (siehe unten). Nach dieser Verordnung sind vertikale Vereinbarungen – d. h. Vereinbarungen zwischen zwei oder mehr Unternehmen, von denen jedes zwecks Durchführung der Vereinbarung auf einer unter­schied­lichen Produktions- oder Vertriebsstufe tätig ist, und welche die Bedingungen betreffen, zu denen die Parteien bestimmte Waren oder Dienst­leis­tungen beziehen, verkaufen oder weiterverkaufen können –, von dem Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG freigestellt. Die Verordnung sieht jedoch vor, dass die Freistellung für alle Wettbe­wer­bs­verbote, die für eine Dauer von mehr als fünf Jahren vereinbart werden, nicht gilt, es sei denn, dass die fraglichen Waren oder Dienst­leis­tungen vom Käufer in Räumlichkeiten und auf Grundstücken verkauft werden, die Eigentum des Lieferanten oder durch diesen von dritten, nicht mit dem Käufer verbundenen Unternehmen gemietet oder gepachtet worden sind und das Wettbe­wer­bs­verbot nicht über den Zeitraum hinausreicht, in dem der Käufer diese Räumlichkeiten und Grundstücke nutzt.

Auf jeden Fall können Vereinbarungen, mit denen der Lieferant den Endver­kauf­spreis festlegt oder dem Wiederverkäufer einen Mindest­ver­kauf­spreis vorschreibt, nicht unter die durch die Verordnungen Nrn. 1984/83 und 2790/1999 eingeführte Gruppenfreistellung fallen. Im Jahr 1989 schloss Pedro IV mit Total, einem Lieferanten von Minera­l­ö­ler­zeug­nissen, vier Verträge, nach denen Total an einem Grundstück von Pedro IV für eine Zeit von 20 Jahren ein Erbbaurecht einzuräumen war. Danach durfte Total auf diesem Grundstück eine Tankstelle bauen. Diese ging für 20 Jahre gegen eine monatlich an Pedro IV zu zahlende Vergütung in das Eigentum von Total über. In der Zwischenzeit wurde die im Eigentum von Total stehende Tankstelle an Pedro IV verpachtet. Nach Ablauf dieser 20-jährigen Frist sollte die Tankstelle wieder in das Eigentum von Pedro IV übergehen.

Außerdem verpflichtete sich Pedro IV in diesen Verträgen, die Tankstelle nach deren Übergabe an sie im Rahmen einer Allein­be­zugs­ver­pflichtung für Kraftstoffe gegenüber Total zu betreiben. Die Allein­be­zugs­ver­ein­barung wurde für eine Zeit von 20 Jahren geschlossen. Sie sieht vor, dass Total zum einen den Preis für den Kraftstoff, den sie Pedro IV liefert, unter den günstigsten Bedingungen festlegt, die sie mit anderen Tankstellen, die sich in Barcelona niederlassen könnten, vereinbart, und zum anderen gewährleistet, dass dieser Preis auf keinen Fall über dem Durch­schnittspreis anderer für den Markt relevanter Anbieter liegt. Total gelangt also zu dem Endver­kauf­spreis, den sie Pedro IV empfiehlt, indem sie auf den genannten Preis eine Handelsspanne für den Tankstel­len­be­treiber aufschlägt, die sie für angemessen hält.

Gemäß den Verträgen wurde eine Tankstelle gebaut und in den zwölf darauf folgenden Jahren ausschließlich von Total beliefert. Im Jahr 2004 erhob Pedro IV Klage auf Nichti­g­er­klärung der auf den beschriebenen Verträgen beruhenden Rechtsbeziehung mit der Begründung, dass die Verträge Bestimmungen enthielten, die den Wettbewerb erheblich einschränkten, nämlich eine Dauer hätten, die die nach dem Gemein­schaftsrecht für Allein­be­zugs­ver­ein­ba­rungen zulässige Höchstdauer übersteige, und die Wieder­ver­kauf­s­preise mittelbar festlegten. In diesem Zusammenhang hat die als Rechts­mit­te­l­instanz mit dem Rechtsstreit befasste Audiencia Provincial de Barcelona (Spanien) den Gerichtshof ersucht, klarzustellen, ob die fraglichen Vertrags­klauseln unter die nach den Verordnungen Nrn. 1984/83 und 2790/1999 vorgesehene Gruppen­frei­stellung fallen können.

Zur Dauer der Ausschließ­lichkeit

Was die Verordnung Nr. 1984/83 angeht, stellt der Gerichtshof fest, dass die Anwendung der in dieser Vorschrift vorgesehenen Freistellung nicht voraussetzte, dass der Lieferant Eigentümer des Grundstücks war, auf dem er die Tankstelle, die er an den Wiederverkäufer verpachtet, gebaut hatte.

Hinsichtlich der Verordnung Nr. 2790/1999 weist der Gerichtshof zunächst darauf hin, dass die nach dieser Verordnung vorgesehene Freistellung unter der Voraussetzung gilt, dass der Anteil des Lieferanten an dem relevanten Markt, auf dem er die Vertragswaren oder -dienst­leis­tungen verkauft, 30 % nicht überschreitet. Das vorlegende Gericht muss daher, bevor es weitere in dieser Verordnung vorgesehene Voraussetzungen prüft, untersuchen, ob sich Total seit Inkrafttreten der Verordnung Nr. 2790/1999 in einer solchen Situation befand, wobei eine etwaige Beteiligung des Unternehmens am Grundkapital anderer Lieferanten von Minera­l­ö­ler­zeug­nissen auf demselben Markt zu berücksichtigen ist.

Sodann stellt der Gerichtshof fest, dass in einem Fall wie dem Ausgangs­ver­fahren die Voraussetzungen für die Anwendung der Verordnung Nr. 2790/1999 in Bezug auf die Dauer des Wettbe­wer­bs­verbots nicht erfüllt seien. Es sei jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Anwendung der Verordnung Nr. 2790/1999 erfüllt sind, u. a. unter Berück­sich­tigung des Vorbringens von Total, wonach das Erbbaurecht für sie nicht nur Eigentum an der Tankstelle, sondern auch an dem Grundstück begründe, auf dem diese errichtet worden sei.

Sollte im Übrigen das vorlegende Gericht zu dem Ergebnis kommen, dass die von den Parteien des Ausgangs­ver­fahrens getroffenen Vereinbarungen die nach der Verordnung Nr. 1984/83, nicht jedoch die nach der Verordnung Nr. 2790/1999 vorgesehenen Voraussetzungen für eine Freistellung erfüllen, so wären diese Vereinbarungen, wie der Gerichtshof feststellt, gemäß der nach der Verordnung Nr. 2790/1999 vorgesehenen Überg­angs­re­gelung bis zum 31. Dezember 2001 freigestellt.

Zur Festsetzung des Endver­kauf­s­preises

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass den Endver­kauf­spreis betreffende Vertrags­klauseln wie die im Ausgangs­ver­fahren unter die gemäß den Verordnungen Nrn. 1984/83 und 2790/1999 eingeführte Gruppen­frei­stellung fallen können, wenn der Lieferant lediglich einen Höchst­ver­kauf­spreis festsetzt oder einen Verkaufspreis empfiehlt und der Wiederverkäufer daher tatsächlich die Möglichkeit hat, den Endver­kauf­spreis festzulegen. Dagegen können solche Klauseln dann nicht unter diese Freistellungen fallen, wenn sie unmittelbar oder auf mittelbare oder verschleierte Art und Weise auf die Festlegung des Endver­kauf­s­preises oder auf die Vorgabe eines Mindestpreises durch den Lieferanten hinauslaufen. Es ist demnach Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berück­sich­tigung sämtlicher Klauseln in ihrem wirtschaft­lichen und rechtlichen Zusammenhang und des Verhaltens der Parteien zu prüfen, ob der Wiederverkäufer derartigen Zwängen unterliegt.

Schließlich stellt der Gerichtshof fest, dass die Klauseln über die Dauer der Ausschließ­lichkeit und über die Festsetzung des Endver­kauf­s­preises, falls sie nicht alle Voraussetzungen erfüllen, die in einer Freistel­lungs­ver­ordnung vorgesehen sind, nur dann unter das Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG fallen, wenn sie eine spürbare Einschränkung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken und geeignet sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

Verordnungen

Verordnung (EWG) Nr. 1984/83 der Kommission vom 22. Juni 1983 über die Anwendung von Artikel [81] Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Allein­be­zugs­ver­ein­ba­rungen (ABl. L 173, S. 5) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1582/97 der Kommission vom 30. Juli 1997 (ABl. L 214, S. 27) geänderten Fassung.

Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 der Kommission vom 22. Dezember 1999 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhal­tens­weisen (ABl. L 336, S. 21).

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des EuGH

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