21.11.2024
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Dokument-Nr. 33798

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Urteil29.02.2024Gerichtshof der Europäischen UnionC-222/22
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil29.02.2024

Religi­o­ns­wechsel nach Flucht kein Asyl-MissbrauchReligi­o­ns­wechsel aus "innerer Überzeugung" schließt eine Missbrauchs­absicht aus

Ein Asylantrag aufgrund eines Religi­o­ns­wechsels nach dem Verlassen des Herkunftslandes kann nicht automatisch als missbräuchlich abgelehnt werden. Dies hat der

Ein Iraner, dessen erster Antrag auf internationalen Schutz von den öster­rei­chischen Behörden abgewiesen wurde, stellte in Österreich einen neuen Antrag (sog. „Folgeantrag“) auf internationalen Schutz. Er machte geltend, zwischen­zeitlich zum Christentum konvertiert zu sein und zu fürchten, aus diesem Grund in seinem Herkunftsland verfolgt zu werden. Daraufhin wurde ihm der Status des subsidiär Schutz­be­rech­tigten zuerkannt und er erhielt eine befristete Aufent­halts­be­rech­tigung. Die öster­rei­chischen Behörden stellten fest, dass er glaubhaft gemacht habe, aus „innerer Überzeugung“ in Österreich zum Christentum konvertiert zu sein und diese Religion aktiv zu leben. Aus diesem Grund sei er im Falle der Rückkehr in sein Herkunftsland der Gefahr einer individuellen Verfolgung ausgesetzt. Die Zuerkennung der Flücht­lings­ei­gen­schaft wurde ihm von den öster­rei­chischen Behörden jedoch verweigert. Bei einem Folgeantrag sei es nach öster­rei­chischem Recht erforderlich, dass der von dem Betroffenen selbst geschaffene neue Umstand - hier der christliche Glaube - Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung ist. Da der Mann erst in Österreich konvertiert ist, sei sein Antrag missbräuchlich. Die Sache landete beim EuGH.

Folgeantrag mit neuen Umständen nicht pauschal „Missbrauch“

Der EuGH stellte nunmehr klar: Die nach dem öster­rei­chischen Recht aufgestellte Voraussetzung ist mit dem Unionsrecht unvereinbar. Die Quali­fi­ka­ti­o­ns­richtlinie lässt nicht den Schluss zu, dass jeder Folgeantrag, der auf Umständen beruht, die der Antragsteller nach Verlassen des Herkunftslandes selbst geschaffen hat, auf eine Missbrauchsabsicht und die Absicht zurückzuführen ist, das Verfahren für die Zuerkennung internationalen Schutzes zu instru­men­ta­li­sieren. Jeder Folgeantrag ist individuell zu prüfen. Wenn also, wie im vorliegenden Fall , festgestellt wird, dass der Betroffene glaubhaft gemacht hat, „aus innerer Überzeugung“ zum Christentum konvertiert zu sein und diese Religion aktiv zu leben, schließt dies aus, dass der Antragsteller eine Missbrauchs­absicht hegte oder beabsichtigte, das anwendbare Verfahren zu instru­men­ta­li­sieren. Wenn ein solcher Antragsteller die in dieser Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen für eine Qualifizierung als Flüchtling erfüllt, ist ihm die Flücht­lings­ei­gen­schaft zuzuerkennen.

Flücht­lings­ei­gen­schaft im Sinne der Genfer Flücht­lings­kon­vention bleibt auch bei missbräuch­licher Absicht bestehen

Wird hingegen festgestellt, dass eine missbräuchliche Absicht sowie eine Absicht vorliegen, das Verfahren zu instru­men­ta­li­sieren, kann die Zuerkennung der Flücht­lings­ei­gen­schaft verweigert werden, obwohl die Furcht des Antragstellers, aufgrund der von ihm selbst geschaffenen Umstände in seinem Herkunftsland verfolgt zu werden, begründet ist. Die Flücht­lings­ei­gen­schaft im Sinne der Genfer Flücht­lings­kon­vention bleibt jedoch bestehen. Dem Betroffenen ist in diesem Fall der durch diese Konvention gewährleistete internationale Schutz zu gewähren. Die Konvention verbietet nämlich u. a. die Ausweisung und Zurückweisung über die Grenzen von Gebieten, in denen das Leben oder die Freiheit des Antragstellers insbesondere wegen seiner Religion bedroht wäre.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union, ra-online (pm/ab)

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