21.11.2024
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Dokument-Nr. 15723

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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil25.04.2013

Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismus­finanzierung: In Spanien tätige Banken sind Behörden zur Daten­über­mittlung verpflichtetNationale Regelung ist verhält­nis­mäßige Maßnahme und verstößt nicht gegen Unionsrecht

Die spanische Regelung, wonach Kreditinstitute, die in Spanien tätig sind, ohne dort ansässig zu sein, den spanischen Behörden unmittelbar die für die Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismus­finanzierung notwendigen Daten übermitteln müssen, verstößt nicht gegen das Unionsrecht. In Ermangelung eines wirksamen Mechanismus, der eine vollständige und lückenlose Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten gewährleistet, die eine wirksame Bekämpfung dieser Straftaten erlaubt, ist diese Regelung eine verhält­nis­mäßige Maßnahme. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union.

Die Richtlinie zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terro­ris­mus­fi­nan­zierung* erlegt insbesondere den Kredi­t­in­stituten bestimmte Auskunfts­pflichten auf. Zu diesem Zweck verlangt sie, dass jeder Mitgliedstaat eine zentrale Meldestelle einrichtet, deren Aufgabe es ist, Informationen entge­gen­zu­nehmen, anzufordern, zu analysieren und an die zuständigen Behörden weiterzugeben, die potenzielle Fälle von Geldwäsche oder Terro­ris­mus­fi­nan­zierung betreffen**. Die Richtlinie sieht vor, dass diese Informationen der zentralen Meldestelle des Mitgliedstaats übermittelt werden, in dessen Hoheitsgebiet sich das Institut befindet.

In Spanien tätige Kreditinstitute müssen zentraler Meldestelle auffällige Konten­be­we­gungen mitteilen

Die spanische Regelung verpflichtet die in Spanien tätigen Kreditinstitute unabhängig vom Ort ihrer Niederlassung, der spanischen zentralen Meldestelle Konten­be­we­gungen mitzuteilen, die Beträge betreffen, die 30.000 Euro übersteigen und aus Steuer­pa­ra­diesen und unkooperativen Gebieten einschließlich Gibraltar stammen oder in diese fließen.

Bank verweigert unter Berufung auf geltende Bestimmungen in Gibraltar Angaben zur Identität von Kunden

Jyske, eine Tochter­ge­sell­schaft der dänischen NS Jyske Bank, ist ein in Gibraltar ansässiges Kreditinstitut, das in Spanien im Rahmen des freien Dienst­leis­tungs­verkehrs, d. h. ohne dort über eine Niederlassung zu verfügen, tätig war. Im Januar 2007 verlangte die spanische zentrale Meldestelle von Jyske, ihr bestimmte Informationen zu liefern. Sie war nämlich im Hinblick auf eine Reihe von Anhaltspunkten der Auffassung, dass die sehr große Gefahr bestehe, dass Jyske im Zuge ihrer Tätigkeiten in Spanien zur Geldwäsche benutzt werde. Hierzu seien in Gibraltar Gesell­schaftss­trukturen geschaffen worden, mit denen verhindert werden solle, dass die Identität des wahren Eigentümers der in Spanien, im Wesentlichen an der Costa del Sol, erworbenen Immobilien sowie die Herkunft der für diesen Erwerb verwendeten Mittel bekannt würden. Im Juni 2007 übermittelte Jyske einen Teil der erbetenen Informationen, weigerte sich jedoch unter Berufung auf die in Gibraltar geltenden Bestimmungen über das Bankgeheimnis, Angaben über die Identität ihrer Kunden zu machen.

Spanischer Ministerrat setzt Geldbuße in Höhe von 1,7 Millionen gegen Bank fest

Deshalb sprach der Consejo de Ministros (Ministerrat, Spanien), der der Auffassung war, dass Jyske gegen ihre Auskunfts­pflichten nach der spanischen Regelung verstoßen habe, gegen sie zwei öffentliche Verwarnungen aus und setzte zwei Geldbußen in Höhe von insgesamt 1.700.000 Euro fest.

Bank sieht in spanischer Rechts­vor­schrift Verstoß gegen EU-Richtlinie

Jyske ist der Ansicht, dass die Richtlinie ihr nur gegenüber der zentralen Meldestelle Gibraltars eine Auskunfts­pflicht auferlege und dass daher die spanischen Rechts­vor­schriften nicht in Einklang mit der Richtlinie stünden. Die Bank rief deshalb das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) an, das beschlossen hat, den Gerichtshof zu dieser Angelegenheit zu befragen.

Richtlinie steht spanischer Regelung grundsätzlich nicht entgegen

In seinem Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass es nach der Richtlinie nicht ausdrücklich verboten ist, zu verlangen, dass Kreditinstitute, die ihre Tätigkeit in Spanien im Rahmen des freien Dienst­leis­tungs­verkehrs ausüben, die zur Bekämpfung der Geldwäsche und der Terro­ris­mus­fi­nan­zierung erbetenen Auskünfte unmittelbar an die spanische zentrale Meldestelle übermitteln. Daher steht die Richtlinie grundsätzlich der spanischen Regelung nicht entgegen, sofern diese dazu dient, unter Beachtung des Unionsrechts die wirksame Bekämpfung dieser Straftaten zu verbessern. Diese Regelung kann die durch die Richtlinie eingeführten Grundsätze in Bezug auf die Meldepflichten der ihr unterliegenden Einrichtungen mithin nicht beeinträchtigen und der Wirksamkeit der bestehenden Formen der Zusammenarbeit und des Infor­ma­ti­o­ns­aus­tauschs zwischen den zentralen Meldestellen nicht abträglich sein.

Spanische Regelung stellt Beschränkung des freien Dienst­leis­tungs­verkehrs dar

Der Gerichtshof untersucht sodann die Vereinbarkeit der spanischen Regelung mit dem freien Dienst­leis­tungs­verkehr. Er ist der Ansicht, dass sie eine Beschränkung dieser Freiheit darstellt, da sie Schwierigkeiten und zusätzliche Kosten verursacht. Außerdem kann sie zu den bereits in dem Mitgliedstaat, in dem sich das betreffende Institut befindet, durchgeführten Kontrollen hinzutreten und es auf diese Weise von der Ausführung dieser Tätigkeiten abschrecken.

Beschränkung kann zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terro­ris­mus­fi­nan­zierung gerechtfertigt sein

Diese Beschränkung des freien Dienst­leis­tungs­verkehrs kann jedoch durch einen zwingenden Grund des Allge­mein­in­teresses wie die Bekämpfung der Geldwäsche und die Terro­ris­mus­fi­nan­zierung gerechtfertigt sein. Das nationale Gericht muss somit prüfen, ob die in Rede stehende Regelung geeignet ist, die Verwirklichung dieses Zieles zu erreichen, und insbesondere, ob sie es Spanien ermöglicht, verdächtige Finanz­trans­ak­tionen von Kredi­t­in­stituten die ihre Dienst­leis­tungen im Inland erbringen, zu überwachen und wirksam zu unterbinden sowie gegebenenfalls gegen die Verant­wort­lichen vorzugehen und diese zu bestrafen. Hierzu führt der Gerichtshof aus, dass eine solche Regelung es Spanien ermöglicht, die Gesamtheit der im Inland von den Kredi­t­in­stituten durchgeführten Finanz­trans­ak­tionen zu überwachen, und zwar unabhängig davon, zu welcher Form der Dienst­leis­tungs­er­bringung sich diese entschlossen haben, was sich als Maßnahme erweist, die geeignet ist, das verfolgte Ziel zuverlässig und kohärent zu erreichen.

EuGH sieht in spanischer Regelung eine verhält­nis­mäßige Maßnahme zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terro­ris­mus­fi­nan­zierung

Das nationale Gericht muss sodann prüfen, ob diese Regelung in nicht­dis­kri­mi­nie­render Weise angewandt wird und ob sie verhältnismäßig, d. h. geeignet ist, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zu dessen Erreichung erforderlich ist. Somit wäre die Regelung unver­hält­nismäßig, wenn es der eingerichtete Mechanismus der Zusammenarbeit zwischen den zentralen Meldestellen der verschiedenen Mitgliedstaaten der spanischen zentralen Meldestelle bereits ermöglichen würde, die angeforderten Informationen über die zentrale Meldestelle desjenigen Mitgliedstaats zu erhalten, in dem sich das Kreditinstitut befindet. Hierzu stellt der Gerichtshof fest, dass der Mechanismus der Zusammenarbeit zwischen den zentralen Meldestellen gewisse Lücken aufweist. Insbesondere gibt es erhebliche Ausnahmen von der Verpflichtung der ersuchten zentralen Meldestelle, der ersuchenden zentralen Meldestelle die angeforderten Informationen zu übermitteln. Eine zentrale Meldestelle kann nämlich die Weitergabe von Informationen verweigern, die eine strafrechtliche Ermittlung in dem Mitgliedstaat stören könnten, oder wenn die Weitergabe eindeutig in einem Missverhältnis zu den legitimen Interessen einer Person oder des betreffenden Mitgliedstaats stehende Wirkungen hervorriefe oder wenn sie gegen die Grundprinzipien des inner­staat­lichen Rechts verstieße***. Auch müssen im Bereich der Bekämpfung der Geldwäsche die Behörden so schnell wie möglich reagieren können, doch ist weder eine Frist für die Übermittlung der Informationen noch eine Sanktion für den Fall der ungerecht­fer­tigten Weigerung der ersuchten zentralen Meldestelle, die angeforderten Informationen zu übermitteln, vorgesehen. Ferner wirft der Rückgriff auf diesen Mechanismus der Zusammenarbeit besondere Schwierigkeiten auf, wenn es um im Rahmen des freien Dienst­leis­tungs­verkehrs ausgeführte Tätigkeiten geht. Daher stellt diese Regelung, wenn es zum maßgeblichen Zeitpunkt an einem wirksamen Mechanismus fehlt, der eine vollständige und lückenlose Zusammenarbeit der zentralen Meldestellen gewährleistet und eine ebenso wirksame Bekämpfung der Geldwäsche und der Terro­ris­mus­fi­nan­zierung erlaubt, eine verhält­nis­mäßige Maßnahme dar.

Erläuterungen

* Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terro­ris­mus­fi­nan­zierung (ABl. L 309, S. 15).

** Das Vereinigte Königreich wurde ermächtigt, auch für Gibraltar eine zentrale Meldestelle zu notifizieren.

*** Beschluss 2000/642/JI des Rates vom 17. Oktober 2000 über Vereinbarungen für eine Zusammenarbeit zwischen den zentralen Meldestellen der Mitgliedstaaten beim Austausch von Informationen (ABl. L 271, S. 4).

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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