21.11.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil14.03.2017

Arbeitgeber kann unter bestimmten Voraussetzungen Tragen eines Kopftuchs verbietenKundenwunsch nach Zusammenarbeit mit Mitarbeitern ohne Kopftuch für Entlassung nicht ausreichend

Eine unter­neh­men­s­interne Regel, die das sichtbare Tragen jedes politischen, philosophischen oder religiösen Zeichens verbietet, stellt keine unmittelbare Diskriminierung dar. Ohne eine solche Regel kann der Wille eines Arbeitgebers, den Wünschen eines Kunden zu entsprechen, wonach seine Leistungen nicht mehr von einer Arbeitnehmerin erbracht werden sollen, die ein islamisches Kopftuch trägt, jedoch nicht als berufliche Anforderung angesehen werden, die das Vorliegen einer Diskriminierung auszuschließen vermag. Dies geht aus einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union hervor.

Frau Asma Bougnaoui traf im Oktober 2007 vor ihrer Anstellung durch das private Unternehmen Micropole auf einer Studie­ren­denmesse einen Vertreter von Micropole, der sie darauf hinwies, dass das Tragen des islamischen Kopftuchs Probleme bereiten könnte, wenn sie mit den Kunden dieses Unternehmens in Kontakt trete. Als sich Frau Bougnaoui am 4. Februar 2008 bei Micropole vorstellte, um dort ihr Abschluss­praktikum zu absolvieren, trug sie ein einfaches Bandana. Im Anschluss trug sie am Arbeitsplatz ein islamisches Kopftuch. Nach Absolvierung des Praktikums stellte Micropole sie ab 15. Juli 2008 mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag als Softwa­re­de­si­gnerin ein. Nach einer Beschwerde ein es ihr von Micropole zugewiesenen Kunden bekräftigte Micropole den Grundsatz notwendiger Neutralität im Verhältnis zu ihren Kunden und bat Frau Bougnaoui, keinen Schleier mehr zu tragen. Dem kam Frau Bougnaoui nicht nach und wurde daraufhin entlassen. Sie hat ihre Entlassung vor den französischen Gerichten angefochten.

Nationales Gericht erbittet Vorab­ent­scheidung des EuGH

Der mit der Sache befasste französische Cour de cassation (Kassa­ti­o­ns­ge­richtshof) möchte vom Gerichtshof der Europäischen Union wissen, ob der Wille eines Arbeitgebers, dem Wunsch eines Kunden zu entsprechen, seine Leistungen nicht mehr von einer Arbeitnehmerin erbringen zu lassen, die ein islamisches Kopftuch trägt, als "wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung" im Sinne der Richtlinie angesehen werden kann.

Nationales Gericht muss möglichen Verstoß gegen interne Geschäftsregel prüfen

In seinem Urteil stellt der Gerichtshof zunächst fest, dass der Vorla­ge­ent­scheidung nicht zu entnehmen ist, ob sich die Frage der Cour de cassation aus der Feststellung einer unmittelbar oder mittelbar auf der Religion oder der Weltanschauung beruhenden Ungleichbehandlung ergibt. Es ist daher Sache der Cour de cassation, zu prüfen, ob die Entlassung von Frau Bougnaoui auf einen Verstoß gegen eine interne Regel gestützt wurde, die es verbietet, Zeichen politischer, philosophischer oder religiöser Überzeugungen zu tragen. Ist dies der Fall, hat die Cour de cassation zu prüfen, ob die im Urteil G4S Secure Solutions aufgestellten Voraussetzungen vorliegen, d.h., ob die aus einer dem Anschein nach neutralen internen Regel, die tatsächlich dazu führen kann, dass bestimmte Personen in besonderer Weise benachteiligt werden, resultierende Ungleich­be­handlung durch die Verfolgung einer Politik der Neutralität sachlich gerechtfertigt sowie angemessen und erforderlich ist (vgl. Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil v. 14.03.2017 - C-157/15 -).

Auch im Sinne der Richtlinie verbotene Ungleich­be­handlung muss nicht zwingend Diskriminierung darstellen

Sollte die Entlassung von Frau Bougnaoui nicht auf eine solche interne Regel gestützt sein, wäre hingegen zu prüfen, ob der Wille eines Arbeitgebers, dem Wunsch eines Kunden zu entsprechen, seine Leistungen nicht mehr von einer Arbeitnehmerin erbringen zu lassen, die ein islamisches Kopftuch trägt, im Sinne von Art.4 Abs.1der Richtlinie gerechtfertigt wäre. Nach dieser Bestimmung können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass eine von der Richtlinie verbotene Ungleich­be­handlung keine Diskriminierung darstellt, wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt.

Mit der Religion im Zusammenhang stehendes Merkmal kann nur unter begrenzten Bedingungen entscheidende berufliche Anforderung darstellen

Insoweit weist der Gerichts­hof­darauf hin, dass u.a. ein mit der Religion im Zusammenhang stehende Merkmal nur unter sehr begrenzten Bedingungen eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellen kann. Dieser Begriff verweist nämlich auf eine Anforderung, die von der Art der betreffenden beruflichen Tätigkeit oder den Bedingungen ihrer Ausübung objektiv vorgegeben ist, und erstreckt sich nicht auf subjektive Erwägungen wie den Willen des Arbeitgebers, besonderen Kundenwünschen zu entsprechen.

Kundenwunsch kann nicht als wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung im Sinne der Richtlinie angesehen werden

Der Gerichtshof antwortet daher, dass der Wille eines Arbeitgebers, den Wünschen eines Kunden zu entsprechen, seine Leistungen nicht mehr von einer Arbeitnehmerin ausführen zu lassen, die ein islamisches Kopftuch trägt, nicht als eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung im Sinne der Richtlinie angesehen werden kann.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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