21.11.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil10.07.2019

Pauscha­l­reisende können bei Flugan­nul­lierung Erstattung nur vom Reise­ver­an­stalter und nicht vom Luft­fahrt­unter­nehmen fordernAnsprüche aus Flug­gast­rechte­verordnung und aus Richtlinie über Pauschalreisen nicht kumulierbar

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass Fluggäste, die gegen ihren Reise­ver­an­stalter Anspruch auf Erstattung ihrer Flugschein­kosten haben, nicht auch eine Erstattung beim Luft­fahrt­unter­nehmen beanspruchen können. Eine solche Kumulierung wäre dazu angetan, zu einem ungerecht­fer­tigten Übermaß an Schutz der Fluggäste zu Lasten des Luft­fahrt­unter­nehmens zu führen.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Am 19. März 2015 buchten drei Personen bei Hellas Travel, einem in den Niederlanden ansässigen Reiseveranstalter, Hin- und Rückflüge für die Strecke Eelde (Niederlande) - Korfu (Griechenland). Diese Flüge waren Teil einer "Pauschalreise", deren Preis an Hellas Travel gezahlt wurde.

Die Flüge sollten von Aegean Airlines, einer in Griechenland ansässigen Gesellschaft, ausgeführt werden, die hierzu mit G.S. Charter Aviation Services, einer in Zypern ansässigen Gesellschaft, eine Vereinbarung geschlossen hatte: Aegean Airlines stellte G.S. Aviation Services gegen Zahlung eines Charterbetrags ein bestimmtes Sitzplatz­kon­tingent zur Verfügung. G.S. Charter verkaufte diese Sitzplätze sodann weiter an Dritte, u.a. an Hellas Travel.

Flugschein­kosten durch Hellas Travel nicht erstattet

Einige Tage vor dem vereinbarten Abflugtag teilte Hellas Travel den drei Reisenden jedoch mit, dass ihre Reise annulliert werde. Aegean Airlines hatte nämlich beschlossen, keine Flüge mehr nach und von Korfu durchzuführen, da sie den zuvor mit Hellas Travel vereinbarten Preis nicht erlangen konnte. Über das Vermögen von Hellas Travel wurde am 3. August 2016 das Insol­venz­ver­fahren eröffnet. Die Flugschein­kosten erstattete Hellas Travel den drei Reisenden nicht.

Nationales Gericht verurteilt Flugge­sell­schaft zur Zahlung von Ausgleichs­leis­tungen wegen Flugan­nul­lierung

Die drei Reisenden erhoben Klage vor der Rechtbank Noord-Nederland (Bezirksgericht Nordniederlande, Niederlande), die Aegean Airlines verurteilte, ihnen nach der Verordnung Nr.261/2004 über die Fluggastrechte* eine Ausgleichs­leistung wegen Annullierung ihres Fluges zu zahlen.

Nationales Gericht erbittet Vorab­ent­scheidung des EuGH zur Geltendmachung von Flugschein­kosten gegen Luftfahrt­un­ter­nehmen

Das Gericht entschied dagegen nicht über ihren Antrag auf Erstattung der Flugschein­kosten. Hierzu befragte das Gericht den Gerichtshof der Europäischen Union. Das Gericht wollte wissen, ob ein Fluggast, der nach der Richtlinie über Pauscha­l­reisen** gegen seinen Reise­ver­an­stalter Anspruch auf Erstattung seines Flugscheins habe, die Erstattung dieses Flugscheins auf der Grundlage der Verordnung über die Fluggastrechte beim Luftfahrtunternehmen geltend machen könne.

Erstat­tungs­an­spruchs aus Richtlinie über Pauschalreisen schließt Erstattung von Flugschein­kosten aus

Gerichtshof betonte in seiner Entscheidung, dass bereits das Bestehen eines Erstat­tungs­an­spruchs aus der Richtlinie über Pauschalreisen ausreiche, um auszuschließen, dass ein Fluggast, dessen Flug Bestandteil einer Pauschalreise ist, beim ausführenden Luftfahrt­un­ter­nehmen die Erstattung seiner Flugschein­kos­tennach der Verordnung über die Fluggastrechte verlangen könne.

Fluggäste durch Richtlinie über Pauschalreisen ausreichend geschützt

Nach Auffassung des Gerichtshofs wollte der Unions­ge­setzgeber nämlich zwar die Fluggäste, deren Flug Bestandteil einer Pauschalreise ist, nicht vollständig vom Anwen­dungs­bereich der Verordnung über die Fluggastrechte ausschließen, doch ihnen gegenüber die Wirkungen des zuvor nach der Richtlinie über Pauschalreisen errichteten Systems, das als ausreichend schützend angesehen wurde, beibehalten.

Kumulierung von Ansprüchen würde zu Übermaß an Schutz betroffener Fluggäste zu Lasten des Luftfahrt­un­ter­nehmens führen

Die Ansprüche auf Erstattung der Flugschein­kosten nach der Verordnung und nach der Richtlinie sind demnach nicht kumulierbar. Eine solche Kumulierung wäre dazu angetan, zu einem ungerecht­fer­tigten Übermaß an Schutz der betroffenen Fluggäste zu Lasten des ausführenden Luftfahrt­un­ter­nehmens zu führen, da dieses nämlich Gefahr liefe, einen Teil der Verantwortung übernehmen zu müssen, die dem Reise­ver­an­stalter obliegt.

Reise­ver­an­stalter muss für Fall der Zahlungs­un­fä­higkeit Erstattung aller gezahlten Beträge der Fluggäste sicherstellen

Diese Schluss­fol­gerung gilt auch in dem Fall, dass der Reise­ver­an­stalter finanziell nicht in der Lage sein sollte, die Flugschein­kosten zu erstatten, und keine Maßnahmen getroffen haben sollte, diese Erstattung sicherzustellen. In diesem Zusammenhang weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Richtlinie u.a. vorsieht, dass der Reise­ver­an­stalter nachweisen muss, dass im Fall der Zahlungs­un­fä­higkeit oder des Konkurses die Erstattung gezahlter Beträge sichergestellt ist. Der Gerichtshof verweist darüber hinaus auf seine Rechtsprechung, nach der eine nationale Regelung die Verpflichtungen aus der Richtlinie nur ordnungsgemäß umsetzt, wenn sie dazu führt, dass im Fall der Zahlungs­un­fä­higkeit des Reise­ver­an­stalters für die Fluggäste tatsächlich die Erstattung aller ihrer gezahlten Beträge sichergestellt ist. Andernfalls verfügt der betroffene Reisende jedenfalls über die Möglichkeit, eine Klage gegen den betreffenden Mitgliedstaat auf Ersatz des Schadens zu erheben, der ihm durch einen Verstoß gegen das Unionsrecht entstanden ist.

Erläuterungen

* Verordnung (EG) Nr.261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unter­stüt­zungs­leis­tungen für Fluggäste im Fall der Nicht­be­för­derung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr.295/91 (ABl. 2004, L46, S. 1).

** Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen (ABl. 1990, L 158, S.59).

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online (pm/kg)

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