21.11.2024
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil05.12.2013

Italien: Kein Verkauf von verschreibungs­pflichtigen Arzneimitteln in einer Verkaufsstelle für parapha­r­ma­zeu­tische ProdukteRegelung steht im Einklang mit dem Unionsrecht und soll sichere und qualitativ hochwertige Arznei­mit­tel­ver­sorgung der Bevölkerung sicherstellen

Das im italienischen Recht vorgesehene Verbot, verschreibungs­pflichtige Arzneimittel in einer Verkaufsstelle für parapha­r­ma­zeu­tische Produkte zu verkaufen, steht im Einklang mit dem Unionsrecht. Dieses Verbot ist durch das Ziel gerechtfertigt, eine sichere und qualitativ hochwertige Arznei­mit­tel­ver­sorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Dies geht aus einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union hervor.

In Italien kann die Arzneimittelversorgung nur über kommunale Apotheken oder durch private Apotheken ausgeübt werden, die eine von der Regierung ausgestellte Lizenz besitzen. Die Errichtung von Apotheken unterliegt im italienischen Hoheitsgebiet einer Planung, nach der die dort errichteten Apotheken zahlenmäßig begrenzt und gleichmäßig verteilt sind, wobei die Errichtung einer neuen Apotheke die vorherige Erteilung einer Zulassung voraussetzt. Für die Zahl der Apotheken ist in Italien eine Obergrenze vorgesehen, und sie verteilen sich nach einem „Organi­sa­ti­o­nsplan“ gleichmäßig über das Land. Durch diese Regelung soll zum einen verhindert werden, dass sich die Apotheken allein auf die wirtschaftlich gesehen attraktivsten Zonen konzentrieren, und jeder von ihnen soll ein Marktanteil gesichert werden. Zum anderen soll der Arznei­mit­tel­bedarf im gesamten nationalen Hoheitsgebiet gedeckt werden.

Gegründete Verkaufsstelle für parapha­r­ma­zeu­tische Produkte darf keine verschrei­bungs­pflichtigen Arzneimittel abgeben

Seit 2006 ist die Gründung von Verkaufsstellen für parapha­r­ma­zeu­tische Produkte gestattet, die nicht verschrei­bungs­pflichtige Arzneimittel abgeben dürfen, deren Kosten zu Lasten des Käufers gehen und für die öffentlich geworben werden darf.

Betreiberinnen der Verkaufsstelle beantragen als zugelassene Apothekerinnen verschrei­bungs­pflichtige Medikamente anbieten zu dürfen

Frau Venturini, Frau Gramegna und Frau Muzzio, drei bei der Apothekerkammer in Mailand eingetragene zugelassene Apothekerinnen, beantragten die Erteilung der Genehmigung, in ihren jeweiligen Verkaufsstellen für parapha­r­ma­zeu­tische Produkte verschrei­bungs­pflichtige Arzneimittel verkaufen zu dürfen, deren Kosten jedoch vollständig vom Käufer zu tragen sind. Die zuständigen örtlichen Gesund­heits­be­hörden (ASL) und das Gesund­heits­mi­nis­terium lehnten diese Anträge mit der Begründung ab, derartige Arzneimittel dürften gemäß den geltenden nationalen Vorschriften nur in Apotheken verkauft werden.

Apothekerinnen sehen in Regelung Verstoß gegen das EU-Recht - Nationales Gericht erbittet Vorab­ent­scheidung des EuGH

Die genannten Apothekerinnen fochten daraufhin die Entscheidungen beim Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia mit der Begründung an, dass diese Weigerung gegen das Unionsrecht verstoße. Dieses Gericht hat den Gerichtshof gefragt, ob der AEU-Vertrag einer Regelung entgegensteht, die es einem zugelassenen und bei der entsprechenden Berufskammer eingetragenen Apotheker, der aber nicht Inhaber einer im „Organi­sa­ti­o­nsplan“ aufgenommenen Apotheke ist, nicht erlaubt, in einer Verkaufsstelle für parapha­r­ma­zeu­tische Produkte, deren Inhaber er ist, diejenigen verschrei­bungs­pflichtigen Arzneimittel zu vertreiben, deren Kosten nicht vom nationalen Gesund­heits­dienst, sondern vollständig vom Käufer getragen werden.

Abgabemonopol für Arzneimittel und geografische Verteilung von Apotheken fällt in Zustän­dig­keits­bereich der Mitgliedstaaten

Der Gerichtshof erinnert in seinem Urteil zunächst daran, dass die geografische Verteilung der Apotheken und das Abgabemonopol für Arzneimittel in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen*. Außerdem stellt er fest, dass es in den nationalen Rechtsrahmen fällt, wenn einem Apotheker, der sich als Inhaber einer Verkaufsstelle für parapha­r­ma­zeu­tische Produkte niederlassen will, die wirtschaft­lichen Vorteile versagt bleiben, die sich aus dem Markt für verschrei­bungs­pflichtige und vollständig vom Käufer zu bezahlende Arzneimittel ergeben, deren Verkauf den Apotheken vorbehalten ist.

Nationale Regelung stellt Beschränkung der Nieder­las­sungs­freiheit dar

Da eine derartige nationale Regelung geeignet ist, die Niederlassung eines Apothekers in Italien, der Staats­an­ge­höriger eines anderen Mitgliedstaats ist und beabsichtigt, in Italien eine parapha­r­ma­zeu­tische Verkaufsstelle zu betreiben, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, stellt sie eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar.

Beschränkung zur Sicherstellung einer sicheren und qualitativ hochwertigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln gerechtfertigt

Sie kann jedoch durch zwingende Gründe des Allge­mein­in­teresses gerechtfertigt sein. Die italienische Regelung hat zum Ziel, der Bevölkerung eine sichere und qualitativ hochwertige Versorgung mit Arzneimitteln zu sichern, was zu dem allgemeineren Ziel gehört, den Schutz der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten.

Regelung kann sich zur Vermeidung von Doppel­ver­sor­gungen als unerlässlich erweisen

In diesem Zusammenhang erinnert der Gerichtshof daran, dass sich eine derartige Regelung als unerlässlich erweisen kann, um eventuelle Lücken im Zugang zu Leistungen des Gesund­heits­wesens zu schließen und um die Einrichtung von Strukturen einer Doppel­ver­sorgung zu vermeiden, so dass eine Gesund­heits­ver­sorgung gewährleistet ist, die den Bedürfnissen der Bevölkerung angepasst ist, das gesamte Hoheitsgebiet abdeckt und geografisch isolierte oder in sonstiger Weise benachteiligte Regionen berücksichtigt (vgl. Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil v. 01.06.2010 - C-570/07 und C-571/07 -).

Freigabe der Verkaufs­zu­las­sungen würde zu einer Vielzahl von Abgabestellen an rentablen Orten und einer nicht mehr gesicherten qualitativ hochwertigen Versorgung führen

Würde der Vertrieb bestimmter verschrei­bungs­pflichtiger Arzneimittel in parapha­r­ma­zeu­tischen Verkaufsstellen zugelassen, so hätte dies zur Folge, dass diese Arzneimittel ohne Rücksicht auf das Erfordernis der territorialen Planung verkauft werden könnten. Damit wäre die Gefahr verbunden, dass sich die parapha­r­ma­zeu­tischen Verkaufsstellen auf diejenigen Ortschaften konzentrieren würden, die als am rentabelsten gelten, was in diesen Ortschaften zur Folge hätte, dass bei den Apotheken die Zahl der Kunden und die Einnahmen zurückgehen würden. Dies könnte dazu führen, dass die Qualität der Dienst­leis­tungen, die die Apotheken den Kunden bieten, nachlässt und einige Apotheken sogar endgültig geschlossen werden. Ein Mangel an Apotheken in einigen Teilen des Landes würde dazu führen, dass keine sichere und qualitativ hochwertige Versorgung mit Arzneimitteln gewährleistet wäre.

Nationale Regelung sichert Ziel einer sicheren und qualitativ hochwertigen Arznei­mit­tel­ver­sorgung der Bevölkerung

Im Übrigen hebt der Gerichtshof hervor, dass jeder Mitgliedstaat bestimmen kann, auf welchem Niveau er den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten will und wie dieses Niveau erreicht werden soll. Da die italienische Regelung in parapha­r­ma­zeu­tischen Verkaufsstellen den Vertrieb von verschrei­bungs­pflichtigen Arzneimitteln, deren Kosten nicht vom nationalen Gesund­heits­dienst, sondern vollständig vom Käufer getragen werden, nicht zulässt, verringert dies die Gefahr eines Apothe­ken­mangels auf eine Weise, die in angemessenem Verhältnis zum Ziel einer sicheren und qualitativ hochwertigen Arznei­mit­tel­ver­sorgung der Bevölkerung steht.

Erläuterungen

* Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufs­qua­li­fi­ka­tionen (ABl. L 255, S. 22).

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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