23.11.2024
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Dokument-Nr. 10922

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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil20.01.2011

EuGH: Griechische Vorschriften zur Befreiung von der Grund­e­r­wer­bs­steuer ausschließlich für griechische Staats­an­ge­hörige verstoßen gegen UnionsrechtVerstoß gegen Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Union und Diskri­mi­nie­rungen aufgrund der Staats­an­ge­hö­rigkeit

Die griechische Steuer­vor­schrift, nach der ausschließlich Personen, die in Griechenland ansässig sind, beim Erwerb einer ersten Wohnung von der Grund­e­r­wer­b­steuer befreit werden, verstößt gegen die Grundsätze der Union. Sie hat auf nicht in Griechenland ansässige Personen eine abschreckende Wirkung und beschränkt damit ihr Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Union. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union.

Die griechischen Steuer­vor­schriften sehen beim Kauf einer ersten Immobilie zur Nutzung als Wohnsitz unter bestimmten Voraussetzungen eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer ausschließlich zugunsten von Käufern vor, die ihren ständigen Wohnsitz in Griechenland haben, und ausnahmsweise auch zugunsten von nicht in Griechenland ansässigen Griechen, die während mindestens sechs Jahren im Ausland gearbeitet haben.

Kommission hält Befreiung von der Grund­e­r­wer­bs­steuer ausschließlich für griechische Staats­an­ge­hörige für unzulässig

Die Kommission hat beim Gerichtshof gegen Griechenland eine Klage erhoben und gerügt, dass dieser Mitgliedstaat im Ausland Ansässige, die keine griechischen Staats­an­ge­hörigen seien, explizit diskriminiere, indem er zum einen die Befreiung von der Grund­e­r­wer­b­steuer ausschließlich Personen gewähre, die ihren ständigen Wohnsitz in Griechenland hätten – und nicht auch Personen, die die Absicht hätten, sich zukünftig dort niederzulassen –, und zum anderen diese Befreiung unter bestimmten Voraussetzungen ausschließlich griechischen Staats­an­ge­hörigen beim Erwerb ihrer ersten Wohnung in Griechenland gewähre.

Beein­träch­tigung des Rechts auf Freizügigkeit

Sie macht erstens geltend, dass das Kriterium des ständigen Wohnsitzes für die Unions­an­ge­hörigen zwar nicht von vornherein eine diskri­mi­nierende Behandlung bedeute, da es unabhängig von der Staats­an­ge­hö­rigkeit der Betroffenen gelte, dass aber die Personen, die ihren ständigen Wohnsitz in Griechenland hätten, in ihrer großen Mehrheit griechische Staats­an­ge­hörige seien. Zweitens stellten diese Bestimmungen, die einen Angehörigen eines Mitgliedstaats daran hinderten oder davon abhielten, seinen Herkunftsstaat zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, Beein­träch­ti­gungen dieser Freiheit dar.

Diskri­mi­nie­rungen aufgrund der Staats­an­ge­hö­rigkeit unzulässig

In seinem Urteil weist der Gerichtshof der Europäischen Union zunächst darauf hin, dass die direkten Steuern zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, doch müssen diese ihre Befugnisse unter Wahrung des Unionsrechts ausüben. Die Vorschriften über die Gleich­be­handlung verbieten nicht nur offensichtliche Diskri­mi­nie­rungen aufgrund der Staats­an­ge­hö­rigkeit, sondern auch alle verdeckten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unter­schei­dungs­merkmale – etwa des Wohnsitzes oder des Aufenthaltsorts – tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen, da die nicht im Inland ansässigen Personen meist Ausländer sind.

Regelung führt zur Beschränkung der Nieder­las­sungs­freiheit

Somit beschränkt das griechische Gesetz dadurch, dass es nicht in Griechenland ansässige Personen davon abschreckt, in diesem Mitgliedstaat gemäß dem Recht auf Freizügigkeit eine erste Wohnung zu kaufen, die Arbeit­neh­mer­frei­zü­gigkeit und die Niederlassungsfreiheit.

Griechenland hält Ziele der Regelung für gerechtfertigt

Sodann geht der Gerichtshof auf das Vorbringen Griechenlands ein, die Voraussetzung des ständigen Wohnsitzes sei u. a. durch sozia­l­po­li­tische Ziele – Privaten den Erwerb einer ersten Wohnung zu erleichtern – sowie die Ziele gerechtfertigt, Wohnungs­spe­ku­lation, Steuer­hin­ter­ziehung und Missbrauch zu verhindern.

Gerichtshof weist sozia­l­po­li­tische Ziele zurück

Der Gerichtshof weist diese Recht­fer­ti­gungen zurück. Was die Unterbindung von Spekulation angeht, verpflichtet nämlich das griechische Gesetz den Käufer einer Immobilie nicht dazu, diese als ständigen Wohnsitz zu nutzen, und verbietet ihm auch nicht, sie zu vermieten. Die vorgebrachten sozia­l­po­li­tischen Ziele weist der Gerichtshof zurück, da der Steuervorteil nicht selektiv und unabhängig vom Einkommen des Käufers gewährt wird.

Ziel, gegen Steuer­hin­ter­ziehung vorzugehen kann auf andere Weise erreicht werden

Schließlich könnte das Ziel, gegen Steuer­hin­ter­ziehung vorzugehen – um Missbrauch zu verhindern, der in der Inanspruchnahme der Befreiung für den Kauf von mehreren Immobilien besteht – durch weniger belastende Mechanismen erreicht werden, mit denen die griechischen Behörden sich vergewissern können, dass der Käufer einer Immobilie alle erforderlichen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung erfüllt. So könnte der Staat anhand der Eintragung im Steuerregister oder im Kataster, durch die Einholung von Steue­r­er­klä­rungen oder Wohnungs­an­mel­dungen, durch beeidete Erklärungen der Käufer oder Kontrollen durch die Steuerbehörden prüfen, ob der Käufer Eigentümer einer anderen Immobilie in Griechenland ist. Der Gerichtshof fügt hinzu, dass durch die Gewährung der Steuerbefreiung ausschließlich an griechische Staats­an­ge­hörige oder Personen griechischer Abstammung, die während mindestens sechs Jahren im Ausland gearbeitet haben, eine Unterscheidung getroffen wird, die auf das Kriterium der Staats­an­ge­hö­rigkeit gestützt ist und damit eine unmittelbare Diskriminierung darstellt.

Angestrebte Ziele rechtfertigen keine unter­schiedliche Behandlung von EU-Staatsbürgern

Er weist insoweit die von Griechenland vorgebrachte Rechtfertigung zurück, die u. a. auf die sozia­l­po­li­tischen Zielen gestützt ist, griechischen Auswanderern den Wohnungserwerb zu erleichtern, ihnen damit einen Anreiz zur Rückkehr zu bieten und allgemein die Verbindungen zwischen den ausgewanderten Griechen und ihrem Herkunftsstaat zu schützen. Solche Erwägungen sind nämlich nicht geeignet, das Vorliegen objektiver Umstände darzutun, die diese unter­schiedliche Behandlung rechtfertigen könnten.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union/ra-online

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