21.11.2024
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Dokument-Nr. 33302

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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil21.09.2023

EuGH: Zurückweisungen an Binnengrenzen rechtswidrigEinreise­verweigerungen regelmäßig nur an den EU-Außengrenzen möglich

Auch bei vorübergehend wieder eingeführten Grenzkontrollen innerhalb der Europäischen Union muss sich ein Mitgliedsstaat im Umgang mit illegal eingereisten Ausländern an die in der europäischen Rückführungs­richtlinie vorgesehenen Normen halten. Das gelte auch dann, wenn der Betroffene bei einer Kontrolle hinter der Grenze abgefangen werde und sich somit schon im Hoheitsgebiet dieses Staats aufhalte, erklärte der Europäische Gerichtshof (EuGH).

Mehrere Vereinigungen machen vor dem französischen Staatsrat die Rechts­wid­rigkeit einer Geset­zes­ver­tre­tenden Verordnung geltend, mit der das Gesetzbuch über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern und über das Asylrecht geändert wurde. Sie bringen vor, dieses Gesetzbuch verstoße gegen die sogenannte Rückfüh­rungs­richtlinie, indem die französischen Behörden danach Dritt­staats­an­ge­hörigen die Einreise an Grenzen zu anderen Mitgliedstaaten (im Folgenden: Binnengrenzen) verweigern könnten, an denen nach dem Schengener Grenzkodex wegen einer ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit Frankreichs vorübergehend Grenzkontrollen wieder­ein­geführt worden seien. Nach der Rückfüh­rungs­richtlinie muss als Grundregel gegenüber jedem illegal aufhältigen Dritt­staats­an­ge­hörigen eine Rückkeh­rent­scheidung ergehen. Dem Betroffenen muss jedoch grundsätzlich eine gewisse Frist für die freiwillige Ausreise gesetzt werden. Die zwangsweise Abschiebung darf nur als letztes Mittel eingesetzt werden. Der Staatsrat möchte vom Gerichtshof wissen, ob ein Mitgliedstaat, der die vorübergehende Wieder­ein­führung von Kontrollen an den Binnengrenzen beschließt, gegenüber einem Dritt­staats­an­ge­hörigen, der ohne gültigen Aufent­halt­stitel an einer zugelassenen Grenz­über­g­angs­stelle im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats, an der solche Kontrollen durchgeführt werden, abgefangen wird, eine Entscheidung über die Einreiseverweigerung allein auf der Grundlage des Schengener Grenzkodex erlassen kann, ohne die in der Rückfüh­rungs­richtlinie vorgesehenen gemeinsamen Normen und Verfahren beachten zu müssen.

Keine Aushebelung der Rückfüh­rungs­richtline

Der Gerichtshof urteilt, dass in einer solchen Situation eine Entscheidung über die Einrei­se­ver­wei­gerung auf der Grundlage des Schengener Grenzkodex erlassen werden kann, dass aber im Hinblick auf die Abschiebung des Betroffenen die in der Rückfüh­rungs­richtlinie vorgesehenen gemeinsamen Normen und Verfahren gleichwohl beachtet werden müssen, was dazu führen mag, dass dem Erlass einer solchen Entscheidung über die Einrei­se­ver­wei­gerung ein Großteil seiner Wirksamkeit genommen wird. Die Rückfüh­rungs­richtlinie findet nämlich grundsätzlich Anwendung, sobald sich ein Dritt­staats­an­ge­höriger im Anschluss an seine illegale Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats in diesem befindet, ohne die Voraussetzungen für die Einreise oder den dortigen Aufenthalt zu erfüllen, und damit dort illegal aufhältig ist. Dies gilt auch dann, wenn, wie es vorliegend der Fall ist, der Betroffene an einer Grenz­über­g­angs­stelle aufgegriffen wurde, die sich im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats befindet. Die Einreise einer Person in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats kann nämlich bereits vor dem Überschreiten einer Grenz­über­g­angs­stelle erfolgen. Der Gerichtshof stellt klar, dass es den Mitgliedstaaten nach der Rückfüh­rungs­richtlinie nur ausnahmsweise gestattet ist, Dritt­staats­an­ge­hörige, die sich illegal in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten, vom Anwen­dungs­bereich dieser Richtlinie auszunehmen. Wenn dies namentlich bei Dritt­staats­an­ge­hörigen der Fall ist, die einem Verbot der Einreise über eine Außengrenze eines Mitgliedstaats unterliegen, so gilt dies nicht bei Dritt­staats­an­ge­hörigen, denen, wie hier, die Einreise an einer Binnengrenze eines Mitgliedstaats verweigert wird, und zwar auch dann nicht, wenn dort Kontrollen wieder­ein­geführt wurden.

Rückfüh­rungs­richtlinie steht nicht Inhaftierung oder polizeilichen Ingewahr­samnahme entgegen

Schließlich weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Mitgliedstaaten einen Dritt­staats­an­ge­hörigen bis zu seiner Abschiebung namentlich dann in Haft nehmen können, wenn er eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt, und dass sie die Verwirklichung anderer Straf­tat­be­stände als solcher, die nur eine illegale Einreise zum Gegenstand haben, mit einer Freiheitsstrafe ahnden können. Außerdem steht die Rückfüh­rungs­richtlinie nicht der Inhaftierung oder polizeilichen Ingewahr­samnahme eines illegal aufhältigen Dritt­staats­an­ge­hörigen entgegen, wenn er verdächtigt wird, einen anderen Straftatbestand als nur die illegale Einreise in das Hoheitsgebiet verwirklicht zu haben, vor allem einen Straftatbestand, der die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit des betreffenden Mitgliedstaats bedrohen kann.

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Union, ra-online (pm/ab)

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