14.11.2024
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Dokument-Nr. 8654

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Urteil22.10.2009Gerichtshof der Europäischen UnionC 116/08
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Gerichtshof der Europäischen Union Urteil22.10.2009

EuGH zur Berechnung von Entlas­sungs­ent­schä­di­gungen bei Kündigungen während der ElternzeitAbfindung darf nicht auf Grundlage des zum Zeitpunkt der Kündigung reduzierten Gehalts berechnet werden

Die Entlas­sungs­ent­schä­digung für einen in Vollzeit angestellten Arbeitnehmer, der während eines Elternurlaubs auf Teilzeitbasis entlassen wird, berechnet sich auf der Grundlage seines Vollzeitgehalts. Eine Verkürzung der sich aus dem Arbeits­ver­hältnis ergebenden Rechte im Fall eines Elternurlaubs könnte den Arbeitnehmer davon abhalten, einen solchen Urlaub zu nehmen, und den Arbeitgeber dazu anhalten, bevorzugt diejenigen zu entlassen, die sich im Elternurlaub befinden. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden.

Mit der Richtlinie 96/34 soll die zwischen den europäischen Sozialpartnern geschlossene Rahmen­ver­ein­barung über den Elternurlaub durchgeführt werden. Diese Rahmen­ver­ein­barung stellt ein Engagement der Sozialpartner im Hinblick auf Maßnahmen im Wege von Mindest­vor­schriften dar, um die Chancen­gleichheit und Gleich­be­handlung von Männern und Frauen zu fördern, indem ihnen Gelegenheit geboten wird, ihre berufliche Verantwortung und ihre familiären Verpflichtungen miteinander zu vereinbaren.

Sachverhalt

Frau Meerts war seit September 1992 bei der Proost NV auf der Grundlage eines unbefristeten Arbeitsvertrags vollzeit­be­schäftigt. Ab November 1996 nahm sie verschiedene Formen der Laufbahn­un­ter­brechung in Anspruch, und ab dem 18. November 2002 arbeitete sie aufgrund von Elternurlaub, der bis zum 17. Mai 2003 dauern sollte, auf Halbzeitbasis.

Am 8. Mai 2003 wurde Frau Meerts mit sofortiger Wirkung gekündigt, wobei ihr eine Entlas­sungs­ent­schä­digung in Höhe von zehn Monatsgehältern gezahlt wurde, die auf der Grundlage ihres damaligen, wegen der entsprechenden Reduzierung ihrer Arbeits­leis­tungen um die Hälfte niedrigeren Gehalts berechnet war.

Klägerin verlangt Entschädigung auf der Grundlage des Vollzeitgehalts

Gegen die Höhe dieser Entlas­sungs­ent­schä­digung erhob sie Klage bei der Arbeids­rechtbank van Turnhout (Arbeitsgericht Turnhout, Belgien). Sie begehrt die Berechnung der Entschädigung auf der Grundlage des Vollzeitgehalts, das sie bezogen hätte, wenn sie ihre Arbeits­leis­tungen nicht im Rahmen ihres Elternurlaubs reduziert hätte.

Der Hof van Cassatie (belgischer Kassa­ti­o­ns­ge­richtshof), vor den der Rechtsstreit gelangt ist, hat in diesem Zusammenhang den Gerichtshof angerufen.

Zu Beginn des Elternurlaubs erworbene Rechte bleiben bis zum Ende des Elternurlaubs bestehen

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass nach Paragraph 2 Nr. 6 der Rahmen­ver­ein­barung über den Elternurlaub die Rechte, die der Arbeitnehmer zu Beginn des Elternurlaubs erworben hatte oder dabei war zu erwerben, bis zum Ende des Elternurlaubs bestehen bleiben.

Sowohl aus dem Wortlaut dieser Bestimmung als auch aus dem Kontext, in den sie sich einfügt, ergibt sich, dass ihr Zweck darin besteht, zu verhindern, dass aus dem Arbeits­ver­hältnis abgeleitete Rechte, die der Arbeitnehmer erworben hat oder gerade erwirbt und über die er zum Zeitpunkt des Antritts eines Elternurlaubs verfügt, verloren gehen oder verkürzt werden, und zu gewährleisten, dass sich der Arbeitnehmer im Anschluss an den Elternurlaub im Hinblick auf diese Rechte in derselben Situation befindet wie vor diesem Urlaub.

Gleich­be­handlung von Männern und Frauen

In Anbetracht des mit der Rahmen­ver­ein­barung über den Elternurlaub verfolgten Ziels der Gleich­be­handlung von Männern und Frauen muss die Pflicht zur Beachtung der Rechte, die erworben worden sind oder gerade erworben werden, als Ausdruck eines Grundsatzes des Sozialrechts der Gemeinschaft verstanden werden, dem besondere Bedeutung zukommt und der deshalb nicht restriktiv ausgelegt werden darf.

Rahmen­ver­ein­barung umfasst alle erworbenen Rechte und Vorteile

Aus den Zielen der Rahmen­ver­ein­barung über den Elternurlaub ergibt sich, dass die darin enthaltene Wendung „Rechte, die der Arbeitnehmer … erworben hatte oder dabei war zu erwerben“ alle unmittelbar oder mittelbar aus dem Arbeits­ver­hältnis abgeleiteten Rechte und Vorteile hinsichtlich Bar- oder Sachleistungen erfasst, auf die der Arbeitnehmer bei Antritt des Elternurlaubs einen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber hat.

Rechten und Vorteilen umfassen auch Beschäf­ti­gungs­be­din­gungen

Zu diesen Rechten und Vorteilen gehören diejenigen, die mit den Beschäf­ti­gungs­be­din­gungen zusammenhängen, wie das Recht eines Vollzeit­be­schäf­tigten, der Elternurlaub auf Teilzeitbasis genommen hat, darauf, dass bei einseitiger Beendigung eines unbefristeten Arbeitsvertrags durch den Arbeitgeber eine Kündigungsfrist gilt, deren Länge sich nach der Dauer der Betrie­bs­zu­ge­hö­rigkeit des Arbeitnehmers bemisst und deren Ziel es ist, die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz zu erleichtern.

Diese Gesamtheit von Rechten und Vorteilen wäre nicht gewährleistet, wenn im Fall der Nichteinhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist bei einer Kündigung während eines Elternurlaubs auf Teilzeitbasis ein auf Vollzeitbasis angestellter Arbeitnehmer den Anspruch darauf verlöre, dass die ihm zustehende Entlas­sungs­ent­schä­digung auf der Grundlage seines arbeits­ver­trag­lichen Gehalts bestimmt wird.

Regelung darf Arbeitnehmer nicht davon abhalten, Elternurlaub zu nehmen

So könnte eine nationale Regelung, die im Fall eines Elternurlaubs zu einer Herabsetzung der sich aus dem Arbeits­ver­hältnis ergebenden Rechte führte, den Arbeitnehmer davon abhalten, Elternurlaub zu nehmen, und den Arbeitgeber dazu anhalten, bevorzugt diejenigen Arbeitnehmer zu entlassen, die sich im Elternurlaub befinden. Das liefe unmittelbar dem Zweck der Rahmen­ver­ein­barung über den Elternurlaub zuwider, zu deren Zielen eine bessere Vereinbarkeit von Familienleben und Berufsleben gehört.

Reduziertes Gehalt darf nicht Grundlage für Abfindung sein

Der Gerichtshof gelangt zu dem Ergebnis, dass die Rahmen­ver­ein­barung über den Elternurlaub im Fall der einseitigen Beendigung des Arbeitsvertrags eines unbefristet und in Vollzeit angestellten Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber ohne schwerwiegenden Grund oder ohne Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist während eines auf Halbzeitbasis genommenen Elternurlaubs des Arbeitnehmers einer Berechnung der diesem zu zahlenden Entschädigung auf der Grundlage seines zum Zeitpunkt der Kündigung reduzierten Gehalts entgegensteht.

Quelle: ra-online, EuGH

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