21.11.2024
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Bayerischer Verfassungsgerichtshof Urteil30.07.2018

Geset­ze­s­än­de­rungen zur Abgeord­ne­ten­ver­sorgung verfas­sungsgemäßBÜNDINIS90/DIE GRÜNEN scheitern mit Antrag

Die Geset­ze­s­än­de­rungen über kommunale Wahlbeamte und Wahlbeamtinnen, des Bayerischen Abgeord­ne­ten­ge­setzes und des Gesetzes über die Rechts­ver­hältnisse der Mitglieder der Staatsregierung vom 24. April 2017 (GVBI S. 81) sind mit der Bayerischen Verfassung vereinbar. Dies hat der Bayerische Verfas­sungs­ge­richtshof entschieden.

Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob Änderungen im Gesetz über kommunale Wahlbeamte und Wahlbeamtinnen und im Bayerischen Abgeordnetengesetz, die die finanzielle Absicherung ausgeschiedener Abgeordneter des Bayerischen Landtags betreffen, gegen die Bayerische Verfassung verstoßen. Diese Geset­ze­s­än­de­rungen haben zur Folge, dass die Zeiten als Abgeordneter und als berufsmäßiger kommunaler Wahlbeamter (umfasst sind damit auch jeweils die weiblichen Bezeichnungen) zusam­men­ge­rechnet werden können; ein Versorgungsanspruch ergibt sich, wenn insgesamt zehn Jahre erreicht sind.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN befürchtet Verletzung des Gleich­heits­grund­satzes durch neu geschaffene Anrech­nungs­mög­lichkeit

Die Landtags­fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN macht als Antragstellerin in einer Meinungs­ver­schie­denheit gegenüber der CSU-Landtags­fraktion als Antragsgegnerin geltend, die angegriffenen Regelungen verstießen aus den bereits im Verlauf des Gesetz­ge­bungs­ver­fahrens angesprochenen Gründen gegen die Bayerische Verfassung(BV). Die neu geschaffene Anrech­nungs­mög­lichkeit verletze in mehrfacher Hinsicht den formalisierten Gleich­heits­grundsatz, der bei allen Entschä­di­gungs­leis­tungen an Abgeordnete, so auch bei der Alters­ver­sorgung, zu beachten sei. Diejenigen Abgeordneten, die in ihrer beruflichen Karriere zwischen Abgeord­ne­ten­tä­tigkeit und kommunalem Wahlamt wechselten, würden gegenüber den Abgeordneten bessergestellt, die vor Ablauf der Zehnjahresfrist in eine andere berufliche Tätigkeit wechselten oder keine solche mehr aufnähmen. Je nachdem, welches Wahlamt zuletzt ausgeübt werde, ergäben sich auch erhebliche Unterschiede hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem ein Anspruch auf Alters­ver­sorgung entstehe.

Bayer. VerfGH lehnt Antrag ab

Der Bayerische Verfas­sungs­ge­richtshof hat den Antrag abgewiesen.

1. Die angegriffenen Geset­ze­s­än­de­rungen zur Abgeord­ne­ten­ver­sorgung sind mit der Bayerischen Verfassung vereinbar. Sie haben zur Folge, dass die Zeiten als Mitglied des Landtags und als berufsmäßiger kommunaler Wahlbeamter zusam­men­ge­rechnet werden können und ein Versor­gungs­an­spruch besteht, wenn insgesamt zehn Jahre erreicht sind.

Formale Gleichstellung aller Landtags­mit­glieder

2. Aus Art. 13 Abs. 2 BV ist das Prinzip der egalitären Repräsentation abzuleiten. Hieraus ergibt sich, dass alle Mitglieder des Landtags einander formal gleichgestellt sind; allen Abgeordneten steht grundsätzlich eine gleich hoch bemessene Entschädigung sowie Versorgung zu.

Grund­ent­scheidung des Gesetzgebers nicht sachwidrig

3. Die Grund­ent­scheidung des Gesetzgebers, die Tätigkeiten eines Landtags­ab­ge­ordneten und eines Beamten auf Zeit im kommunalen Wahlbe­am­ten­ver­hältnis im Hinblick auf den Erwerb eines (Mindest-)Versor­gungs­an­spruchs als Einheit zu betrachten, ist nicht als sachwidrig zu beanstanden.

Systems lediglich fortentwickelt und punktuell ergänzt

4. Es handelt sich lediglich um eine Fortentwicklung und punktuelle Ergänzung des bestehenden Systems der Abgeord­ne­ten­ver­sorgung, das bereits derzeit keine absolute Gleich­be­handlung aller ehemaligen Mitglieder des Landtags in versor­gungs­recht­licher Hinsicht vorsieht. Ein Systembruch oder -wechsel ist nicht ansatzweise erkennbar.

Modifizierung einer gesetzlichen Regelung

5. Dass der Gesetzgeber die Randunschärfe einer gesetzlichen Regelung modifiziert, gehört auch im Geltungsbereich des formalisierten Gleich­heits­satzes typischerweise zu seinem Gestal­tungs­er­messen.

Zuletzt ausgeübte Tätigkeit maßgeblich für Anspruchs­be­ur­teilung

1. Der wesentliche Regelungsgehalt der von der Antragstellerin beanstandeten Vorschriften besteht darin, dass die Zeiten als Abgeordneter und als berufsmäßiger kommunaler Wahlbeamter –sofern nicht bereits aufgrund einer der Tätigkeiten eine Versorgung in Betracht kommt –zusam­men­ge­rechnet werden können und sich ein Versor­gungs­an­spruch bzw. eine Anwartschaft ergibt, wenn insgesamt zehn Jahre erreicht sind. Für die Beurteilung des Anspruchs im Einzelnen ist das Recht der Tätigkeit maßgeblich, die zuletzt ausgeübt wurde.

Alter­s­ent­schä­di­gungs­an­spruch grundsätzlich mit Vollendung des. 67. Lebensjahrs

a) War jemand zunächst in einem kommunalen Wahlbe­am­ten­ver­hältnis und später als Landtags­ab­ge­ordneter tätig, kann die Zeit als kommunaler Wahlbeamter auf Antrag als Zeit der Mitgliedschaft im Landtag angerechnet werden (Art. 14 a Satz 1des Bayerischen Abgeord­ne­ten­ge­setzes –BayAbgG). Die Höhe des Anspruchs auf Alter­s­ent­schä­digung nach dem Abgeord­ne­tenrecht ist in einem solchen Fall gemäß Art. 14a Satz 2 BayAbgG gedeckelt. Es wird Alter­s­ent­schä­digung in Höhe der nach zehn Jahren vorgesehenen Mindes­tent­schä­digung von 33,5 v. H. gezahlt (Art. 13 Satz 1 BayAbgG), und zwar auch dann, wenn die Addition der Zeiten beider Tätigkeiten mehr als zehn Jahre ergibt. Es gelten die Altersgrenzen des Abgeord­ne­ten­rechts mit der Folge, dass ein Anspruch auf Alter­s­ent­schä­digung grundsätzlich mit Vollendung des 67. Lebensjahrs entsteht.

Versor­gungs­ansprüche unmittelbar nach Ablauf der Amtszeit

b) Im umgekehrten Fall, wenn also jemand zuerst Parla­ments­mitglied und später kommunaler Wahlbeamter war, werden auf die Wartezeit von zehn Jahren, die nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes über kommunale Wahlbeamte und Wahlbeamtinnen (KWBG) Voraussetzung für den Eintritt in den Ruhestand ist, Zeiten als Mitglied des Landtags angerechnet (Art. 21 Abs. 2 Satz 1 Nr.5 KWBG). Da im KWBG keine Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand vorgesehen ist, können Versorgungsansprüche unmittelbar im Anschluss an den Ablauf der Amtszeit gegeben sein. Eine Versorgung kann daher in einem jüngeren Lebensalter erreicht werden, als dies der Fall ist, wenn zuletzt die Tätigkeit als Mitglied des Landtags ausgeübt wird. Regelmäßig ergibt sich ein Versor­gungs­an­spruch in Höhe des Mindestsatzes von 35 v.H.

Regelungen im Rahmen des Gestal­tungs­spielraums

2. Die angegriffenen Regelungen halten sich im Rahmen des dem Gesetzgeber zustehenden Gestal­tungs­spielraums; der formalisierte Gleich­heits­grundsatz (Art. 13 Abs. 2 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV) ist nicht verletzt.

Keine unzulässige Gleich­be­handlung von unter­schied­lichen Sachverhalte

a) Eine unzulässige Gleich­be­handlung unter­schied­licher Sachverhalte ist nicht gegeben. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Ausübung der politischen Ämter eines Mitglieds des Landtags und eines Beamten auf Zeit im kommunalen Wahlbe­am­ten­ver­hältnis für den Erwerb eines (Mindest-)Versor­gungs­an­spruchs als Einheit zu behandeln, kann sich auf sachbezogene Überlegungen stützen. Trotz der status­recht­lichen Unterschiede sowie der Zuordnung der Parla­ment­s­ab­ge­ordneten zur Legislative einerseits und der kommunalen Wahlbeamten zur Exekutive andererseits gibt es Ähnlichkeiten; insbesondere setzen beide Tätigkeiten eine Wahl voraus.

Keine unzulässige Differenzierung im Hinblick auf verschiedene Abgeord­ne­ten­gruppe

b) Ebenso wenig ergeben sich aus den angegriffenen Vorschriften unzulässige Diffe­ren­zie­rungen im Hinblick auf verschiedene Gruppen von Abgeordneten.

aa) Dass aufgrund der bisherigen Rechtslage auch ohne die angegriffenen Regelungen Mechanismen bereit stehen, die –wie eine Versor­gungs­ab­findung oder eine Nachver­si­cherung in der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung –zumindest eine Grundversorgung ermöglichen, hindert den Gesetzgeber nicht, Geset­ze­s­än­de­rungen vorzunehmen.

Systembruch - oder -wechsel bei Abgeord­ne­ten­ver­sorgung nicht erkennbar

bb) Zwar führen die angegriffenen Änderungen dazu, dass Abgeordnete, die zwischen den Tätigkeiten als Landtags­ab­ge­ordneter und als kommunaler Wahlbeamter wechseln, ein Anrecht auf eine bessere Alters­ver­sorgung erwerben, als dies beispielsweise bei einem Wechsel in die Privat­wirt­schaft der Fall ist. Die beanstandeten Vorschriften stellen jedoch lediglich eine Fortentwicklung und punktuelle Ergänzung des bestehenden Systems der Abgeord­ne­ten­ver­sorgung dar, das bereits derzeit keine absolute Gleich­be­handlung aller ehemaligen Mitglieder des Landtags in versor­gungs­recht­licher Hinsicht vorsieht. Die Änderungen betreffen zudem nur eine geringe Anzahl von Begünstigten, wobei sich die zu erlangende Versorgung jeweils auf einen Anspruch in Höhe des Mindestbetrags beschränkt. Ein Systembruch oder -wechsel bei der Abgeord­ne­ten­ver­sorgung ist daher nicht ansatzweise erkennbar. Dass der Gesetzgeber die Randunschärfe einer gesetzlichen Regelung modifiziert, gehört auch im Geltungsbereich des formalisierten Gleich­heits­satzes typischerweise zu seinem Gestal­tungs­er­messen.

Antrag wegen Ungleich­be­handlung im Hinblick auf Reihenfolge der ausgeübten Wahlämter erfolglos

cc) Die von der Antragstellerin monierte Ungleich­be­handlung im Hinblick auf die Reihenfolge der ausgeübten Wahlämter führt ebenfalls nicht zum Erfolg des Antrags. Dies ist Folge der unterschiedlich ausgestalteten Versor­gungs­systeme der Abgeordneten einerseits sowie der kommunalen Wahlbeamten andererseits, deren Strukturen als solche nicht Gegenstand der Meinungs­ver­schie­denheit sind

Quelle: Bayerischer Verfassungsgerichtshof/ ra-online

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