18.10.2024
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Dokument-Nr. 5072

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil30.10.2007

Kein Verstoß gegen europäisches Natur­schutzrecht: Isental-Autobahn A 94 darf gebaut werdenGeplante Trasse verstößt weder gegen FFH-Gebietsschutz noch gegen FFH-Artenschutz

Nach umfassenden Verhandlungen im September und Oktober 2007 hat der Bayerische Verwal­tungs­ge­richtshof seine Entscheidung zur Zulässigkeit der geplanten Autobahntrasse für den Abschnitt Forstinning - Pastetten verkündet. Er hat sämtliche Klagen gegen die Planfest­stel­lungs­be­schlüsse der Regierung von Oberbayern abgewiesen. Die Trasse Dorfen, die von der Linienführung der bestehenden B 12 über Haag abgeht und eine völlig neue Autobahntrasse darstellt, darf danach gebaut werden.

Gegenstand der Klagen war ein Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Oberbayern vom 7. März 2002. Am 19. April 2005 verhängte der Bayerische Verwal­tungs­ge­richtshof nach mehreren Ortsterminen und Verhandlungen einen vorläufigen Baustopp und legte die Streitsache wegen Fragen des europäischen Naturschutzes dem Europäischen Gerichtshof vor. Nachdem dieser sich mit Urteil vom 14. September 2006 geäußert hat, wurde der ursprüngliche Planfest­stel­lungs­be­schluss durch einen ergänzenden Planfest­stel­lungs­be­schluss vom 30. April 2007 inhaltlich wesentlich geändert, um vom Bayerischen Verwal­tungs­ge­richtshof beanstandete Abwägungsmängel zu beheben. Bei den Klägern handelt es sich um den Bund Naturschutz sowie um eine Reihe von der Planung in ihrem Grundeigentum betroffener Privatpersonen, vor allem Landwirte.

Nach ausführlicher Erörterung der Streitsache mit den Beteiligten ist das Gericht zu der Auffassung gelangt, dass die neu abgewogene Entscheidung der Regierung von Oberbayern zugunsten der Trasse Dorfen rechtlich nicht zu beanstanden ist. Insbesondere Gründe der ver-kehrlichen Erschließung des Raums Dorfen, der Verkehrs­si­cherheit und des Lärmschutzes könne die Behörde ohne Rechtsfehler für die Trasse durch das Isental anführen. Die an sich schwer wiegenden Gründe des europäischen Natur­schutz­rechts seien nicht in einer Weise betroffen, dass sie die Trasse zu Fall bringen könnten. Das gleiche gelte für die privaten Belange der Betroffenen.

Hinsichtlich der Belange des europäischen Natur­schutz­rechts, insbesondere zu Fragen der sog. FFH-Richtlinie (Flora Fauna Habitat), hat der Bayerische Verwal­tungs­ge­richtshof in seiner Kurzbegründung ausgeführt, dass die Trassen­ent­scheidung weder unter dem Gesichtspunkt des FFH-Gebietsschutzes noch hinsichtlich des FFH-Rechts zum sog. Artenschutz zu beanstanden sei. Hierzu im Einzelnen:

1. FFH-Gebietsschutz

In der Plantrasse von Forstinning bis Pastetten befänden sich keine gemeldeten FFH-Gebiete. Diese lägen erst in den Folge­ab­schnitten. Nach der Rechtsprechung sei daher nur zu prüfen, ob diese FFH-Gebiete der Trassenplanung bis Heldenstein unüberwindliche Hindernisse entge­gen­stellten. Eine sorgfältige und aufwändige Verträg­lich­keits­prüfung sei nunmehr durchgeführt worden.

Hier sei die potenzielle Beein­träch­tigung der sog. Wochenstube der Fledermausart "Großes Mausohr" in der Kirche Schwindkirchen zu berücksichtigen gewesen. Die mündliche Verhandlung habe dazu ergeben, dass die Autobahn­di­rektion Süd bestrebt sei, unter Berück­sich­tigung der "neuesten und besten wissen­schaft­lichen Erkenntnisse" über das Verhalten dieser Fledermausart mit entsprechenden Leitstrukturen wie Wällen, Bepflanzungen, Zäunen und Unterführungen ein gefahrloses Queren der Autobahn zu ermöglichen. Im äußersten Fall käme zur Unterbindung von Kollisionen mit Fahrzeugen auch die Überspannung der Folgetrasse mit Netzen oder die Einhausung in Betracht. Im Hinblick auf das geringe Restrisiko wäre es auch zulässig, dass die Behörde die Erteilung einer Ausnah­me­ge­neh­migung nach FFH-Recht erwäge.

Ebenfalls nur mit Blick darauf, ob der Planung in den Folge­ab­schnitten ein unüber­wind­liches Hindernis entgegenstehe, seien die Querungen von Bachläufen des Isentals über Auwaldbestände durch Brücken zu berücksichtigen gewesen. Dabei sei zunächst anzumerken, dass die Querung des Hammerbachs und der Isen an Stellen erfolge, wo sich keine Auwälder befänden. Soweit Auwälder betroffen seien, habe die Behörde bei ihrer Verträg­lich­keits­prüfung erkannt, dass insbesondere Gefahren durch ein erforderliches Zurückschneiden, durch Verschattung und Austrocknung unter den Brücken bestehen könnten. Die Behörde habe jedoch aufgezeigt, dass sie solche Einwirkungen auf ein insgesamt nicht mehr erhebliches Minimum zu reduzieren vermöge. Dazu gehörten u.a. Maßnahmen wie die Errichtung von Brücken mit großen Spannweiten und ausreichenden lichten Höhen, das Vernässen der Bereiche unter den Brücken sowie das Ausein­an­der­rücken der Richtungs­fahr­bahnen. Damit würden z.B. die beschatteten Bereiche halbiert und dort insgesamt gute Wachs­tums­be­din­gungen geschaffen. Im äußersten Fall käme auch hier die Erteilung einer Ausnah­me­ge­neh­migung nach FFH-Recht in Betracht.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verlange das FFH-Recht nur, dass ein gemeldetes Ge-biet als solches nicht beeinträchtigt werde. Maßgeblich seien dabei als Erhaltungsziele die Angaben, die bei der Gebietsmeldung an die EU-Kommission im Standa­rd­da­tenbogen gemacht worden seien, hier also nur die Nennung der Auwälder in den Meldebögen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dürften keine Eingriffe zugelassen werden, die die ökologischen Merkmale eines Gebiets erheblich beeinträchtigen könnten. Dies sei u.a. dann der Fall, wenn ein Eingriff die Fläche des Gebiets wesentlich verringern, zum Verschwinden dort vorkommender prioritärer Arten führen würde oder die Zerstörung des Gebiets oder die Beseitigung seiner repräsentativen Merkmale zur Folge haben könnte. Dies alles habe die Behörde hier ohne Rechtsfehler ausschließen können. Ebenso habe sie davon ausgehen dürfen, dass auch gebietstypische Funkti­o­ns­zu­sam­menhänge nicht gestört würden. Die Behörde habe keine vernünftigen Zweifel daran haben müssen, dass das Gebiet als solches nicht nachteilig betroffen werde und die Auwälder in einem günstigen Erhal­tungs­zustand verbleiben könnten. Ihre durchgeführte Verträg­lich­keits­prüfung bestätige dies.

2. FFH-Artenschutz

Insoweit habe die Behörde vorsorglich eine Vielzahl von Arten untersucht und natur­schutz­rechtliche Befreiungen, also eine Art von Ausnah­me­ge­neh­mi­gungen erteilt. Im Planfest­stel­lungs­ab­schnitt bis Pastetten befinde sich als durch FFH-Recht geschützte Art nur der "Kriechende Scheiberich" (apium repens). Dessen Vorkommen werde dort durch die Trasse teilweise überbaut. Allerdings handle es sich dabei um einen relativ kleinen, bislang weder rechtlich noch tatsächlich effektiv geschützten Bestand auf dem Grundstück eines Landwirts. Die Behörde habe insoweit Schadens­mi­ni­mie­rungs­maß­nahmen zugesagt, die dazu beitragen würden, dass der durch die Planung nicht betroffene Teilbestand beidseits der künftigen Autobahntrasse über die gegenwärtigen Verhältnisse hinaus stabilisiert und in einem günstigen Zustand erhalten werden könne. Soweit der Bestand überbaut werden solle, habe die Behörde wegen Unzumutbarkeit der potenziellen Alter­na­tiv­planung eine natur­schutz­rechtliche Befreiung erteilen können. Nach der Rechtsprechung sei eine Alter­na­tiv­trasse nicht zumutbar, wenn der Planungsträger mit der Trasse seine natur­schutz­ex­ternen Ziele - hier seine verkehrlichen und verkehrs­po­li­tischen Ziele im Korridor Dorfen - nicht erreichen könne. Im vorliegenden Fall komme hinzu, dass auch auf der potenziellen Alter­na­tiv­trasse Haag eine Reihe von Sachverhalten mit Gewicht gegeben seien, bei deren Vorliegen das FFH-Recht eine andere, zufrie­den­stellende Lösung grundsätzlich ausschließe. Besonders zu erwähnen seien hier die nicht unbedeutenden Vorkommen des Schwarzstorchs und des Kammmolchs im Bereich des Großhaager Forstes. Nach den Maßstäben des FFH-Rechts erweise sich somit insgesamt die Befrei­ungs­ent­scheidung zugunsten der Trasse Dorfen als rechtlich tragfähig.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VGH Bayern vom 30.10.2007

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