Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss27.01.2012
Mehrstündiges Festhalten eines Demonstranten im Polizeibus rechtswidrigFesthalten in abgestelltem Gefangenentransporter stellt Verletzung des Grundrechts auf Freiheit dar
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat entschieden, dass ein mehrstündiges Festhalten in einem abgestellten Gefangenentransporter den Betroffenen in seinem Grundrecht auf Freiheit der Person verletzt, wenn in der konkreten Situation eine Möglichkeit bestanden hat, die besonders belastende Form der Freiheitsentziehung früher zu beenden.
Der Kläger des zugrunde liegenden Falls war im Zusammenhang mit einer unangemeldeten Demonstration gegen das Pfingsttreffen der Gebirgsjäger in Mittenwald Ende Mai 2004 am Nachmittag von der Polizei in Gewahrsam genommen, in eine bei der Standortverwaltung eingerichtete Gefangenensammelstelle verbracht und mit kurzen Unterbrechungen durch ein Verhör und eine erkennungsdienstliche Behandlung längere Zeit in einem Polizeibus festgehalten worden. Erst am späteren Abend wurde er zur Polizeiinspektion gefahren, wo er die Nacht in einer Haftzelle verbringen musste. Der zuständige Richter am Amtsgericht hob am Vormittag des darauffolgenden Tages die Freiheitsentziehung auf.
Verwaltungsgericht verneint Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahme
Das Verwaltungsgericht München hatte die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahme abgewiesen. Die Maßnahme sei mit etwa dreieinhalb Stunden von geringer zeitlicher Dauer und zudem aus verwaltungstechnischen Gründen erforderlich gewesen.
Bayerischer VGH rügt unzumutbare Freiheitsentziehung und schweren Eingriff in die Rechte des Betroffenen
Dem hat sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof nicht angeschlossen. Der Kläger sei durch das mehrstündige Sitzen im Gefangenentransportbus einer unzumutbaren Freiheitsentziehung unterworfen worden. Eine Einzelkabine in einem solchen Bus sei nur 77 cm x 95 cm klein und beschränke die Bewegungsfreiheit extrem. Das Festhalten darin stelle einen über den Gewahrsam hinausgehenden schweren Eingriff in die Rechte des Betroffenen dar. Dieser sei nicht gerechtfertigt gewesen, weil es in der konkreten Situation (größere Veranstaltung, personelle und sachliche Ausstattung der Einsatzkräfte) auch die Möglichkeit gegeben habe, den Kläger früher in die Haftzelle zu bringen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 08.02.2012
Quelle: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof/ra-online