23.11.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil18.12.2017

Leistungen nach dem Unterhalts­vorschuss­gesetz auch für in Portugal lebende Kinder möglichAllein­er­zie­hender Elternteil muss in Deutschland mehr als nur geringfügig beschäftigt sein

Einem Anspruch auf staatlichen Unter­halts­vor­schuss steht nicht entgegen, dass die betroffenen Kinder in Portugal leben, wenn der allein­er­ziehende Elternteil in Deutschland mehr als nur geringfügig beschäftigt ist. Dies entschied das Bundes­verwaltungs­gericht.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die 2003 und 2005 geborenen Kläger lebten zunächst in Deutschland bei ihrer Mutter, die die deutsche Staats­an­ge­hö­rigkeit besitzt. Nach ihrer Trennung vom Vater der Kläger nahm die Mutter eine Berufstätigkeit in Deutschland auf. Seit Ende des Jahres 2009 wohnen die Kläger in Portugal, wo ihre Großmutter lebt und ihre Mutter einen weiteren Wohnsitz begründete. Nachdem der Vater für die Kläger keinen Unterhalt mehr leistete, beantragte sie für die Kläger Leistungen nach dem Unter­halts­vor­schuss­gesetz.

Klage auf Leistungen nach Unter­halts­vor­schuss­gesetz in den Vorinstanzen erfolglos

Die nach Ablehnung des Antrags und Zurückweisung des Widerspruchs erhobene Klage war in beiden Vorinstanzen erfolglos. Das Berufungs­gericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass die Kläger nicht, wie nach dem Unter­halts­vor­schuss­gesetz erforderlich, in Deutschland lebten.

Wohnsit­zer­for­dernis wegen des Vorrangs der Freizügigkeit der Arbeitnehmer hier nicht anwendbar

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und den Klägern für die Zeit bis zum Erlass des Wider­spruchs­be­scheides die begehrten Leistungen zuerkannt. Das Unter­halts­vor­schuss­gesetz verleiht einem Kind, das von einem insoweit verpflichteten Elternteil keinen oder nicht regelmäßigen Unterhalt erhält, unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss oder Unter­halts­aus­fa­ll­leistung. Dieser Anspruch besteht nach dem nationalen Gesetz nur für in Deutschland lebende Kinder. Dieses Wohnsit­zer­for­dernis ist hier jedoch wegen des Vorrangs der vom Unionsrecht gewährleisteten Freizügigkeit der Arbeitnehmer nicht anwendbar. Danach genießt ein Arbeitnehmer, der Staats­an­ge­höriger eines Mitgliedstaats ist, im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats grundsätzlich die gleichen sozialen Rechte wie die inländischen Arbeitnehmer. Darauf können sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auch Unionsbürger berufen, die - wie die Mutter der Kläger - in einem Mitgliedstaat der Union wohnen und in einem anderen Mitgliedstaat arbeiten.

Verbotene mittelbare Diskriminierung wegen der Staats­an­ge­hö­rigkeit

Aus dieser Rechtsprechung folgt auch, dass die Kläger im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Unter­halts­vor­schuss selbst das Freizü­gig­keitsrecht der Mutter geltend machen können, weil sich die Leistung als eine soziale Vergünstigung für die Mutter darstellt. Der Gerichtshof der Europäischen Union nimmt ferner an, dass der Ausschluss des Famili­en­mit­glieds eines Arbeitnehmers von einer sozialen Vergünstigung - wie hier - mit der Begründung, es habe seinen Wohnsitz nicht in dem insoweit zuständigen, sondern in einem anderen Mitgliedsstaat, als eine von der Arbeit­neh­mer­frei­zü­gigkeit grundsätzlich verbotene mittelbare Diskriminierung wegen der Staats­an­ge­hö­rigkeit anzusehen ist.

Verbundenheit zur Bundesrepublik zeigt sich auch durch nicht nur geringfügige Erwer­b­s­tä­tigkeit des Arbeitnehmers im Heimatland

Diese Ungleich­be­handlung ist nur gerechtfertigt, wenn sie im Hinblick auf ein damit verbundenes legitimes Ziel auch erforderlich ist. Soweit mit dem Wohnsit­zer­for­dernis des Unter­halts­vor­schuss­ge­setzes der Zweck verfolgt wird, dass die Leistung nur gewährt wird, wenn eine besondere Verbindung zur Bundesrepublik Deutschland besteht, ist ein Inlandswohnsitz aber zur Erreichung dieses Zieles nicht erforderlich. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union reicht es aus, dass die Verbundenheit durch eine nicht nur geringfügige Erwer­b­s­tä­tigkeit des Arbeitnehmers in diesem Mitgliedstaat zum Ausdruck kommt. Denn diejenigen, die durch ihre Abgaben zur Finanzierung der Leistungen beitragen, sollen auch in den Genuss der Leistungen kommen. Dies trifft auf die Mutter der Kläger zu. Soweit die Leistungen ihrer Höhe nach an die Lebens­ver­hältnisse in Deutschland anknüpfen, kann etwaigen günstigeren Lebens­hal­tungs­kosten im Ausland durch Abschläge Rechnung getragen werden.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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