21.11.2024
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Dokument-Nr. 28061

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Bundesverwaltungsgericht Urteil07.11.2019

Bei Einstufung eines Produkts als Nahrungs­er­gänzungs- oder Arzneimitteln sind mögliche Gesund­heits­risiken zu berücksichtigenEinstufung eines Produkts als Arzneimittel nur bei Erfor­der­lichkeit des Schutzes der menschlichen Gesundheit gerechtfertigt

Die behördliche Entscheidung über die Einstufung eines Produkts als Nahrungs­er­gänzungs- oder als Arzneimittel erfordert eine Gesamt­be­trachtung der Produktmerkmale, bei der auch die möglichen Gesund­heits­risiken bei seiner Verwendung zu berücksichtigen sind. Dies entschied das Bundes­verwaltungs­gericht und wies die Einstufung von zwei Ginkgo-Präparaten zur weiteren Aufklärung an das Berufungs­gericht zurück.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Falls beabsichtigte, zwei in Österreich hergestellte und dort als Nahrungsergänzungsmittel verkaufsfähige Produkte in Deutschland zu vertreiben. Beide enthalten Kapseln mit jeweils 100 mg Trockenextrakt aus Ginkgo-biloba-Blättern (GbE); nach der Verzeh­r­emp­fehlung soll einmal täglich eine Kapsel eingenommen werden. Um Rechts­si­cherheit über die Zulässigkeit des Vertriebs in Deutschland zu erlangen, beantragte die Klägerin im Dezember 2009 beim Bundesamt für Verbrau­cher­schutz und Lebens­mit­tel­si­cherheit (BVL) die Bestätigung der Verkehrs­fä­higkeit durch den Erlass einer Allge­mein­ver­fügung nach § 54 des Lebensmittel- und Futter­mit­tel­ge­setzbuchs. Das BVL lehnte den Antrag ab, weil für Produkte mit einer GbE-Dosierung von 100 mg/Tag von einer pharma­ko­lo­gischen Wirkung ausgegangen werde müsse und es sich daher um Arzneimittel handele.

OVG verweist auf wissen­schaftliche Studien zu pharma­ko­lo­gischer Wirkung

Widerspruch, Klage und Berufung blieben erfolglos. Nach Auffassung des Nieder­säch­sischen Oberver­wal­tungs­ge­richts belegen wissen­schaftliche Studien eine pharma­ko­lo­gische Wirkung von Produkten mit einer GbE-Dosierung von 100 mg/Tag. Sie beeinflussten die menschlichen physiologischen Funktionen positiv, indem sie in nennenswerter Weise die Blutviskosität verringerten und die zerebrale Perfusion in bestimmten Gehirnregionen verbesserten.

Bei Gesamt­be­trachtung sind mögliche Gesund­heits­risiken mit einzubeziehen

Auf die Revision der Klägerin hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Sachver­halts­auf­klärung an das Oberver­wal­tungs­gericht zurückverwiesen. Die Annahme einer pharma­ko­lo­gischen Wirkung der streit­ge­gen­ständ­lichen Produkte hat das Berufungs­gericht zwar ohne Verstoß gegen revisibles Recht festgestellt. Zu Recht ist es dabei auch davon ausgegangen, dass der Nachweis einer therapeutischen Wirksamkeit für die Annahme der Arznei­mit­te­lei­gen­schaft eines Produkts nicht erforderlich ist; diese Anforderung gilt erst für die Zulassung eines Arzneimittels. Das Berufungsurteil hat es indes unterlassen, mögliche Gesund­heits­risiken in die Gesamt­be­trachtung einzustellen. Liegen die Auswirkungen eines Produkts auf die physiologischen Funktionen im Grenzbereich zwischen Nahrungs­er­gänzungs- und Arzneimittel, kommt dem Merkmal der Verwen­dungs­risiken besonderes Gewicht zu. Eine Einstufung als Arzneimittel ist insoweit nur gerechtfertigt, wenn dies zum Schutz der menschlichen Gesundheit erforderlich ist.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online (pm/kg)

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