18.10.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil24.10.2019

Entfernung aus dem Beamten­ver­hältnis: Besitz von Kinderpor­no­graphie nicht mit Beruf des Lehrers vereinbarAmt des Lehrers ist mit besonderen Schutz- und Obhutspflichten verbunden

Der strafbare Besitz von Kinderpor­no­graphie durch Lehrer - selbst in geringer Menge - führt in Disziplinar­verfahren in aller Regel zur Entfernung aus dem Beamten­ver­hältnis. Dies hat das Bundes­verwaltungs­gericht in zwei Revisi­ons­ver­fahren entschieden und dabei seine Rechtsprechung zu Fällen dieser Art fortentwickelt.

Nach der in den beiden Verfahren maßgeblichen, seit 2004 geltenden Rechtslage wurde der Besitz kinderpor­no­gra­phischer Schriften (dazu zählen auch Bild- und Videodateien) mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft (§ 184 b Abs. 4 StGB a.F.). Erst Anfang 2015 hat der Gesetzgeber den Strafrahmen um ein Jahr auf drei Jahre erhöht (nun § 184 b Abs. 3 StGB n.F.).

Sachverhalt

Die zwei zugrunde liegenden Revisi­ons­ver­fahren betreffen Lehrer im Berliner Landesdienst. Den Beamten wurde jeweils vorgeworfen, auf privat genutzten Datenträgern kinderpor­no­gra­phische Bild- oder Videodateien besessen zu haben. Der Beamte des Verfahrens BVerwG 2 C 3.18 wurde durch rechtskräftigen Strafbefehl zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen verurteilt. Der Beamte des Verfahrens BVerwG 2 C 4.18 wurde durch rechtskräftiges Strafurteil zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt.

OVG hält Entfernung aus dem Beamten­ver­hältnis für ausgeschlossen

Die auf die Entfernung der beiden Beamten aus dem Beamten­ver­hältnis gerichteten Diszi­pli­na­r­klagen blieben vor dem Verwal­tungs­gericht und dem Oberver­wal­tungs­gericht ohne Erfolg. Das Oberver­wal­tungs­gericht nahm unter Berück­sich­tigung des abstrakten Strafrahmens, der individuellen Strafzumessung sowie der Anzahl und Inhalt der Bilddateien an, dass es sich lediglich um Fälle im unteren Bereich der möglichen Begehungsformen handele. Daher sei die Entfernung aus dem Beamten­ver­hältnis als disziplinare Höchstmaßnahme ausgeschlossen.

Diszi­pli­na­rische Maßnahmen bei Bezug zwischen begangenen Straftaten und mit dem Amt des Beamten verbundenen Pflichten möglich

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hob auf die Revision des Landes Berlin in beiden Fällen die vorin­sta­nz­lichen Urteile auf und entfernte die Lehrer jeweils aus dem Beamten­ver­hältnis. Zur Begründung führte das Bunde­ver­wal­tungs­gericht im Wesentlichen aus, dass außerhalb des Dienstes zwar heute auch von Beamten kein besonders vorbildhaftes Sozialverhalten mehr erwartet werde, so dass außer­dienstliche Verfehlungen nur unter besonderen Voraussetzungen zu Diszi­pli­n­a­r­maß­nahmen des Dienstherrn berechtigen. Straftaten rechtfertigen diszi­pli­na­rische Maßnahmen aber dann, wenn ein Bezug zwischen den begangenen Straftaten und den mit dem Amt des Beamten verbundenen Pflichten bestehe. Beim außer­dienst­lichen (d.h. privaten) Besitz kinderpor­no­gra­phischer Bild- oder Videodateien sei dies bei Lehrern wegen ihrer besonderen Schutz- und Obhutspflichten gegenüber Kindern und Jugendlichen der Fall.

Auch Besitz geringer Mengen von Kinderpor­no­graphie führt zum Verlust des erforderlichen Vertrauens

Straftaten, für die der Gesetzgeber eine Strafandrohung von bis zu zwei Jahren vorgesehen hat und die einen Bezug zur Amtsstellung des Beamten - hier des Lehrers - haben, lassen Diszi­pli­n­a­r­maß­nahmen bis hin zur Entfernung aus dem Beamten­ver­hältnis zu. Die Ausschöpfung dieses Orien­tie­rungs­rahmens bedarf indes der am Einzelfall ausgerichteten Würdigung der Schwere der von dem Beamten begangenen Verfehlungen und seiner Schuld. Diese Bemes­sungs­ent­scheidung führt beim Besitz von Kinderpornographie durch Lehrer - selbst in geringer Menge - in aller Regel zur Entfernung aus dem Beamten­ver­hältnis. Ausschlaggebend dafür ist der mit dem Besitz von Kinderpor­no­graphie verursachte Verlust des für das Statusamt des Lehrers erforderlichen Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit. Einem Lehrer obliegt die Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen, die mit besonderen Schutz- und Obhutspflichten verbunden sind. Da das Strafrecht und das beamten­rechtliche Disziplinarverfahren unter­schiedliche Zwecke verfolgen, kommt es hingegen nicht auf das konkret ausgesprochene Strafmaß (Geldstrafe oder Freiheitsstrafe) an.

Nach diesen Grundsätzen war in beiden Verfahren die Entfernung aus dem Beamten­ver­hältnis die angemessene Disziplinarmaßnahme.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online (pm/kg)

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