18.10.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil02.03.2006

Ministerieller "Haar-Erlass" ist unwirksamAnordnung "Haare in Hemdkragenlänge" ist für Polizisten unver­hält­nismäßig

Ein ministerieller Erlass, der uniformierten Polizisten vorschreibt, dass sie ihre Haare in "Hemdkragenlänge" tragen müssen, ist mit dem grundrechtlich geschützten Persön­lich­keitsrecht der Beamten nicht vereinbar. Dies hat der 2. Senat des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts in Leipzig entschieden.

Der Kläger, ein Polizei­voll­zugs­beamter, trug seine Haare in einer Form, die weit über den Hemdkragen reichte. Nachdem das Innen­mi­nis­terium des beklagten Landes für das Erscheinungsbild der Polizei u.a. bestimmt hatte, dass eine deutlich über den Hemdkragen reichende Haarlänge bei (männlichen) uniformierten Polizeibeamten mit dem geforderten korrekten Erschei­nungsbild nicht vereinbar sei, wurde dem Kläger von seinem Vorgesetzten aufgegeben, seine Haarlänge entsprechend anzupassen. Seine Klage gegen die Anordnung blieb in den Vorinstanzen erfolglos.

Eingriff in das Persön­lich­keitsrecht

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht gab der Klage statt. Bestimmungen über die Haar- und Barttracht greifen mehr als geringfügig in das Persönlichkeitsrecht des Klägers ein, weil sie über den dienstlichen Bereich hinaus in der Privatsphäre der betroffenen Beamten fortwirken. Daher verlangt der Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit, dass plausible dienstliche Gründe für ihren Erlass sprechen. Solche Gründe sind für die Bestimmung, die Haare in "Hemdkragenlänge" zu tragen, nicht ersichtlich.

Keine Konflikte oder Behinderungen bei der Dienstausübung bekannt

Das Berufungs­gericht hat nicht festgestellt, dass es aufgrund langer, deutlich über den Hemdkragen reichender Haare uniformierter Polizeibeamter zu Konflikten oder Behinderungen bei der Dienstausübung gekommen ist. Dem Erfordernis, die Legitimation für dienstliche Maßnahmen äußerlich erkennbar zu machen, trägt bereits die Uniform Rechnung. Das öffentliche Interesse an einer angemessenen Repräsentation des Staates kann Vorgaben für das äußere Erschei­nungsbild von Beamten rechtfertigen. Daher können Erschei­nungs­formen untersagt werden, die womöglich zu einer Minderung des Ansehens und der Akzeptanz des öffentlichen Dienstes führen. Dies gilt in besonderer Weise für uniformierte Polizeibeamte. Hierbei steht dem Dienstherrn ein Einschät­zungs­spielraum zu. Will er sich auf Umfragen stützen, dürfen diese die Frage der Haarlänge nicht als solche des Geschmacks oder der Schicklichkeit zur Abstimmung stellen. Keinesfalls darf er sich jedoch einem erkennbaren Wandel der Anschauungen verschließen. Ein solcher Wandel ist hinsichtlich der Gestaltung der Haare von Männern zu verzeichnen. Mit der Haartracht werden nicht mehr in gleicher Weise wie früher bestimmte gesell­schaftliche Vorstellungen oder nonkon­for­mis­tische Haltungen verbunden. Lange, deutlich über den Hemdkragen reichende Haare können nicht mehr generell als unseriös oder extravagant angesehen werden. Vielmehr kommt es auf die jeweilige Gestaltung an.

Über die Frage der Vereinbarkeit der früheren Haartracht des Klägers mit dienstlichen Erfordernissen brauchte das Bundes­ver­wal­tungs­gericht nicht zu entscheiden. Im Streit stand nur die Anordnung, die Haare auf "Hemdkragenlänge" zu kürzen.

Quelle: ra-online, BVerwG

der Leitsatz

Eine Regelung der obersten Dienstbehörde, die uniformierten Polizeibeamten vorschreibt, die Haare in Hemdkragenlänge zu tragen, verstößt gegen Art. 2 Abs. 1 GG.

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