18.10.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil02.02.2017

Ruhestands­beamter des Bundes muss sich Rente für Tätigkeit in der DDR auf Versor­gungs­bezüge anrechnen lassenGeringere Ruhestands­bezüge wegen besonderer persönlicher Nähe zum System der DDR nicht zu beanstanden

Bezieht ein Ruhestands­beamter des Bundes auch eine Rente für eine Tätigkeit in der DDR, die ihm aufgrund eines Studi­e­n­ab­schlusses an der SED-Partei­hoch­schule "Karl Marx" übertragen wurde, so muss er sich diese Rente auf seine Versor­gungs­bezüge anrechnen lassen. Dies entschied das Bundes­verwaltungs­gericht.

Der 1945 geborene Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens war seit 1973 in der Zentralen Staatliche Preiskontrolle für Investitionen (ZSPI) des Amtes für Preise, einem Organ des Ministerrats der DDR, tätig. Nach einigen Jahren als persönlicher Mitarbeiter beim Staatssekretär des Amtes für Preise und einem dreijährigen Studium der Gesell­schafts­wis­sen­schaften an der SED-Partei­hoch­schule "Karl Marx" beim Zentralkomitee der SED, das er mit dem Diplom abschloss, wurde er 1982 zum Stellvertreter des Leiters der ZSPI ernannt. 1990 wechselte er zum Rechnungshof der DDR und wurde nach der Wieder­ver­ei­nigung vom Bundes­rech­nungshof zunächst als Angestellter und schließlich 1994 als Beamter übernommen. Zuletzt bekleidete er das Amt eines Leitenden Regie­rungs­di­rektors.

Beklagte bringt Rente aus DDR-Tätigkeit bei Berechnung der Versor­gungs­bezüge in Abzug

Der Kläger erhält für seine Tätigkeit in der DDR eine gesetzliche Rente von rund 800 Euro. Diesen Betrag brachte die Beklagte bei der Berechnung seiner Versorgungsbezüge in Abzug. Nach der Berechnung der Versor­gungs­behörde lag der Höchstwert für die addierten Renten- und Versor­gungs­bezüge im Fall des Klägers bei 2.250 Euro. Der gegen diesen Abzug gerichteten Klage gab das Verwal­tungs­gericht teilweise statt.

Tätigkeiten mit besonderer persönlicher Nähe zum System der DDR nicht ruhege­haltsfähig

Kläger und Beklagte legten hiergegen die vom Verwal­tungs­gericht zugelassene Sprungrevision ein. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht gab der Revision der Beklagten statt und wies die Klage insgesamt ab. Gemäß § 12 a Beamten­ver­sor­gungs­gesetz und § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Bundes­be­sol­dungs­gesetz sind Zeiten für eine Tätigkeit nicht ruhegehaltfähig, die aufgrund einer besonderen persönlichen Nähe zum System der DDR übertragen war. Dies wird u.a. bei einem Absolventen der Akademie für Staat und Recht oder einer vergleichbaren Bildungs­ein­richtung der DDR widerlegbar vermutet. Bei der Partei­hoch­schule "Karl Marx", die unmittelbar dem Zentralkomitee der SED unterstand, handelt es sich um eine solche Einrichtung. Sie stellte die höchste Bildungs­ein­richtung der SED dar und diente der "Kaderauslese". Es sollten "zuverlässige, disziplinierte und marxistisch geschulte Funktionäre" aufgebaut werden. Dem Kläger ist es nicht gelungen, die gesetzliche Vermutung zu widerlegen. Allein sein Vorbringen, er sei aufgrund seiner fachlichen Qualifikation ausgewählt worden, genügt nicht.

Nach dem Gesetz werden auch Zeiten vor dem Besuch der Partei­hoch­schule von dem Ausschluss erfasst. Da die Berechnung der ruhege­halt­fähigen Dienstzeit bereits mit dem vollendeten siebzehnten Lebensjahr beginnt, reicht auch der Ausschluss so weit zurück.

Gesetzliche Regelung auch im Hinblick auf Verpflichtung zur amtsan­ge­messenen Alimentation nicht zu beanstanden

Diese Regelung ist auch verfas­sungsgemäß. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat dem Gesetzgeber zur Bewältigung der Folgen der Deutschen Einheit, namentlich zur hier in Rede stehenden Vorschrift des § 30 BBesG, eine besonders weite Typisie­rungs­be­fugnis eingeräumt. In diesem Rahmen durfte er auch typisierend annehmen, dass sich die für die Übertragung einer Tätigkeit mit besonderer Systemnähe erforderliche politisch-ideologische Grund­ein­stellung bereits in Zeiten vor dieser Übertragung herausgebildet hat. Auch vor dem Hintergrund der Verpflichtung zur amtsan­ge­messenen Alimentation ist die gesetzliche Regelung nicht zu beanstanden, weil jedem Ruhestands­beamten nach dem Gesetz zumindest die Mindest­ver­sorgung verbleibt. Im konkreten Fall liegen die Gesamtbezüge des Klägers sogar etwas höher.

Erläuterungen

Beamtenversorgungsgesetz

§ 12 a Nicht zu berück­sich­tigende Zeiten

Zeiten nach § 30 des Bundes­be­sol­dungs­ge­setzes sind nicht ruhegehaltfähig.

Bundesbesoldungsgesetz

§ 30 Nicht zu berück­sich­tigende Dienstzeiten

(1) § 28 Absatz 1 bis 3 gilt nicht für Zeiten einer Tätigkeit für das Ministerium für Staats­si­cherheit oder das Amt für Nationale Sicherheit. Dies gilt auch für Zeiten, die vor einer solchen Tätigkeit zurückgelegt worden sind. Satz 1 gilt auch für Zeiten einer Tätigkeit als Angehöriger der Grenztruppen der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik.

(2) Absatz 1 Satz 1 und 2 gilt auch für Zeiten einer Tätigkeit, die auf Grund einer besonderen persönlichen Nähe zum System der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik übertragen war. Das Vorliegen dieser Voraussetzung wird insbesondere widerlegbar vermutet, wenn der Beamte oder Soldat

1. vor oder bei Übertragung der Tätigkeit eine hauptamtliche oder hervorgehobene ehrenamtliche Funktion in der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, dem Freien Deutschen Gewerk­schaftsbund, der Freien Deutschen Jugend oder einer vergleichbaren syste­mun­ter­stüt­zenden Partei oder Organisation innehatte

oder

2. als mittlere oder obere Führungskraft in zentralen Staatsorganen, als obere Führungskraft beim Rat eines Bezirkes, als Vorsitzender des Rates eines Kreises oder einer kreisfreien Stadt oder in einer vergleichbaren Funktion tätig war

oder

3. hauptamtlich Lehrender an den Bildungs­ein­rich­tungen der staatstragenden Parteien oder einer Massenoder gesell­schaft­lichen Organisation war

oder

4. Absolvent der Akademie für Staat und Recht oder einer vergleichbaren Bildungs­ein­richtung war.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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