18.10.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss15.09.2006

Keine Dynamisierung von DDR-SonderrentenOstdeutsche Rentner scheitern mit einer Klage auf höhere Altersbezüge

Das staatliche Alters­si­che­rungs­system der DDR kannte neben der Sozia­l­pflicht­ver­si­cherung so genannte Zusatz- und Sonder­ver­sor­gungs­systeme. Diese standen nur bestimmten Personengruppen offen und ergänzten die Leistungen der Sozia­l­pflicht­ver­si­cherung auf einem Leistungsniveau von bis zu 90 v.H. des letzten Einkommens.

Im Zuge der deutschen Wieder­ver­ei­nigung wurden die Zusatz- und Sonder­ver­sor­gungs­systeme unter Überführung der darin erworbenen Ansprüche und Anwartschaften in die allgemeine Renten­ver­si­cherung geschlossen. Für die Angehörigen der Zusatz- und Sonder­ver­sor­gungs­systeme, die am 3. Oktober 1990 eine Rente bezogen oder bis zum 30. Juni 1995 eine Rente beziehen werden, sah der Einigungs­vertrag vor, dass der Betrag, der für Juli 1990 als Rente geleistet wurde oder hätte erbracht werden müssen, bei der Neuberechnung der Renten im Zuge der Renten­über­leitung nicht unterschritten werden darf (besitz­ge­schützter Zahlbetrag). Insgesamt wurden am 1. Januar 1992 über vier Millionen im Rentenrecht der DDR begründete Bestandsrenten überführt. Davon beruhten etwa 240.000 auf Ansprüchen aus Zusatz­ver­sor­gungs­systemen. Für mehrere Zehntausend Personen dieser Gruppe wurde eine Rente in Höhe des besitz­ge­schützten Zahlbetrags gezahlt, da die nach allgemeinen renten­recht­lichen Grundsätzen berechneten Renten dessen Höhe nicht erreichten.

Der besitz­ge­schützte Zahlbetrag wurde nach der ursprünglichen Verwal­tung­s­praxis der Renten­ver­si­che­rungs­träger im Laufe der Zeit anders als die auf der Grundlage des 1992 in Kraft getretenen allgemeinen Renten­ver­si­che­rungs­rechts berechneten Renten (Sechstes Buch Sozial­ge­setzbuch) nicht fortwährend an die Lohn- und Einkom­men­s­ent­wicklung angepasst, sondern blieb in seiner Höhe unverändert. In seinem Urteil vom 28. April 1999 stellte das Bundes­ver­fas­sungs­gericht fest, dass diese Verwal­tung­s­praxis verfas­sungs­widrig ist. Die Vorschrift des Einigungs­vertrags sei verfas­sungs­konform dahingehend auszulegen, dass ab 1992 eine regelmäßige Anpassung des besitz­ge­schützten Zahlbetrags erfolgen müsse. Unter Berück­sich­tigung dieses Urteils verpflichtete das Bundes­so­zi­al­gericht in dem vorliegend angegriffenen Urteil den Renten­ver­si­che­rungs­träger, den besitz­ge­schützten Zahlbetrag gemäß den Veränderungen des aktuellen Rentenwerts regelmäßig anzupassen. Dem schloss sich der Gesetzgeber bei einer späteren Neuregelung von § 307 b Sechstes Sozial­ge­setzbuch an. Demgegenüber sind die Beschwer­de­führer der Auffassung, der besitz­ge­schützte Zahlbetrag sei nach dem speziellen aktuellen Rentenwert Ost anzupassen. Dieser erfuhr ab 1992 erheblich größere Steigerungen, da er die Lohn- und Einkom­men­s­ent­wicklung speziell in den neuen Bundesländern abbildet.

Die Verfas­sungs­be­schwerde war nicht erfolgreich. Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts stellte fest, dass es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, den Einigungs­vertrag dahingehend auszulegen, dass der besitz­ge­schützte Zahlbetrag ab 1. Januar 1992 nach dem aktuellen Rentenwert und nicht nach dem aktuellen Rentenwert Ost anzupassen ist. Insbesondere verletzt dies die Beschwer­de­führer nicht in ihrem Eigen­tums­grundrecht.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Die Zahlbe­trags­ga­rantie des Einigungs­ver­trages begründet nach der verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstandenden Rechtsprechung des Bundes­so­zi­al­ge­richts einen sozia­l­recht­lichen Anspruch eigener Art und ist vom Gesetzgeber als rechtliche Begünstigung auf Zeit konzipiert. Würde man den Anspruch anhand des aktuellen Rentenwertes Ost anpassen, wäre das verfas­sungs­rechtlich legitime Ziel des Gesetzgebers nicht mehr zu erreichen, die Ansprüche und Anwartschaften aus den Zusatz- und Sonder­ver­sor­gungs­systemen der DDR in ein einheitliches gesamtdeutsches Renten­ver­si­che­rungs­system zu integrieren. Es widerspricht auch dem Zweck der Zahlbe­trags­ga­rantie. Diese hatte nur die Aufgabe, als besondere Schutzmaßnahme bei der Integration der in den Zusatz- und Sonder­ver­sor­gungs­systemen erworbenen Ansprüche und Anwartschaften in das gesamtdeutsche System der Renten­ver­si­cherung sicherzustellen, dass es im laufenden Leistungsbezug nicht zu einer unver­hält­nis­mäßigen Verschlech­terung der Rechtsposition des Betroffenen kommt. Die Absicht des Gesetzgebers, die in den Zusatz- und Sonder­ver­sor­gungs­systemen erworbenen Ansprüche in die allgemeine einheitliche Renten­ver­si­cherung zu integrieren und durch einen allein auf die Regelungen des Sozial­ge­setzbuchs gestützten Anspruch zu ersetzen, hat sich in der weit überwiegenden Zahl der Fälle auch verwirklicht.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 89/2006 des BVerfG vom 05.10.2006

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