15.11.2024
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Dokument-Nr. 17777

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Urteil27.02.2014BundesverwaltungsgerichtBVerwG 2 C 19.12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2014, 2810Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2014, Seite: 2810
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Vorinstanzen:
  • Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil16.07.2014, 1 K 714/08
  • Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil18.09.2012, 5 A 1941/10
ergänzende Informationen

Bundesverwaltungsgericht Urteil27.02.2014

Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten auch für Geistliche und Kirchenbeamte eröffnetSelbst­bestimmungs­recht der Religions­gesellschaften sperrt nicht bereits Zugang zu staatlichen Gerichten

Geistliche und Kirchenbeamte können sich gegen dienst­rechtliche Maßnahmen ihrer Religions­gesellschaft mit der Rüge, die Maßnahme verstoße gegen elementare Grundsätze der staatlichen Rechtsordnung, grundsätzlich an die staatlichen Verwal­tungs­ge­richte wenden. Die Prüfung an Hand des kirchlichen Rechts dagegen ist Sache der inner­kirch­lichen Gerichte. Dies entschied das Bundes­verwaltungs­gericht. Die Klage eines früheren evangelischen Pastors auf Weiter­be­schäf­tigung bzw. höhere Abfindung wies das Bundes­verwaltungs­gericht allerdings ab.

Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens, ein evangelischer Theologe, wendet sich gegen die Beendigung seines kirchen­recht­lichen Dienst­ver­hält­nisses auf Zeit als Pastor im Sonderdienst. Dieses (inzwischen wieder abgeschaffte) Sonder­dienst­ver­hältnis war von der beklagten Evangelischen Kirche im Rheinland im Jahr 1985 als eine Art Arbeits­be­schaf­fungs­maßnahme für ausgebildete Theologen eingerichtet worden; eine Berufung in diesen Sonderdienst war von vornherein auf höchstens zwei Mal fünf Jahre befristet. Auf dieser Grundlage war der Kläger von 1994 bis 2004 als Pastor in der Kranken­haus­seelsorge tätig. Nach dem Ende des Dienst­ver­hält­nisses wurde er von der Beklagten für diese Zeit in der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung nachversichert und erhielt eine Abfindung. Sein Rechts­schutz­be­gehren auf Weiter­be­schäf­tigung als Kirchenbeamter sowie auf Gewährung einer höheren Abfindung blieb vor der Verwal­tungs­kammer der Beklagten (dem von dieser eingerichteten kirchlichen Gericht) ohne Erfolg.

OVG: Kirche verstößt gegen Fürsorgepflicht

Daraufhin wandte sich der Kläger an die staatlichen Gerichte. Das Oberver­wal­tungs­gericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Es hat die Beklagte verpflichtet, über die Anträge des Klägers neu zu entscheiden. Zur Begründung hat es angeführt, die Beklagte habe gegen ihre aus der grund­ge­setz­lichen Berufsfreiheit fließende Fürsorgepflicht verstoßen, weil sie den Kläger für den Fall seines Ausscheidens aus dem Kirchendienst nach zehnjähriger Tätigkeit, ohne dass er eine Pfarrstelle finde, nicht angemessen abgesichert habe.

Rechtsweg zu Verwal­tungs­ge­richten bei Streitigkeiten im Bereich des inner­kirch­lichen Dienstrechts nicht von vornherein ausgeschlossen

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat das Berufungsurteil aufgehoben und das Begehren des Klägers in der Sache abgewiesen. Es hat allerdings betont, dass der Rechtsweg zu den Verwal­tungs­ge­richten nicht von vornherein deswegen ausgeschlossen ist, weil es im Streitfall um Maßnahmen im Bereich des inner­kirch­lichen Dienstrechts geht, der den Religi­o­ns­ge­sell­schaften von Verfassungs wegen (Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 3 Satz 1 und 2 WRV) zur Selbst­ver­waltung zugewiesen ist. Der Justi­z­ge­wäh­rungs­an­spruch des Grundgesetzes gilt auch hier. Das Selbst­be­stim­mungsrecht der Religi­o­ns­ge­sell­schaften sperrt nicht bereits den Zugang zu den staatlichen Gerichten; ihm ist vielmehr bei Umfang und Intensität der gerichtlichen Kontrolle Rechnung zu tragen. Das öffentlich-rechtliche Dienstrecht der korporierten Religi­o­ns­ge­sell­schaften gehört zum Kern der ihnen eingeräumten Selbst­ver­wal­tungs­ga­rantie. Bei Maßnahmen, die die Berufung von Geistlichen oder Kirchenbeamten betreffen, ist der Zugang zu den staatlichen Gerichten nur mit der Rüge eröffnet, dass die kirchliche Maßnahme gegen elementare Grundsätze des staatlichen Rechts verstoße, wie sie das Bundes­ver­fas­sungs­gericht auch zur Voraussetzung für die Verleihung des Körper­schafts­status (Art. 137 Abs. 5 WRV) macht.

Kirche hat Menschenwürde des Klägers durch Ausbleiben einer weiteren Berufung in ein Kirchen­be­am­ten­ver­hältnis nicht verletzt

Im Fall des Klägers ist nicht ersichtlich, dass die beklagte Kirche bei ihrer Entscheidung, den Kläger nicht erneut in ein Kirchen­be­am­ten­ver­hältnis zu berufen, diese Grundprinzipien des staatlichen Rechts, wie etwa die Menschenwürde, verletzt hätte. Unbegründet ist auch das Begehren des Klägers auf Gewährung einer höheren Abfindung aus Anlass der Beendigung des Dienst­ver­hält­nisses, etwa in Höhe der Regelung für Wahlbeamte. Der beklagten Kirche obliegt in Bezug auf die soziale Sicherung von Kirchenbeamten, die aus ihrem Dienst ausscheiden, eine aus dem Sozial­staats­prinzip abgeleitete Fürsorgepflicht. Danach müssen die Leistungen der Kirche einem sozialen Mindeststandard genügen. Diesen Anforderungen ist die Beklagte jedenfalls deshalb gerecht geworden, weil sie die Maßnahmen ergriffen hat, die ihr beim Ausscheiden eines Beamten aus dem Dienst im staatlichen Bereich oblegen hätten (Nachver­si­cherung in der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung und Zahlung eines Übergangsgeldes.)

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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