15.11.2024
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Sie sehen die Außenfassade einer Niederlassung des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit dem Bundesadler und passendem Schriftzug der Behörde.

Dokument-Nr. 17210

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Urteil19.11.2013BundesverwaltungsgerichtBVerwG 10 C 27.12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NVwZ 2014, 664Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ), Jahrgang: 2014, Seite: 664
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Vorinstanzen:
  • Verwaltungsgericht Münster, Urteil17.02.2011, 2 K 2485/10.A
  • Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil19.02.2012, 11 A 619/11.A
ergänzende Informationen

Bundesverwaltungsgericht Urteil19.11.2013

Rücknahme einer Flüchtlings­anerkennung bei grober Täuschung zulässigUrteils­miss­brauch macht Rücknahme auch bei einer auf rechtskräftigem Verpflichtung­surteil beruhenden Flüchtlings­anerkennung möglich

Auch eine auf einer rechtskräftigen Gerichts­entscheidung beruhende Flüchtlings­anerkennung kann vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - zurückgenommen werden, wenn das Gericht über zentrale Elemente des Flüchtlings­schicksals getäuscht worden ist. Dies entschied das Bundes­verwaltungs­gericht.

Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Kläger, eine Mutter und ihre beiden Söhne, stellten 1998 unter falschen Namen Asylanträge. Dabei behaupteten sie wahrheitswidrig, sie seien syrisch-orthodoxe Christen aus der Türkei und dort verfolgt worden. Das Bundesamt lehnte die Asylanträge ab, wurde aber durch rechtskräftiges Urteil des Verwal­tungs­ge­richts verpflichtet, die Kläger als Flüchtlinge anzuerkennen. Zehn Jahre später stellte sich heraus, dass die Kläger armenische Staats­an­ge­hörige sind, nie in der Türkei gelebt haben und auch in Armenien nicht verfolgt worden sind. Daraufhin hob das Bundesamt die Flücht­lings­a­n­er­ken­nungen auf.

OVG hält Rücknahme wegen des rechtskräftigen Verpflich­tungs­urteils für unmöglich

Das Verwal­tungs­gericht bestätigte diese Entscheidung. Das Oberver­wal­tungs­gericht hat den Klagen hingegen stattgegeben. Eine Rücknahme der Flücht­lings­a­n­er­ken­nungen sei nicht möglich, da sie auf einem rechtskräftigen Verpflich­tungs­urteil beruhten. Ein solches Urteil könne allein in einem - nur unter engen Voraussetzungen möglichen - förmlichen Wieder­auf­nah­me­ver­fahren beseitigt werden.

Durchbrechung der Rechtskraft eines Urteils bei sachlicher Unrichtigkeit des Urteils ausnahmsweise möglich

Auf die Revision der Beklagten hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht das Berufungsurteil geändert und die erstin­sta­nzliche Entscheidung wieder­her­ge­stellt. Die Flücht­lings­a­n­er­ken­nungen durften nach § 73 Abs. 2 des Asylver­fah­rens­ge­setzes zurückgenommen werden, weil sie auf Grund unrichtiger Angaben ausgesprochen worden waren; dieser Beendi­gung­s­tat­bestand ist auch im Flücht­lingsrecht der Europäischen Union vorgesehen. Die Rechtskraft des zur Flüchtlingsanerkennung führenden Gerichtsurteils steht hier nicht entgegen, weil ein Fall des Urteils­miss­brauchs vorliegt. Der Gedanke der unzulässigen Rechtsausübung, der im Gesetz u.a. in § 826 BGB Ausdruck gefunden hat, ist als Verbot des Urteils­miss­brauchs auch im Verwal­tungs­pro­zessrecht anerkannt. Die Durchbrechung der Rechtskraft eines Urteils ist danach ausnahmsweise möglich, wenn das Urteil sachlich unrichtig ist, der Betroffene die Unrichtigkeit kennt und besondere Umstände die Ausnutzung des Urteils als sittenwidrig erscheinen lassen. Solche Umstände sind im Flücht­lingsrecht jedenfalls dann gegeben, wenn das Gericht über den Kern des Verfol­gungs­schicksals gezielt getäuscht wurde, insbesondere über die Identität und die Staats­an­ge­hö­rigkeit der Asylbewerber sowie die Akteure, von denen Verfolgung droht.

BVerwG bestätigt Zulässigkeit der Rücknahme aufgrund der Täuschung

Eine solche Täuschung über zentrale, die Anerkennung tragende Punkte hat der Senat im vorliegenden Fall auf der Grundlage der tatrich­ter­lichen Feststellungen bejaht und die Rücknahme der Flücht­lings­a­n­er­ken­nungen bestätigt.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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