21.11.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil28.04.2015

Keine Niederlassungs­erlaubnis für türkische Staats­an­ge­hörige bei fehlender Teilnahme am Integra­ti­o­nskursRechtsstellung als Familien­an­ge­hörige eines türkischen Arbeitnehmers bietet Anspruch auf Aufent­halt­s­er­laubnis und unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt

Das Bundes­verwaltungs­gericht hat entschieden, dass die Ehefrau eines türkischen Arbeitnehmers, die ein unbefristetes Aufent­haltsrecht nach dem Assozia­ti­o­nsrecht EWG-Türkei erworben hat (Art. 7 ARB 1/80), keinen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungs­erlaubnis hat, wenn sie nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt und auch nicht an einem Integra­ti­o­nskurs teilgenommen hat, in dem ihr Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschafts­ordnung sowie der Lebens­ver­hältnisse in Deutschland vermittelt wurden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die 1984 geborene Klägerin türkischer Staats­an­ge­hö­rigkeit reiste 2005 im Rahmen des Famili­en­nachzugs zu ihrem türkischen Ehemann in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie erhielt im gleichen Jahr erstmals eine Aufenthaltserlaubnis und wurde zugleich zur Teilnahme an einem Integrationskurs verpflichtet. Wegen ihrer Schwangerschaft brach die Klägerin den Integra­ti­o­nskurs vorzeitig ab. Auch nach der Geburt ihres Kindes besuchte sie den Integra­ti­o­nskurs nicht und begründete dies zunächst damit, dass sie ihr Kind betreuen müsse und eine schlechte Verkehr­s­an­bindung bestehe. Später teilte sie mit, dass sie auch aufgrund einer erneuten Schwangerschaft und hieraus resultierender Beschwerden nicht an dem Kurs teilnehmen könne. Im Februar 2010 erhielt die Klägerin eine weitere Aufent­halt­s­er­laubnis, die bis zum Februar 2012 befristet war und den Zusatz enthielt "Erwer­b­s­tä­tigkeit gestattet".

Auslän­der­behörde lehnt Antrag auf Erteilung einer Nieder­las­sungs­er­laubnis mangels Teilnahme am Integra­ti­o­nskurs ab

Mit Bescheid vom 12. November 2012 lehnte die Auslän­der­behörde des Beklagten den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ab, da die Klägerin nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache und Grundkenntnisse der Rechts- und Gesell­schafts­ordnung verfüge. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwal­tungs­gericht abgewiesen. Der Verwal­tungs­ge­richtshof hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Von der Klägerin geltend gemachten Hinde­rungs­gründe begründen keinen Härtefall

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat die Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richtshofs bestätigt und die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Nieder­las­sungs­er­laubnis nach dem Aufent­halts­gesetz (§ 9 Abs. 2 und § 28 Abs. 2 AufenthG), da sie die hierfür erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache und die Grundkenntnisse der Rechts- und Gesell­schafts­ordnung nicht nachgewiesen hat. Es kann auch nicht ausnahmsweise von der Teilnahme an einem Integra­ti­o­nskurs abgesehen werden, da die von der Klägerin geltend gemachten Hinde­rungs­gründe keinen Härtefall begründen.

Schärfere Voraussetzungen für unbefristeten Aufent­halt­stitel haben keine Auswirkungen auf Arbeits­ma­rkt­zugang

Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf das assozia­ti­o­ns­rechtliche Verschlech­te­rungs­verbot (Art. 13 ARB 1/80) berufen, das neue Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt verbietet. Denn die Klägerin hat auch ohne die begehrte Nieder­las­sungs­er­laubnis bereits wegen ihrer Rechtsstellung als Familien­an­ge­hörige eines türkischen Arbeitnehmers ein assozia­ti­o­ns­recht­liches Dauer­auf­ent­haltsrecht aus Art. 7 Satz 1 zweiter Spiegelstrich ARB 1/80. Danach hat sie Anspruch auf eine Aufent­halt­s­er­laubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG, die ihr dauerhaft auch einen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt vermittelt. Die Still­hal­te­klausel des Art. 13 ARB 1/80 greift nur bei neuen Beschränkungen des Zugangs zum Arbeitsmarkt. Die mittlerweile schärferen Voraussetzungen für einen unbefristeten Aufent­halt­stitel (Nieder­las­sungs­er­laubnis) haben hier aber keine Auswirkungen auf den Arbeits­ma­rkt­zugang der Klägerin.

Art. 13 ARB 1/80

Die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei dürfen für Arbeitnehmer und ihre Familien­an­ge­hörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigungen in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen.

§ 9 AufenthG

Niederlassungserlaubnis

(1) [...]

(2) Einem Ausländer ist die Nieder­las­sungs­er­laubnis zu erteilen, wenn

[...]

7. er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,

8. er über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesell­schafts­ordnung und der Lebens­ver­hältnisse im Bundesgebiet verfügt und [...]

§ 28

Familiennachzug zu Deutschen

Erläuterungen

(1) [...]

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Nieder­las­sungs­er­laubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufent­halt­s­er­laubnis ist, die familiäre Lebens­ge­mein­schaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fort bestehe, kein Auswei­sungsgrund vorliegt und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Spreche verfügt.

[...]

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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