21.11.2024
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Dokument-Nr. 8653

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Bundesverwaltungsgericht Urteil22.10.2009

Bundes­ver­wal­tungs­gericht zu Voraussetzungen für Rücknahmen gerichtlich bestätigter AusweisungenBetroffener muss Rechtsanspruch auf Wieder­auf­greifen des Verfahrens vorweisen

Ein Ausländer kann gegenüber der Verwaltung die Rücknahme einer Ausweisung verlangen, sofern der Betroffene einen Rechtsanspruch auf ein Wieder­auf­greifen des Verfahrens hat oder die Behörde das Verfahren im Ermessenswege wieder aufgreift. Dies hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht entschieden.

Die Entscheidungen betreffen einen italienischen und einen türkischen Staats­an­ge­hörigen. Beide Kläger sind in Deutschland geboren und aufgewachsen. Sie wurden 1997 bzw. 2002 ausgewiesen, nachdem sie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäu­bungs­mitteln zu Freiheits­s­trafen verurteilt worden waren. Die gegen die Ausweisungen erhobenen Klagen wurden vom Verwal­tungs­gericht rechtskräftig abgewiesen. Nachdem das Bundes­ver­wal­tungs­gericht in Umsetzung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) im August 2004 die Anforderungen an die Ausweisung freizü­gig­keits­be­rech­tigter EU-Bürger und assozia­ti­o­ns­be­rech­tigter türkischer Staats­an­ge­höriger verschärft hatte, beantragten die Kläger die Rücknahme der gegen sie verfügten Ausweisungen (vgl. Bundes­ver­wal­tungs­gericht, Urteil v. 03.08.2004 - BVerwG 1 C 29.02 - und Bundes­ver­wal­tungs­gericht, Urteil v. 03.08.2004 - BVerwG 1 C 30.02 -). Diese seien bei Zugrundelegung der neuen Maßstäbe rechtswidrig. Die Anträge wurden von der Auslän­der­behörde abgelehnt. Die hiergegen erhobenen Klagen hatten vor dem Verwal­tungs­gericht und dem Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg keinen Erfolg. Die Wirkungen der Ausweisungen wurden inzwischen in beiden Fällen befristet, so dass für die Kläger das mit der Ausweisung verbundene Einreise- und Aufenthaltsverbot nicht mehr besteht.

Handeln der Auslän­der­behörde war ermes­sens­feh­lerfrei

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht ist in beiden Verfahren den Entscheidungen der Vorinstanzen gefolgt. Bei der Rücknahme einer gerichtlich bestätigten Ausweisung ist § 121 VwGO zu beachten. Diese Vorschrift löst den Konflikt zwischen Rechts­si­cherheit und Rechtsfrieden einerseits und materieller Gerechtigkeit andererseits dahin, dass ein rechtskräftiges Urteil ungeachtet der materiellen Rechtslage für die Beteiligten bindend ist. Diese Bindung kann nur auf gesetzlicher Grundlage überwunden werden. So wenn der Betroffene einen Rechtsanspruch auf ein Wieder­auf­greifen des Verfahrens hat oder die Behörde das Verfahren im Ermessenswege wieder aufgreift. Die Klärung einer gemein­schafts­recht­lichen Frage durch den EuGH und eine Änderung der höchst­rich­ter­lichen Rechtsprechung stellen von Rechts wegen keinen zwingenden Wieder­auf­nah­megrund nach dem hier maßgeblichen Verwal­tungs­ver­fah­rens­gesetz dar. Die Behörde war auch nicht verpflichtet, die Verfahren nach Ermessen wieder aufzugreifen. Zwar kann sich dieses Ermessen zu Gunsten des Betroffenen im Ausnahmefall zu einem Anspruch verdichten. Dies beispielsweise, wenn die Aufrecht­er­haltung der Ausweisung wegen offen­sicht­licher Fehler­haf­tigkeit schlechthin unerträglich oder wenn die Überprüfung des Verwal­tungsaktes aus Gründen des europäischen Gemein­schafts­rechts geboten ist. Beides lag hier nicht vor. Die Auslän­der­behörde hatte es in beiden Verfahren ermes­sens­feh­lerfrei abgelehnt, das Verfahren wieder aufzugreifen, so dass die Revisionen erfolglos blieben.

Quelle: ra-online, BVerwG

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