18.12.2024
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Dokument-Nr. 1588

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Bundesverwaltungsgericht Urteil03.08.2004

Strengere Anforderungen an die Ausweisung von EU-Bürgern

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht in Leipzig hat entschieden, dass freizü­gig­keits­be­rechtigte Bürger aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union nur dann aus Deutschland ausgewiesen werden dürfen, wenn die Auslän­der­behörde eine individuelle Ermes­sen­s­ent­scheidung getroffen hat. Zwingende Ausweisungen und Regel­aus­wei­sungen, wie sie § 47 des Auslän­der­ge­setzes bei schweren Straftaten vorsieht, dürfen gegen EU-Bürger nicht mehr verfügt werden. Außerdem müssen die Auslän­der­be­hörden und die Gerichte künftig neue Tatsachen, die nach der Auswei­sungs­ver­fügung entstanden sind, berücksichtigen.

Der für das Ausländerrecht zuständige 1. Revisionssenat zog damit die Konsequenzen aus einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg (EuGH) vom 29. April 2004 (Rechtssachen Orfanopoulos und Oliveri).

In den Verfahren vor dem Bundes­ver­wal­tungs­gericht ging es um die Ausweisung eines 33-jährigen portugiesischen Staats­an­ge­hörigen, der bereits im Alter von 5 Jahren nach Deutschland gekommen war. Er wurde im Oktober 1998 aus Deutschland ausgewiesen, weil er u.a. wegen Handeltreibens mit Betäu­bungs­mitteln zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden war. Sein Widerspruch und seine Klage blieben erfolglos. Der Verwal­tungs­ge­richtshof Kassel hat hingegen die Auswei­sungs­ver­fügung aufgehoben.

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat die Sache jetzt zur erneuten Verhandlung an den Verwal­tungs­ge­richtshof zurückverwiesen. Der Verwal­tungs­ge­richtshof und die Auslän­der­behörde erhalten damit Gelegenheit, sich auf die geänderte Rechtsprechung einzustellen. Bei der erneuten Verhandlung muss der Verwal­tungs­ge­richtshof auch die Persön­lich­keits­ent­wicklung des Klägers seit der Wider­spruch­s­ent­scheidung in den Blick nehmen. Er muss eine aktuelle Gefah­ren­prognose anstellen und beurteilen, ob vom Kläger auch jetzt noch Wieder­ho­lung­staten zu erwarten sind. Dabei muss der Verwal­tungs­ge­richtshof neben der zwischen­zeit­lichen Verbüßung der Freiheitsstrafe zu zwei Dritteln und dem Erlass der Reststrafe nach Ablauf der Bewährungszeit auch berücksichtigen, dass der Kläger 1999 geheiratet hat und Vater eines Kindes ist. Stellt das Gericht fest, dass vom Kläger auch derzeit die Gefahr schwer wiegender Rechtsverstöße ausgeht, die zur Ausweisung berechtigt, muss es der Auslän­der­behörde Gelegenheit zu aktuellen Ermes­sen­s­er­wä­gungen geben. Das gilt, wie das Bundes­ver­wal­tungs­gericht ausgeführt hat, auch in allen anderen bei den Verwal­tungs­ge­richten anhängigen Auswei­sungs­ver­fahren von EU-Bürgern, wenn die Ausweisung nach der überholten Rechtsprechung ohne Ermes­sens­ausübung verfügt worden ist oder wenn sich während des gerichtlichen Verfahrens die Sachlage wesentlich geändert hat.

Ferner hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht darauf hingewiesen, dass die Ausweisung von EU-Bürgern nach der ab 1. Januar 2005 geltenden neuen Rechtslage nach dem Zuwan­de­rungs­gesetz generell zu befristen ist. Der angefochtene Bescheid aus dem Jahr 1998 enthielt eine solche Befristung noch nicht.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 47/04 des BVerwG vom 03.08.2004

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