21.11.2024
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Bundesverwaltungsgericht Beschluss26.01.2017

EuGH soll Visumer­for­dernis beim Ehegat­ten­nachzug zu türkischen Staats­an­ge­hörigen mit EU-Recht klärenBVerwG erbittet Vorab­ent­scheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union

Das Bundes­verwaltungs­gericht hat in einem Verfahren, in dem es um die Erteilung einer Aufenthalts­erlaubnis zum Ehegat­ten­nachzug zu einem im Bundesgebiet lebenden türkischen Arbeitnehmer geht, den Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung von Fragen zur Reichweite des "Verschlech­terungs­verbots" (Still­hal­te­klausel) im Assozia­ti­o­nsrecht EU/Türkei angerufen.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens ist türkische Staats­an­ge­hörige. Ihr Ehemann, ebenfalls türkischer Staats­an­ge­höriger, lebt und arbeitet seit vielen Jahren in Deutschland. Mit einem Schengen-Visum reiste sie 2013 über die Niederlande nach Deutschland und beantragte im Mai 2013 die Erteilung einer Aufent­halt­s­er­laubnis zum Ehegattennachzug. Sie leide an einer chronischen Anämie, schlecht eingestelltem Diabetes mellitus (Typ 2) und sei außerdem Analphabetin, weshalb sie auf die Hilfe ihres Ehemannes angewiesen sei. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil die Klägerin nicht gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Aufent­halts­gesetz (AufenthG) nachgewiesen habe, dass sie sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen könne, und weil sie ohne das erforderliche nationale Visum nach Deutschland eingereist sei.

VG gibt Klage statt

Das Verwal­tungs­gericht Stuttgart gab der hiergegen gerichteten Klage statt, da es der Auffassung war, dass der Klägerin beide Versa­gungs­gründe wegen der assozia­ti­o­ns­recht­lichen Still­hal­te­klauseln des Art. 13 ARB 1/80 bzw. Art. 7 ARB 2/76 nicht entge­gen­ge­halten werden könnten.

BVerwG erbittet Vorab­ent­scheidung zum Visumer­for­dernis beim Ehegat­ten­nachzug

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht sah Klärungsbedarf, ob das nach nationalem Recht bestehende Visumer­for­dernis beim Ehegat­ten­nachzug zu einem türkischen Arbeitnehmer mit der assozia­ti­o­ns­recht­lichen Stillhalteklausel des Art. 7 ARB 2/76 vereinbar ist. Er hat hierzu dem Gerichtshof der Europäischen im Wege des Vorab­ent­schei­dungs­ver­fahrens mehrere Fragen vorgelegt, u.a. auch zur Fortgeltung dieser Still­hal­te­klausel für Rechts­ver­än­de­rungen, die - wie hier die Einführung der Visumpflicht für nachziehende Ehepartner - kurz vor Inkrafttreten der Still­hal­te­klausel des Art. 13 ARB 1/80 in Kraft getreten sind.

Kein Klärungsbedarf im Hinblick auf Sprach­er­for­dernis

Hinsichtlich der Vereinbarkeit des Sprach­er­for­der­nisses mit Unionsrecht sieht das Bundes­ver­wal­tungs­gericht wegen der während des Klageverfahrens in Kraft getretenen Härteklausel des § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 AufenthG keinen Klärungsbedarf mehr. Nach dieser vom Verwal­tungs­gericht nicht berück­sich­tigten Regelung ist vom Sprach­er­for­dernis abzusehen, wenn es dem Ehegatten aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht möglich oder nicht zumutbar ist, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache zu unternehmen. Dies wird nach der Beantwortung der Vorlagefragen vom Tatsa­chen­gericht zu klären sein.

Die Vorlagefragen sind als Anlage beigefügt. Bis zur Entscheidung des Gerichtshofs hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht das Revisi­ons­ver­fahren ausgesetzt.

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorab­ent­scheidung vorgelegt:

1. Ist die Still­hal­te­klausel des Art. 7 ARB 2/76 durch die Still­hal­te­klausel des Art. 13 ARB 1/80 vollständig ersetzt worden oder ist die Rechtmäßigkeit neuer Beschränkungen der Arbeit­neh­mer­frei­zü­gigkeit, die zwischen dem Inkrafttreten des Beschlusses 2/76 und der Anwendbarkeit des Art. 13 ARB 1/80 eingeführt worden sind, weiterhin nach Art. 7 ARB 2/76 zu beurteilen?

2. Falls Frage 1 dahin zu beantworten ist, dass Art. 7 ARB 2/76 nicht vollständig abgelöst worden ist: Ist die zu Art. 13 ARB 1/80 ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in vollem Umfange auch auf die Anwendung des Art. 7 ARB 2/76 mit der Folge zu übertragen, dass Art. 7 ARB 2/76 dem Grunde nach auch eine mit Wirkung vom 5. Oktober 1980 eingeführte nationale Regelung erfasst, mit der der Ehegat­ten­nachzug zu einem türkischen Arbeitnehmer von der Erteilung eines nationalen Visums abhängig gemacht wird?

3. Ist die Einführung einer solchen nationalen Regelung durch einen zwingenden Grund des Allge­mein­in­teresses, insbesondere durch das Ziel einer effektiven Einwan­de­rungs­kon­trolle und der Steuerung der Migra­ti­o­nsströme gerechtfertigt, wenn besonderen Umständen des Einzelfalls durch eine Härte­fa­ll­klausel Rechnung getragen wird?

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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