13.12.2024
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Dokument-Nr. 33938

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Bundesverwaltungsgericht Urteil24.04.2024

Qualifizierter Grund­recht­s­eingriff als Voraussetzung des Fortsetzungs­feststellungs­interesses in den Fällen sich typischerweise kurzfristig erledigender MaßnahmenAufent­halts­verbot für Fußballfan kein gewichtiger Grund­recht­s­eingriff

Das als Sachurteils­voraussetzung der Fortsetzungs­feststellungs­klage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechts­wid­rigkeit eines erledigten Verwaltungsakts ist in den Fallgruppen der Wieder­ho­lungs­gefahr, des Rehabilitations­interesses sowie der Absicht zum Führen eines Schadens­ersat­zprozesses anerkannt. Darüber hinaus kommt in den Fällen der sich typischerweise kurzfristig erledigenden Maßnahmen, in denen eine Überprüfung im gerichtlichen Haupt­sa­che­ver­fahren nur im Rahmen einer Fortsetzungs­feststellungs­klage möglich ist, ein fortbestehendes Rechts­schutz­interesse lediglich bei tiefgreifenden Grund­rechts­eingriffen in Betracht. Dies hat das Bundes­verwaltungs­gericht entschieden.

Der auswärts wohnende Kläger begehrte die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines befristeten Betretungs- und Aufent­halts­verbots für die Dortmunder Innenstadt. Dieses war ihm gegenüber durch Bescheid des Polizei­prä­sidiums Dortmund für die Zeit von 10.00 Uhr bis 20.00 Uhr am 27. April 2019 anlässlich der an diesem Tag angesetzten Begegnung der ersten Fußba­ll­bun­desliga zwischen Borussia Dortmund und Schalke 04 ("Revierderby") angeordnet worden. Zur Begründung hatte das Polizei­prä­sidium u. a. ausgeführt, der Kläger sei als "Capo" der gewaltbereiten Fanszene zuzurechnen. Aufgrund seines im Zusammenhang mit Fußba­ll­groß­ver­an­stal­tungen bisher gezeigten Verhaltens müsse damit gerechnet werden, dass er im Umfeld der genannten Begegnung Straftaten begehen werde. Das Verwal­tungs­gericht Gelsenkirchen hatte die Klage als unzulässig abgewiesen. Das Oberver­wal­tungs­gericht Münster hatte die Berufung des Klägers mit der Begründung zurückgewiesen, der Kläger habe kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechts­wid­rigkeit des bereits vor Klageerhebung erledigten Verwaltungsakts.

Qualifizierter Grund­recht­s­eingriff als Voraussetzung

Das BVerwG hat die Revision des Klägers zurückgewiesen und die Rechts­auf­fassung der Vorinstanzen bestätigt. Das berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechts­wid­rigkeit eines erledigten Verwaltungsakts, das § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO für die Forts­et­zungs­fest­stel­lungsklage fordert, war hier weder unter dem Gesichtspunkt des Rehabi­li­ta­ti­o­ns­in­teresses noch der Absicht zum Führen eines Schaden­s­er­satz­pro­zesses gegeben. Aufgrund einer Änderung der persönlichen Verhältnisse des Klägers und der im Hinblick hierauf abgegebenen Erklärung der Behörde bestand auch keine Wieder­ho­lungs­gefahr. Zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) kann das berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechts­wid­rigkeit zwar auch dann zu bejahen sein, wenn die Klage einen Verwaltungsakt betrifft, der sich - wie das befristete Betretungs- und Aufenthaltsverbot im vorliegenden Fall - typischerweise so kurzfristig erledigt, dass er ohne die Annahme eines Forts­et­zungs­fest­stel­lungs­in­teresses regelmäßig keiner Überprüfung im gerichtlichen Haupt­sa­che­ver­fahren zugeführt werden könnte. Bei der typischerweise kurzfristigen Erledigung der angegriffenen Maßnahme handelt es sich jedoch nicht um eine hinreichende, sondern nur um eine notwendige Voraussetzung für die Annahme eines Forts­et­zungs­fest­stel­lungs­in­teresses im Sinne dieser weiteren Fallgruppe. Darüber hinaus ist erforderlich, dass der Verwaltungsakt zu einem qualifizierten Grundrechtseingriff geführt hat. Denn Art. 19 Abs. 4 GG verlangt nach der Rechtsprechung des BVerwG nicht, dass die Gerichte generell auch dann noch in Anspruch genommen werden können, um Auskunft über die Rechtslage zu erhalten, wenn damit aktuell nichts mehr bewirkt werden kann. Dies dient auch der Entlastung der Gerichte, die damit Rechtsschutz insgesamt für alle Rechts­schutz­su­chenden schneller und effektiver gewähren können.

Zehn Stunden Aufent­halts­verbot nicht gravierend

Die Voraussetzung eines qualifizierten Grund­recht­s­ein­griffs war bei Anlegung des erforderlichen objektiven Maßstabs hier nicht erfüllt. Das räumlich auf Teile des Gebiets der Stadt Dortmund und zeitlich auf eine Dauer von zehn Stunden beschränkte Aufenthalts- und Betretungsverbot berührte weder den Schutzbereich des Grundrechts auf Freizügigkeit (Art. 11 GG) noch den der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG). Der Eingriff in die allgemeine Handlungs­freiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) hatte mangels einer gesteigerten, dem Schutzgut der übrigen Grundrechte vergleichbaren Relevanz für die Persön­lich­keits­ent­faltung des Klägers kein solches Gewicht.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)

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