21.11.2024
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Sie sehen, wie während einer Hochzeit die Ringe angesteckt werden.

Dokument-Nr. 30465

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Bundesverwaltungsgericht Beschluss16.06.2021

Verwal­tungs­gericht nicht für Anträge gegen Corona-Schutzmaßnahmen an Schulen nach § 1666 Abs.1 und 4 BGB zuständigVerweisung eines solchen Verfahrens an ein Verwal­tungs­gericht ist ausnahmsweise wegen eines groben Verfah­rens­ver­stoßes nicht bindend

Für die Entscheidung über eine an ein Amtsgericht gerichtete Anregung, die auf gerichtliche Anordnungen gegen eine Schule gemäß § 1666 Abs. 1 und 4 BGB wegen Corona - Schutzmaßnahmen zielt, sind die Amtsgerichte/Famili­en­ge­richte zuständig. Die Verweisung eines solchen Verfahrens an ein Verwal­tungs­gericht ist ausnahmsweise wegen eines groben Verfah­rens­ver­stoßes nicht bindend. Das hat das Bundes­verwaltungs­gericht entschieden.

Die Eltern minderjähriger Schüler hatten beim Amtsgericht Tecklenburg die Einleitung eines Verfahrens gem. § 1666 Abs. 1 und 4 BGB zur Beendigung der von ihnen befürchteten nachhaltigen Gefährdung des Kindeswohls angeregt, die sich u.a. aufgrund schulinterner Anordnungen zum Tragen eines Mund- und Nasenschutzes sowie zur Einhaltung von Minde­stab­s­tänden zu anderen Personen ergebe. Das Amtsgericht hat mit Beschlüssen vom 23. April 2021 den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Münster verwiesen. Das Verwal­tungs­gericht Münster wiederum hat mit Beschluss vom 26. Mai 2021 den Verwal­tungs­rechtsweg für unzulässig erklärt und das Bundes­ver­wal­tungs­gericht zur Bestimmung der Zuständigkeit angerufen.

Eltern wollten nur famili­en­ge­richt­liches Tätigwerden

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat entschieden, dass das Amtsgericht Tecklenburg trotz der Verwei­sungs­be­schlüsse vom 23. April 2021 zuständig geblieben ist. Zwar ist eine Verweisung für das Gericht, an das das Verfahren verwiesen worden ist, grundsätzlich bindend. Das gilt jedoch nicht, wenn die Entscheidung bei verständiger Würdigung nicht mehr nachvollziehbar erscheint und offensichtlich unhaltbar ist. Ein derartig qualifizierter Verfah­rens­verstoß des Amtsgerichts liegt hier vor. Denn die Eltern hatten sich in ihrem Schreiben an das Amtsgericht ausdrücklich darauf beschränkt, ein famili­en­ge­richt­liches Tätigwerden gegen die Schule auf der Grundlage des § 1666 Abs. 1 und 4 BGB anzustoßen.

Entweder Verzicht auf Verfah­ren­s­er­öffnung oder Einstellung des Verfahrens

Unter­las­sungs­ansprüche gegen die Schule, über die die Verwaltungsgerichte zu entscheiden hätten, haben sie nicht geltend gemacht. Über Maßnahmen gemäß § 1666 BGB entscheidet das Amtsgericht/Familiengericht jedoch selbständig von Amts wegen. Es hätte keine Verweisung aussprechen, sondern - da famili­en­ge­richtliche Anordnungen gegenüber Behörden rechtlich ausgeschlossen sind - entweder auf die Eröffnung eines Verfahrens verzichten oder ein bereits eröffnetes Verfahren einstellen müssen.

Trotzdem ausgesprochene Verweisung stellt Bruch mit Prozess­grund­sätzen der Verwal­tungs­ge­richts­ordnung dar

Die trotzdem ausgesprochene Verweisung führt zu Brüchen mit den Prozess­grund­sätzen der Verwal­tungs­ge­richts­ordnung. Diese kennt keine von Amts wegen einzuleitenden Verfahren, sondern überlässt es dem Kläger bzw. Antragsteller, ob und mit welcher Zielrichtung er ein Verfahren einleiten will. Erwiese sich die Verweisung für das Verwal­tungs­gericht als bindend, fänden sich die Kinder, für die lediglich bestimmte Maßnahmen angeregt wurden, nunmehr in der Rolle von Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens wieder. Das entspräche weder ihrem Willen noch ihrer vormaligen Stellung vor dem Amtsgericht. Deshalb erweist sich die Verweisung mit den Prinzipien der Verwal­tungs­ge­richts­ordnung als schlechterdings unvereinbar und löst für das Verwal­tungs­gericht keine Bindungswirkung aus.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)

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