18.10.2024
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Dokument-Nr. 31035

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Urteil09.11.2021Bundesverwaltungsgericht4 C 1.20
Vorinstanzen:
  • Verwaltungsgericht Berlin, Urteil17.05.2018, 13 K 724.1
  • Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil22.10.2019, 10 B 9.18
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Bundesverwaltungsgericht Urteil09.11.2021

Bundes­verwaltungs­gericht setzt Berliner Vorkaufsrecht GrenzenKein Vorkaufsrecht für Stadt Berlin nach Milieu­schutz­satzung

Das Vorkaufsrecht für ein Grundstück, das im Geltungsbereich einer Erhal­tungs­satzung bzw. -verordnung liegt, darf von der Gemeinde nicht auf der Grundlage der Annahme ausgeübt werden, dass der Käufer in Zukunft erhal­tungs­widrige Nutzungs­ab­sichten verfolgen werde. Das hat das Bundes­verwaltungs­gericht entschieden.

Die Klägerin, eine Immobi­li­en­ge­sell­schaft, wendet sich gegen die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts. Sie erwarb ein im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gelegenes Grundstück, das mit einem Mehrfa­mi­li­enhaus aus dem Jahre 1889 bebaut ist, in dem sich 20 Mietwohnungen und zwei Gewer­be­ein­heiten befinden. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich einer Verordnung, die dem Schutz der Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen dient (sog. Milieu­schutz­satzung). Das Bezirksamt übte das Vorkaufsrecht zugunsten einer landeseigenen Wohnungs­bau­ge­sell­schaft aus, um der Gefahr zu begegnen, dass ein Teil der Wohnbevölkerung aus dem Gebiet verdrängt wird, wenn im Anschluss an die Veräußerung die Wohnungen aufgewertet und die Mieten erhöht oder die Mietwohnungen in Eigen­tums­woh­nungen umgewandelt würden.

OVG: Wohl der Allgemeinheit rechtfertigt Vorkaufsrecht

Die hiergegen gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Oberver­wal­tungs­gericht hat ausgeführt, dass das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtfertige. Die sozialen Erhaltungsziele würden gefördert. Werde das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt, seien nach Lage der Dinge die vom Bezirksamt aufgezeigten erhal­tungs­widrigen Entwicklungen zu befürchten. Ein gesetzlicher Ausschlussgrund für die Ausübung des Vorkaufsrechts liege nicht vor; die zu erwartenden Nutzungen des Erwerbers seien ebenfalls zu berücksichtigen. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht ist dem nicht gefolgt; es hat das Berufungsurteil aufgehoben und der Klage stattgegeben.

BVerwG: Voraussetzungen für Vorkaufsrecht liegen nicht vor

Der Beklagte durfte sein Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 Nr. 4 BauGB für das im Geltungsbereich einer Erhal­tungs­ver­ordnung gelegene Grundstück nicht ausüben. Nach § 26 Nr. 4 Alt. 2 BauGB ist die Ausübung des Vorkaufsrechts ausgeschlossen, wenn das Grundstück entsprechend den Zielen oder Zwecken der städtebaulichen Maßnahmen bebaut ist und genutzt wird und eine auf ihm errichtete bauliche Anlage keine Missstände oder Mängel im Sinne des § 177 Abs. 2 und 3 Satz 1 aufweist. Diese Voraussetzungen liegen nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und für den Senat daher bindenden Tatsa­chen­fest­stel­lungen des Oberver­wal­tungs­ge­richts vor.

Mögliche zukünftige erhal­tungs­widrige Nutzungs­ab­sichten unrelevant

Nach Auffassung des BVerwG ist § 26 Nr. 4 BauGB nach seinem Wortlaut eindeutig auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Behör­den­ent­scheidung über das Vorkaufsrecht bezogen. Eine Auslegung in dem Sinne, dass die Vorschrift auf Vorkaufsrechte für Grundstücke im Geltungsbereich einer Erhal­tungs­satzung keine Anwendung findet, kommt nicht in Betracht. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber bei der Neuregelung des BauGB die alte Rechtslage nach dem BBauG insoweit unverändert übernehmen wollte und ihm dies bei der Geset­zes­for­mu­lierung lediglich "misslungen" ist. Die vom Oberver­wal­tungs­gericht angestellte Prüfung, ob zukünftig von erhal­tungs­widrigen Nutzungs­ab­sichten auszugehen ist, scheidet daher aus.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)

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