21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 32775

Drucken
ergänzende Informationen

Bundesverwaltungsgericht Urteil28.03.2023

Fürsorge­pflicht­verletzung erfordert bei geltend gemachtem "Mobbing" Gesamtschau von EinzelmaßnahmenVorliegen von Mobbing in Gesamtschau zu prüfen

Ein Beamter kann Anspruch auf Schadensersatz gegen seinen Dienstherrn haben, wenn dieser seine Fürsorgepflicht dadurch verletzt, dass er ein systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren - insbesondere durch Vorgesetzte - zulässt. Ob dies der Fall ist, kann nur aufgrund einer Gesamtschau der in Rede stehenden Geschehnisse beurteilt werden. Das hat das Bundes­verwaltungs­gericht entschieden.

Die Klägerin stand bis zu ihrer Versetzung im Jahr 2017 als Stadt­ver­wal­tungs­o­berrätin (Besol­dungs­gruppe A 14 LBesO) im Dienst der beklagten Gemeinde; sie war seit 2007 mit der Leitung des Fachbereichs "Bürgerdienste, Recht und Ordnung" betraut. Nach seiner Wiederwahl vom Mai 2014 verfügte der Oberbür­ger­meister der Beklagten im Juli 2014 eine Neuorganisation des Verwal­tungs­aufbaus, die eine Reduzierung der Fachbereiche von vier auf drei zur Folge hatte. Die Klägerin wurde auf die neu gebildete "Stabsstelle Recht" umgesetzt. Die dortige Verwendung entsprach nach einem später ergangenen und rechtskräftig gewordenen Urteil des Verwal­tungs­ge­richts nicht dem Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung. Im Rahmen der Umsetzung wurde ihr ein Dienstzimmer im Dachgeschoss eines Seitentrakts des Rathauses zugewiesen.

Mobbingvorwürfe gegen Oberbür­ger­meister

Aufgrund arbeits­schutz­recht­licher Bedenken gegen die ins Dachgeschoss führende "steile Treppe" wies die Beklagte den betroffenen Bediensteten im Juni 2015 andere Dienstzimmer zu. Im Dezember 2015 stellte der Personalrat der Beklagten eine Presse­mit­teilung auf der Homepage ein, in der der Klägerin u.a. vorgeworfen wurde, sie habe sich "über Monate bei voller Besoldung als Chefjuristin der Verwaltung in 'Krankheit'" geflüchtet. Die Klägerin sieht in diesen und weiteren Verhal­tens­weisen ein gezieltes Mobbing des Oberbür­ger­meisters, der ihr gegenüber auch offenbart habe, im Rahmen seines Wahlkampfes im Frühjahr 2014 das Vertrauen in ihre Person verloren zu haben.

BVerwG: Oberver­wal­tungs­gericht muss Gesamtschau der Einzelmaßnahmen durchführen

Ihre auf Schadensersatz gerichtete Klage war vor dem Verwal­tungs­gericht erfolgreich, wurde in der Berufungs­instanz indes abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht die Sache an das Oberver­wal­tungs­gericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das Berufungsurteil verstößt gegen Bundesrecht, weil es von einem fehlerhaften rechtlichen Maßstab ausgeht. Die Besonderheit der als "Mobbing" bezeichneten Rechts­ver­letzung liegt gerade darin, dass die Zusammenschau mehrerer Einzelakte zur Annahme einer Fürsorgepflichtverletzung führen kann, auch wenn die jeweiligen Einzelmaßnahmen für sich betrachtet nicht zu beanstanden oder jedenfalls nicht von ausreichender Intensität sind. Diesen Maßstab hat das Oberver­wal­tungs­gericht nicht hinreichend beachtet und eine Gesamtschau der betrachteten Maßnahmen unterlassen.

Beweiserhebung und Gutachten zur Beurteilung notwendig

Darüber hinaus hat das Berufungs­gericht den Beweisantrag zur Aufklärung der Frage, ob dem Oberbür­ger­meister der Inhalt der Presse­mit­teilung des Personalrats vorab bekannt war, fehlerhaft abgelehnt. Zudem beruht die Ablehnung des Beweisantrags, über die gesund­heit­lichen Auswirkungen der amtsun­an­ge­messenen Beschäftigung der Klägerin ein Sachver­stän­di­gen­gut­achten einzuholen, auf einem fehlerhaften Kausa­li­täts­maßstab.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil32775

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI