21.11.2024
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Dokument-Nr. 32943

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Bundesverwaltungsgericht Urteil25.05.2023

Keine Ausweisung eines noch nie in das Bundesgebiet eingereisten visum­pf­lichtigen AusländersAuswei­sungs­be­scheid auf Grundlage des Aufent­halts­ge­setzes gesetzeswidrig

Ein visum­pf­lichtiger Drittstaats­angehöriger, der sich noch nie in Deutschland aufgehalten hat, kann auf der Grundlage der §§ 53 ff. AufenthG nicht ausgewiesen werden. Dies hat das Bundes­verwaltungs­gericht entschieden.

Der Kläger, ein irakischer Staats­an­ge­höriger, ist noch nie in das Bundesgebiet eingereist. Im Februar 2018 beantragte er bei der deutschen Botschaft in Ankara ein Visum zum Zwecke des Famili­en­nachzuges zu seiner in Deutschland lebenden deutschen Ehefrau. Im Rahmen der Identi­täts­prüfung wurde festgestellt, dass gegen ihn eine Interpol-Ausschreibung wegen des Verdachts der Beteiligung an terroristischen Straftaten im Zusammenhang mit dem Bau einer Sprengfalle im Irak vorlag. Der Visumantrag wurde abgelehnt; das dagegen eingeleitete Klageverfahren ruht. Im März 2019 wies die Beklagte den Kläger auf der Grundlage der §§ 53 ff. AufenthG aus dem Bundesgebiet aus und verhängte ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen ihn.

VHG: Konkrete Einreiseabsicht für Ausweisung ausreichend

Das Verwal­tungs­gericht hat diesen Bescheid aufgehoben. Auf die Berufung der Beklagten und der Landes­an­walt­schaft Bayern hat der Verwal­tungs­ge­richtshof das erstin­sta­nzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Obwohl sich der Kläger noch nie im Bundesgebiet aufgehalten habe, könne die Ausweisung auf die §§ 53 ff. AufenthG gestützt werden, weil er seine Einreise konkret beabsichtige und betreibe. Wegen der Verwirklichung besonders schwerwiegender Auswei­sungs­in­teressen im Ausland sei es geboten, den Kläger durch die Ausweisung und das Einreise- und Aufent­halts­verbot vom Bundesgebiet fernzuhalten. Das wegen der Verwirklichung einer schweren staats­ge­fähr­denden Straftat (§ 89 a StGB) bestehende Auswei­sungs­in­teresse überwiege das ebenfalls schwerwiegende Bleibeinteresse des Klägers wegen der ehelichen Lebens­ge­mein­schaft. Auch das zuletzt auf 13 Jahre befristete Einreise- und Aufent­halts­verbot erweise sich als rechtmäßig.

BVerwG: Ausweisung setzt vorangehenden Aufenthalt in Deutschland voraus

Auf die Revision des Klägers hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht die erstin­sta­nzliche Entscheidung wieder­her­ge­stellt. Der angefochtene Bescheid entbehrt einer gesetzlichen Grundlage. Nach § 53 Abs. 1 AufenthG sind im Rahmen der Entscheidung über eine Ausweisung die Interessen an der Ausreise des Ausländers mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet abzuwägen. Daraus wird deutlich, dass eine Ausweisung an einen Aufenthalt des Ausländers im Inland anknüpft. Dieses Ergebnis wird von geset­zes­sys­te­ma­tischen Erwägungen gestützt. So beginnt die Frist für das mit einer Ausweisung zu verbindende Einreise- und Aufent­halts­verbot mit der Ausreise des Ausländers (§ 11 Abs. 2 Satz 4 AufenthG); die Regelung setzt damit einen der Ausweisung vorangehenden Aufenthalt in Deutschland voraus.

Abwägung zwischen Ausreise- und Bleibeinteresse

Entsprechendes folgt aus der Gesetz­ge­bungs­ge­schichte sowie dem daraus abzuleitenden Sinn und Zweck der §§ 53 ff. AufenthG, die vor allem auf die Abwehr von Gefahren für die in § 53 Abs. 1 AufenthG genannten Rechtsgüter, aber auch auf die Berück­sich­tigung der Bleibe­in­teressen des Ausländers gerichtet sind. Besteht hingegen bei einem noch nie eingereisten visum­pf­lichtigen Ausländer ein Auswei­sungs­in­teresse, ist dem nach der Konzeption des Aufent­halts­ge­setzes in erster Linie im Rahmen der Entscheidung über die Erteilung eines Visums Rechnung zu tragen (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 AufenthG). Ob es in solchen Fällen darüber hinaus einer Möglichkeit bedarf, den Ausländer auszuweisen oder ein Einreise- und Aufent­halts­verbot zu erlassen, bleibt der Entscheidung des Gesetzgebers vorbehalten.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)

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