18.10.2024
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Sie sehen drei Hände erschiedener Hautfarbe vor einer Weltkarte.

Dokument-Nr. 29230

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Bundesverwaltungsgericht Urteil23.09.2020

BVerwG: Klärung der Identität im Einbür­ge­rungsrecht in Ausnahmefällen auch ohne amtliche Ausweispapiere möglichIm Ausnahmefall können auch glaubhafte Angaben des Einbürgerungs­bewerbers genügen

Die Klärung der Identität eines Einbürgerungs­bewerbers i.S.d. § 10 Abs. 1 des Staats­angehörigkeits­gesetzes kann in Fällen, in denen feststeht, dass amtliche Ausweispapiere nicht vorgelegt oder zumutbar vom Einbürgerungs­bewerber beschafft werden können, auch auf andere Art, insbesondere durch Vorlage nichtamtlicher Dokumente, erfolgen. Dies hat das Bundes­verwaltungs­gericht in Leipzig heute entschieden.

Die Klägerin ist nach ihren Angaben chinesische Staats­an­ge­hörige tibetischer Volks­zu­ge­hö­rigkeit. Sie habe als Kleinkind Aufnahme in ein tibetisches Nonnenkloster gefunden und sei dort ordiniert worden. Ihr Name sei ihr Ordinationsname; ihren Geburtsnamen kenne sie nicht. Sie wisse nicht, wer ihre Eltern seien und ob sie weitere Familien­an­ge­hörige habe. Ihr Geburtsdatum sei von den Nonnen geschätzt worden. Ein staatliches Identi­täts­do­kument habe sie nie besessen. Ob sie in China offiziell registriert sei, wisse sie nicht. Nach Zuerkennung der Flücht­lings­ei­gen­schaft erteilte ihr die Auslän­der­behörde zuletzt eine Nieder­las­sungs­er­laubnis.

Einbürgerung scheitert wegen nicht nachgewiesener Identität

Im September 2016 beantragte sie ihre Einbürgerung in den deutschen Staatsverband unter Hinnahme ihrer Mehrstaatigkeit. Zum Nachweis ihrer Identität reichte sie eine Bescheinigung des Klosters, eine Geburts­be­stä­tigung des Büros des Repräsentanten Seiner Heiligkeit des Dalai Lama und eine Bestätigung des Vereins der Tibeter in Deutschland e.V. ein. Antrag und Widerspruch blieben erfolglos. Das Verwal­tungs­gericht hat ihre Klage abgewiesen. Eine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband scheide aus, da ihre Identität nicht geklärt sei. Lägen ein gültiger und anerkannter ausländischer Pass oder ausländischer Passersatz nicht vor, so könne die Identität nur durch andere geeignete amtliche Dokumente nachgewiesen werden.

BVerwG: Klärung der Identität im Stufenmodell zu prüfen

Das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts hat den Rechtsstreit an das Verwal­tungs­gericht zurückverwiesen. Das Einbür­ge­rungs­er­for­dernis geklärter Identität dient gewichtigen Sicher­heits­be­langen und der Prüfung der weiteren Einbür­ge­rungs­vor­aus­set­zungen. Zugleich muss einem bis zur Grenze der Unzumutbarkeit umfassend mitwirkenden Einbür­ge­rungs­be­werber aber die ihm abverlangte und obliegende Klärung seiner Identität auch objektiv möglich sein. Diese Belange sind durch ein Stufenmodell zum Ausgleich zu bringen. Zuvörderst und im Regelfall ist für den Nachweis der Identität des Einbür­ge­rungs­be­werbers die Vorlage eines Passes oder eines anerkannten Passer­satz­pa­pieres erforderlich.

Klärung der Identität durch andere geeignete amtliche Urkunden möglich

In Ausnahmefällen objektiv bestehender Beweisnot ist in dem durch diese gebotenen Umfang durch eine abgestufte Erweiterung der zur Identi­täts­klärung zuzulassenden Nachweismittel Rechnung zu tragen. Diese müssen ein in sich schlüssiges und glaubhaftes Vorbringen des Einbür­ge­rungs­be­werbers zu seiner Person und dem Unvermögen zur Beibringung aussa­ge­kräf­tigerer Dokumente stützen. Kann mithin ein Pass oder ein Passer­satz­papier nicht vorgelegt oder zumutbar beschafft werden, sind für den Nachweis andere geeignete amtliche Urkunden zuzulassen, bei deren Ausstellung die Richtigkeit der Verbindung von Person und Name überprüft worden ist.

In besonderen Ausnahmefällen sind auch schlüssige und glaubhafte Angaben des Einbür­ge­rungs­be­werbers ausreichend

Sind auch solche Dokumente für den Einbür­ge­rungs­be­werber zumutbar nicht zu erreichen oder reichen sie zur Identi­täts­klärung für sich allein nicht aus, kann - allein oder ergänzend - hierfür auch auf andere aussagekräftige Beweismittel, insbesondere auf die Vorlage sonstiger amtlicher und nichtamtlicher Urkunden oder auf Zeugenaussagen Dritter zurückgegriffen werden. Ist auch dies dem Einbür­ge­rungs­be­werber objektiv nicht möglich und sind alle Möglichkeiten einer Ermittlung von Amts wegen ausgeschöpft, können in besonderen Ausnahmefällen zur Klärung der Identität auf einer letzten Stufe auch im Rahmen einer Gesamtwürdigung eines schlüssigen und glaubhaften Vorbringens allein die Angaben des Einbür­ge­rungs­be­werbers zu seiner Person Grundlage einer behördlichen oder gerichtlichen Überzeu­gungs­bildung sein.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)

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