21.11.2024
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Dokument-Nr. 29233

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Bundesverwaltungsgericht Urteil23.09.2020

BVerwG: Aufent­haltsrecht eines drittstaats­angehörigen Elternteils nur bei eigenem Freizü­gig­keitsrecht des KindesEin aus Art. 21 AEUV abgeleitetes Aufent­haltsrecht muss Erteilung eines nationalen Aufent­halt­s­titels nicht entgegensteht

Dem drittstaats­angehörigen Elternteil eines Kindes, das die Staats­an­ge­hö­rigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaats besitzt, kann ein vom Kind abgeleitetes unions­recht­liches Aufent­haltsrecht aus Art. 21 AEUV (Freizü­gig­keitsrecht) nur zustehen, wenn das Kind ein eigenes - und nicht nur vom anderen (Unionsbürger-)Elternteil abgeleitetes - Freizü­gig­keitsrecht im Aufnahme­mitglied­staat hat. Das hat das Bundes­verwaltungs­gericht in Leipzig entschieden.

Im hier vorliegenden Fall ist der Kläger, ein kosovarischer Staats­an­ge­höriger und Vater eines im Juli 2017 geborenen Kindes, das über seine Mutter, mit der der Kläger zusammenlebt, die ungarische Staats­an­ge­hö­rigkeit besitzt. Das Sorgerecht für das Kind wird von den Eltern gemeinsam ausgeübt. Nach der Geburt des Kindes hat der Kläger erfolglos die Ausstellung einer Aufent­haltskarte als Familien­an­ge­höriger eines freizü­gig­keits­be­rech­tigten Unions­bür­ger­kindes (entsprechend § 5 Abs. 1 FreizügG/EU) beantragt.

VG: Erteilung eines nationalen Aufent­halt­s­titels durch humanitäre Aufent­halt­s­er­laubnis möglich

Die vor dem Verwal­tungs­gericht erfolgreiche Klage hat der Verwal­tungs­ge­richtshof (VGH) abgewiesen. Ein abgeleitetes Aufent­haltsrecht zugunsten des dritt­staats­an­ge­hörigen Familien­an­ge­hörigen eines Unionsbürgers bestehe grundsätzlich nur, wenn es erforderlich sei, damit der Unionsbürger (hier das Kind) sein Recht auf Freizügigkeit wirksam ausüben könne. Hierzu gehöre zwar auch ein familiäres Zusammenleben im Aufnah­me­mit­gliedstaat. Ein aus Art. 21 AEUV abgeleitetes Aufent­haltsrecht sei aber nicht geboten, wenn das Familienleben auch durch Erteilung eines nationalen Aufent­halt­s­titels, hier einer humanitären Aufent­halt­s­er­laubnis (§ 25 Abs. 5 AufenthG), erreicht werden könne. Eine solche habe der Kläger zwar nie beantragt, deren Erteilung habe die Auslän­der­behörde aber zugesagt. Nachdem der Kläger inzwischen die Kindesmutter geheiratet hat und ihm daraufhin eine Aufent­haltskarte ausgestellt worden ist, begehrt er nur noch die gerichtliche Feststellung, dass ihm ein von seinem Kind abgeleitetes Aufent­haltsrecht zugestanden habe.

BVerwG weist Verfahren zur erneuten Entscheidung an den VGH zurück

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat das Verfahren zur erneuten Entscheidung an den VGH zurückverwiesen. Art. 21 AEUV schützt das Recht der Unionsbürger auf Freizügigkeit und vermittelt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) Familien­an­ge­hörigen eines freizü­gig­keits­be­rech­tigten Unionsbürgers auch in bestimmten Fallkon­stel­la­tionen, die nicht unmittelbar von der Richtlinie 2004/38/EG (sog. Unions­bür­ger­richtlinie) erfasst werden, ein abgeleitetes Aufent­haltsrecht.

Aufent­haltsrecht kann nur vom eigenem Freizü­gig­keitsrecht des Kindes abgeleitet werden

Beruft sich ein Dritt­staats­an­ge­höriger auf ein aus der Freizü­gig­keits­ga­rantie für Unionsbürger nach Art. 21 AEUV abgeleitetes Aufent­haltsrecht zur Führung eines normalen Familienlebens in einem anderen EU-Mitgliedstaat als dem, dessen Staats­an­ge­hö­rigkeit der Unionsbürger besitzt, muss die Referenzperson, von der er das Recht ableitet (hier das Kind) im Aufnah­me­mit­gliedstaat aus eigenem Recht freizü­gig­keits­be­rechtigt sein; ein lediglich vom anderen Elternteil (hier der Mutter) abgeleitetes Freizügigkeitsrecht des Kindes reicht hierfür nicht. Ein eigenes Aufent­haltsrecht des Kindes besteht nur, wenn u.a. ausreichende Existenzmittel zur Verfügung stehen (Art. 7 Abs. 1 Buchst. b Unions­bür­ger­richtlinie).

VGH muss vorliegen tatsächlicher Voraussetzung prüfen

Außerdem muss der dritt­staats­an­ge­hörige Elternteil nach der Rechtsprechung des EuGH in dieser Fallkon­stel­lation für ein aus Art. 21 AEUV abgeleitetes Aufent­haltsrecht auch tatsächlich für das Kind sorgen. Die hierzu erforderlichen Feststellungen sind vom VGH im zurück­ver­wiesenen Verfahren zu treffen. Ein unmittelbar aus Art. 21 AEUV abgeleitetes Aufent­haltsrecht des dritt­staats­an­ge­hörigen Familien­an­ge­hörigen ist ein unions­recht­liches Freizü­gig­keitsrecht, dem die Möglichkeit der Erteilung eines nationalen Aufent­halt­s­titels nicht entgegensteht.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)

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