21.11.2024
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Dokument-Nr. 31549

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Bundesverwaltungsgericht Urteil15.03.2022

Bundes­innen­ministerium durfte Berliner Aufnahme zusätzlicher "Moria-Flüchtlinge" versagen

Das Bundes­mi­nis­terium des Innern und für Heimat (BMI) hat das nach § 23 Abs. 1 Satz 3 AufenthG zur Wahrung der Bundes­einheitlichkeit erforderliche Einvernehmen zu einer humanitären Anordnung des Landes Berlin vom Juni 2020 über die Aufnahme von 300 besonders schutz­be­dürftigen Personen aus dem (ehemaligen) Flücht­lingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos rechtmäßig versagt. Dies hat das Bundes­verwaltungs­gericht entschieden.

Die Aufnah­me­a­n­ordnung des Klägers vom Juni 2020 zielte auf eine zusätzliche Linderung der humanitären Notlage für Schutzsuchende in dem überfüllten (später durch einen Brand zerstörten) griechischen Aufnahmelager. Das BMI lehnte die Erteilung des Einvernehmens im Juli 2020 ab, weil schon die Voraussetzungen für eine Landes­auf­nah­me­a­n­ordnung nicht erfüllt seien und zudem die Bundes­ein­heit­lichkeit nicht gewahrt werde. § 23 Abs. 1 AufenthG bilde keine Rechtsgrundlage für Kontin­gent­auf­nahmen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Diese Regelung setze die Feststellung des humanitären Schutzbedarfs vor der Einreise voraus. Hielten sich Geflüchtete bereits in einem anderen Mitgliedstaat auf, komme dem unions­recht­lichen Aufnah­me­in­strument der Dublin III-VO gegenüber nationalen Aufnahmen einzelner deutscher Länder der Vorrang zu. Die beabsichtigte humanitäre Aufnahme durch ein Land sei auch nicht kohärent mit den vom Bund selbst getroffenen Maßnahmen. Dieser habe im Rahmen eines europäisch abgestimmten Vorgehens u.a. für eine bestimmte Anzahl kranker Kinder und ihrer Familien die Zuständigkeit für die Durchführung der Asylverfahren übernommen, ohne diesen sofort eine Aufent­halt­s­er­laubnis zu erteilen. Im Bereich der Außen- und Europapolitik komme dem Bund, der sich für ein auf europäischer Ebene koordiniertes Vorgehen entschieden habe, die alleinige Zuständigkeit zu.

BVerwG: Versagung des Einvernehmens zu der Anordnung echtmäßig

Das bei verwal­tungs­recht­lichen Bund-Länder-Streitigkeiten in erster und letzter Instanz zuständige Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat die Klage des Landes Berlin abgewiesen. Die Versagung des Einvernehmens zu der Anordnung war rechtmäßig. Das Aufent­halts­gesetz eröffnet der obersten Landesbehörde mit der Befugnis zur gruppen­be­zogenen Aufnahme von Aus-ländern aus humanitären Gründen ein weites politisches Ermessen. Eine Aufnah­me­a­n­ordnung bedarf nach der mit dem Grundgesetz vereinbaren Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 3 AufenthG indes zu ihrer Wirksamkeit des Einvernehmens des BMI. Die Entscheidung über das Einvernehmen dient der Wahrung der Bundes­ein­heit­lichkeit und ist an diesem Zweck auszurichten.

Einvernehmen dient Wahrung der Bundes­ein­heit­lichkeit

Die Entscheidung über das Einvernehmen dient der Wahrung der Bundes­ein­heit­lichkeit und ist an diesem Zweck auszurichten. Bundes­ein­heit­lichkeit bezieht sich auf eine im Grundsatz einheitliche Behandlung der fraglichen Personengruppe im Bundesgebiet und zielt unter anderem auf die Verhinderung negativer Auswirkungen auf die anderen Länder oder den Bund. Dies berechtigt das BMI im Grundsatz auch, ein koordiniertes Vorgehen aller oder mehrerer durch das Gemeinsame Europäische Asylsystem zusam­men­ge­schlossenen Mitgliedstaaten durch eine kohärente und einheitliche Vertretung der Bundesrepublik Deutschland zu befördern. Hat der Bund in eigener Zuständigkeit Ausländer aus der fraglichen Gruppe aus denselben humanitären Gründen aufgenommen, darf er einem Landes­auf­nah­me­programm zudem bei fehlender Kohärenz mit den eigenen, auf dieselbe Personengruppe bezogenen Maßnahmen das Einvernehmen verweigern. Bei der Bewertung der Erheblichkeit von Unein­heit­lich­keiten im Einzelfall hat das BMI einen Beurtei­lungs­spielraum.

Unter­schiedliche Rechtsstellung von Moria-Flüchtlingen

Nach diesen Grundsätzen war eine Rechts­wid­rigkeit der Versagung des Einvernehmens hier nicht festzustellen, selbst wenn die unions­recht­lichen Vorschriften über Asylverfahren einschließlich der Zustän­dig­keits­regeln für deren Durchführung einer humanitären Landesaufnahme nicht von vornherein entgegenstanden. Das BMI hat rechts­feh­lerfrei auch darauf abgestellt, dass die Aufnah­me­a­n­ordnung Berlins zu einer - grundlegend - unter­schied­lichen Rechtsstellung von Personen aus demselben griechischen Flücht­lingslager im Bundesgebiet geführt hätte. Denn die vom Bund aufgenommenen Personen haben lediglich eine Aufent­halts­ge­stattung zur Durchführung eines ergebnisoffenen Asylverfahrens erhalten. Die vom Kläger beabsichtigte humanitäre Aufnahme hätte hingegen zur sofortigen Erteilung von längerfristigen, zunächst auf drei Jahre befristeten Aufent­halt­s­er­laub­nissen geführt, ohne dass der Schutzbedarf auch in Bezug auf das jeweilige Herkunftsland zuvor geprüft worden wäre.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab)

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