Dem Beschwerdeführer wird von den italienischen Behörden insbesondere zur Last gelegt, gemeinschaftlich handelnd als logistische Unterstützung bei der Verwendung eines Sprengsatzes mitgewirkt zu haben, weshalb die Justizbehörden der Republik Italien um seine Überstellung zum Zwecke der Strafverfolgung ersuchten.
Mit Beschluss vom 17. Dezember 2024 ordnete das Oberlandesgericht die Auslieferungshaft gegen den Beschwerdeführer an. Insbesondere bestehe der Haftgrund der Fluchtgefahr. Die zwischenzeitlich durch den Beschwerdeführer geltend gemachten Einwendungen gegen die Anordnung der Auslieferungshaft wies das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 3. Januar 2025 zurück. Gegen diese Entscheidungen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Verfassungsbeschwerde.
Die gerichtlichen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz (GG). Die Beschlüsse des Oberlandesgerichts genügen nicht den Anforderungen an die verfassungsrechtlich gebotene Begründungstiefe. Sie werden aufgehoben und die Sache wird an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Gegen den Beschwerdeführer – einen in Deutschland geborenen und hier mit seiner Familie wohnhaften italienischen Staatsangehörigen – liegt ein Europäischer Haftbefehl eines italienischen Gerichts vor. Mittels Ausschreibung im Schengener Informationssystem ersuchten die Justizbehörden der Republik Italien um seine Überstellung zum Zwecke der Strafverfolgung. Dem Beschwerdeführer wird insbesondere zur Last gelegt, gemeinschaftlich handelnd als logistische Unterstützung bei der Verwendung eines Sprengsatzes mitgewirkt zu haben. Die Höchstdauer der Strafe betrage vier Jahre.
Mit angegriffenem Beschluss vom 17. Dezember 2024 ordnete das Oberlandesgericht die Auslieferungshaft des Beschwerdeführers an. Insbesondere bestehe der Haftgrund der Fluchtgefahr. Dem Beschwerdeführer drohe in Italien die Verurteilung zu einer erheblichen Freiheitsstrafe. Seine bekannten persönlichen und sozialen Bindungen reichten nicht aus, um dem Fluchtanreiz verlässlich entgegenzuwirken. Mildere Maßnahmen, die diesen Zweck erreichen könnten, erschlössen sich dem Senat gegenwärtig nicht. Auslieferungs- und Bewilligungshindernisse seien nicht ersichtlich.
Im Rahmen einer Gegenvorstellung führte der Beschwerdeführer aus, dass die Auslieferungshaft unverhältnismäßig und nicht hinreichend begründet sei. Dass weniger einschneidende Maßnahmen wie die Meldung bei der Polizei und die Verwahrung der Ausweispapiere nahelägen, die eine Außervollzugsetzung unter Auflagen geeignet erscheinen ließen, finde in der Begründung des Oberlandesgerichts bisher keine Berücksichtigung. Seine individuelle Situation werde nicht gewürdigt. Auch das Vorliegen der Fluchtgefahr werde nicht tragfähig begründet.
Mit angegriffenem Beschluss vom 3. Januar 2025 entschied das Oberlandesgericht, die Einwendungen gegen den Auslieferungshaftbefehl zurückzuweisen und den Antrag des Beschwerdeführers, den Auslieferungshaftbefehl aufzuheben, hilfsweise außer Vollzug zu setzen, abzulehnen. Es sei weiterhin von einer Fluchtgefahr auszugehen. Der Senat verkenne nicht, dass der Beschwerdeführer in Deutschland aufgewachsen sei, hier seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe und über soziale Bindungen verfüge. Im Hinblick auf die voraussichtlich empfindlich hohe Straferwartung im Fall einer Verurteilung sowie die Gesamtwürdigung seiner konkreten Lebensumstände vermöge der Beschwerdeführer mit seinen Anträgen indes nicht durchzudringen.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die gerichtlichen Entscheidungen und rügt unter anderem eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die angegriffenen Entscheidungen des Oberlandesgerichts vom 17. Dezember 2024 und vom 3. Januar 2025 verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Sie genügen nicht den Anforderungen an die verfassungsrechtlich gebotene Begründungstiefe.
1. Es bestehen bereits Bedenken, ob die Erwägungen, mit denen das Oberlandesgericht die Fluchtgefahr bejaht hat, der verfassungsrechtlich gebotenen Begründungstiefe genügen. Die Ausführungen des Gerichts lassen besorgen, dass es die Fluchtgefahr allein auf die – nicht näher erläuterte – hohe Straferwartung gestützt hat. Zwar hat es in den angegriffenen Beschlüssen ohne nähere Begründung festgehalten, dass die bekannten persönlichen und sozialen Bindungen des Beschwerdeführers nicht ausreichten, um dem Fluchtanreiz verlässlich entgegenzuwirken, und somit im Kontext der Fluchtgefahr nicht nur die Straferwartung angeführt. Dennoch erscheint es zweifelhaft, ob das Gericht der gebotenen Begründungstiefe insoweit genügt hat.
2. Jedenfalls erreicht die Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht die verfassungsrechtlich gebotene Begründungstiefe. Das Oberlandesgericht stellt in dem Beschluss vom 17. Dezember 2024 nach den Ausführungen zur Fluchtgefahr lediglich pauschal fest, dass mildere Maßnahmen, um die Anwesenheit des Beschwerdeführers im Auslieferungsverfahren sicherzustellen, nicht ersichtlich seien. In dem Beschluss vom 3. Januar 2025 wird ohne weitere Ausführungen festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Hinblick auf die voraussichtlich empfindlich hohe Straferwartung im Fall einer Verurteilung sowie „die Gesamtwürdigung seiner konkreten Lebensumstände“ mit seinen Anträgen nicht durchzudringen vermöge.
Eine verfassungsrechtlich notwendige Abwägungsentscheidung des Gerichts, die erkennen lässt, dass es sich unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls ernstlich mit der Frage der Verhältnismäßigkeit der Freiheitsentziehung auseinandergesetzt hat, fehlt in den angegriffenen Beschlüssen. Gleiches gilt für die Offenlegung der Gesichtspunkte, die das Gericht als maßgeblich erachtet hat, um ein Überwiegen des Interesses, die Durchführung des Auslieferungsverfahrens und der Auslieferung zu sichern, gegenüber dem Freiheitsgrundrecht des Betroffenen zu rechtfertigen. Auch eine nachvollziehbare Prüfung weniger einschneidender Maßnahmen – etwa die Aussetzung des Vollzugs des Auslieferungshaftbefehls unter Auflagen – unterbleibt. Die Ausführungen des Gerichts hierzu erschöpfen sich vielmehr in der pauschalen Wendung, mildere Maßnahmen erschlössen sich dem Senat gegenwärtig nicht.
Das Oberlandesgericht wird unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Anforderungen erneut über den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft auf Erlass eines Auslieferungshaftbefehls zu entscheiden haben. Dabei werden insbesondere die konkreten persönlichen Lebensumstände des Beschwerdeführers einschließlich seiner familiären Verhältnisse und seines offenbar straffreien Vorlebens zu würdigen sein.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 24.01.2025
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/pt)