Bundesverfassungsgericht Beschluss05.01.2006
BVerfG: Durchsuchung eines Strafverteidigers im Rahmen eines Strafprozesses verfassungsrechtlich zulässigKein Verstoß gegen Grundrecht auf freie Berufsausübung (Art. 12 GG) und Gleichheitssatz (Art. 3 GG)
Ordnet das Gericht im Zusammenhang mit einem Strafprozess die Durchsuchung unter anderem der Strafverteidiger an, so liegt darin kein Verstoß gegen das Grundrecht auf freie Berufsausübung (Art. 12 GG) und den Gleichheitssatz (Art. 3 GG). Erforderlich ist jedoch ein die Anordnung rechtfertigender sachlicher Grund. Ein solcher Grund kann darin liegen, die Gefahr eines Anschlags oder Befreiungsversuchs zu verhindern. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hervor.
In dem zugrunde liegenden Fall ordnete das Landgericht Hannover im November 2005 im Zusammenhang mit einem Strafprozess die Durchsuchung unter anderem der Strafverteidiger an. Dieser Anordnung lag der Befürchtung zugrunde, dass ein Anschlag auf einen der Angeklagten oder ein Befreiungsversuch drohen könnte. Diesbezüglich gab es polizeiliche Erkenntnisse. Die Verteidiger sollten deshalb durchsucht werden, weil sie jederzeit Gelegenheit hatten mit den Angeklagten in Kontakt zu treten und ihnen somit Gegenstände hätten überlassen können. Einer der Verteidiger sah dies als unzulässig an und erhob Verfassungsbeschwerde.
Durchsuchungsanordnung verstieß nicht gegen das Grundgesetz
Das Bundesverfassungsgericht entschied gegen den Strafverteidiger. Die Durchsuchungsanordnung habe nicht gegen das Grundrecht auf freie Berufsausübung verstoßen. Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass auf Grundlage des § 176 GVG die Durchsuchung von Strafverteidigern und der von ihnen mitgeführten Gegenstände in Form einer Einlasskontrolle angeordnet wird.
Durchsuchung diente dem Schutz der Integrität der Verteidiger
Nach Ansicht des Verfassungsgerichts haben zudem konkrete Anhaltspunkte vorgelegen die eine solche Anordnung rechtfertigten. Denn es sei zu befürchten gewesen, dass die Strafverteidiger durch Zwang oder Drohung als Werkzeuge für ein Befreiungsversuch oder Anschlag benutzt werden könnten. Die Durchsuchungsanordnung habe dem Schutz der Integrität der Verteidiger gedient. Es sollte der Eindruck vermieden werden, dass die Verteidiger als Helfer etwa für das Einschmuggeln gefährlicher Gegenstände in Betracht kommen.
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wurde gewahrt
Weiterhin sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt worden, so die Verfassungsrichter weiter. Es sei kein geeignetes milderes Mittel ersichtlich gewesen, den mit der Durchsuchung erstrebten Zweck zu erreichen. Insbesondere sei der Einsatz eines Detektors nicht wirksamer gegenüber der Abtastung der Kleidung und der Durchsuchung der Schuhe gewesen. Denn mit einem solchen Gerät könne nur Metall, nicht aber Glas- oder Keramikgegenstände gefunden werden.
Kein Verstoß gegen Gleichheitssatz
Schließlich habe nach Auffassung des Verfassungsgerichts keine Ungleichbehandlung vorgelegen, weil der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft nicht durchsucht wurde. Denn dazu wäre erforderlich gewesen, dass der Staatsanwalt in gleichem Maße Zugang zu den Angeklagten hätte haben können, wie die Strafverteidiger. Dazu sei hingegen nichts vorgetragen worden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 08.05.2013
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (vt/rb)