21.11.2024
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Dokument-Nr. 22656

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Bundesverfassungsgericht Beschluss02.05.2016

Verfassungs­beschwerde von Abgeordneten wegen Verletzung des Rechts auf gesetzlichen Richter erfolglosVerfassungs­beschwerde gegen Urteil des Hamburgischen Verfas­sungs­ge­richts zum Rechtsschutz gegen Untersuchungs­ausschuss­berichte

Eine Verfassungs­beschwerde von 26 Abgeordneten der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg gegen ein Urteil des Hamburgischen Verfas­sungs­ge­richts vom 15. September 2015 wurde nicht zur Entscheidung angenommen. Dies hat das Bundes­verfassungs­gericht bekanntgegeben.

Das Urteil im vorliegenden Verfahren befasste sich mit der Frage des in der Landes­ver­fassung vorgesehenen Rechts­we­g­aus­schlusses gegen Abschluss­be­richte von Unter­su­chungs­aus­schüssen der Hamburgischen Bürgerschaft. Abgeordnete hatten die Durchführung des Verfahrens nach Rechtss­trei­tig­keiten im Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuss „Elbphilharmonie“ beantragt. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwer­de­führer eine Verletzung ihres Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) durch Unterlassung einer Vorlage an das Bundes­ver­fas­sungs­gericht.

Veröf­fent­lichung von wertenden Äußerungen über einen Rechtsanwalt durch Unter­su­chungs­aus­schuss beabsichtigt

Der in der vergangenen Legis­la­tur­periode von der Hamburgischen Bürgerschaft eingesetzte parla­men­ta­rische Unter­su­chungs­aus­schuss „Elbphilharmonie“ beabsichtigte, in seinem Abschlussbericht wertende Äußerungen unter anderem über einen Rechtsanwalt zu veröffentlichen. Dieser nahm hiergegen verwal­tungs­ge­richt­lichen Eilrechtsschutz in Anspruch. Nachdem das Verwal­tungs­gericht Hamburg den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zunächst abgelehnt hatte, untersagte das Hamburgische Oberver­wal­tungs­gericht dem Unter­su­chungs­aus­schuss im Wege einstweiliger Anordnung, in seinem Abschluss­bericht eine näher bezeichnete Tatsa­chen­be­hauptung über den Rechtsanwalt aufzustellen.

Abgeordnete beantragten Durchführung eines Normin­ter­pre­ta­ti­o­ns­ver­fahrens ()Art. 65 Abs. 3 Nr. 1 der Hamburgischen Verfassung)

Daraufhin beantragten 55 Abgeordnete der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg im November 2014 beim Hamburgischen Verfas­sungs­gericht die Durchführung eines Normin­ter­pre­ta­ti­o­ns­ver­fahrens (Art. 65 Abs. 3 Nr. 1 der Hamburgischen Verfassung). Ziel dieses Normin­ter­pre­ta­ti­o­ns­ver­fahrens war die verbindliche Klärung der Auslegung von Art. 26 Abs. 5 Satz 1 der Hamburgischen Verfassung, nach dessen Wortlaut die Beschlüsse der Unter­su­chungs­aus­schüsse der richterlichen Erörterung entzogen sind. Die Hamburgische Verfassung statuiere nach Auffassung der Antragsteller insoweit – ebenso wie Art. 44 Abs. 4 Satz 1 GG – eine Ausnahme von der Rechts­schutz­ga­rantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und eröffne damit einen gerichtsfreien Raum. Mit Urteil vom 15. September 2015 stellte das Hamburgische Verfas­sungs­gericht fest, dass der Rechtsweg nach Art. 26 Abs. 5 Satz 1 der Hamburgischen Verfassung nur insoweit ausgeschlossen sei, als das Recht der Unter­su­chungs­aus­schüsse auf autonome Abfassung eines Abschluss­be­richts nicht nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz durch Grundrechte oder andere Verfas­sungsgüter eingeschränkt werde.

Verfas­sungs­be­schwerde nicht ausreichend begründet

Die Verfas­sungs­be­schwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Sie ist bereits unzulässig, da sie nicht ausreichend begründet ist. Insbesondere wurde die allein gerügte Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) durch eine Verletzung der Pflicht zur Vorlage an das Bundes­ver­fas­sungs­gericht (Art. 100 Abs. 1 GG) nicht substantiiert dargelegt.

Wegen fehlendem Gewähr­leis­tungs­gehalt von Art. 19 Abs. 4 GG keine Verletzung der Vorlagepflicht

1. Eine Vorlagepflicht an das Bundes­ver­fas­sungs­gericht liegt bereits deshalb nicht vor – und vermag demzufolge auch nicht verletzt zu sein –, weil der Gewähr­leis­tungs­gehalt von Art. 19 Abs. 4 GG nicht entschei­dungs­er­heblich war. Das Hamburgische Verfas­sungs­gericht hat Art. 26 Abs. 5 Satz 1 der Hamburgischen Verfassung nicht allein an Art. 19 Abs. 4 GG gemessen, sondern daneben stets auch den im Wesentlichen wortgleichen und offensichtlich auch als inhaltsgleich angesehenen Art. 61 der Hamburgischen Verfassung herangezogen. Eine Herstellung praktischer Konkordanz zwischen Vorschriften der Landes­ver­fassung fällt jedoch in die Kompetenz des Landes­ver­fas­sungs­ge­richts. Selbst wenn eine Einschränkung von Art. 26 Abs. 5 Satz 1 der Hamburgischen Verfassung und das vom Hamburgischen Verfas­sungs­gericht vertretene Ausle­gungs­er­gebnis nicht auch durch Art. 19 Abs. 4 GG geboten wäre, bliebe es bei der Entscheidung, die dann alleine auf die Paral­lel­vor­schrift der Landes­ver­fassung gestützt würde. Sollte Art. 19 Abs. 4 GG einen weitergehenden Rechtsschutz gebieten als die Vorschrift des Art. 61 der Hamburgischen Verfassung, unterlägen Unter­su­chungs­aus­schuss­be­richte erst recht der (gegebenenfalls intensiveren) gerichtlichen Kontrolle.

Verfas­sungs­be­schwerde nicht hinreichend substantiiert

2. Zudem mangelt es der Beschwer­de­be­gründung auch insoweit an hinreichender Substantiierung, als das Hamburgische Verfas­sungs­gericht zur Begründung seiner Auffassung umfangreich die vorhandene Rechtsprechung und Literatur zur Landes­ver­fassung sowie Literatur zum Grundgesetz ausgewertet hat. Hiermit setzt sich die Verfas­sungs­be­schwerde nicht hinreichend auseinander, wenn sie unter bloßem Verweis auf den Wortlaut und den angeblichen Willen des Landes­ver­fas­sungs­gebers geltend macht, die Auslegung des Hamburgischen Verfas­sungs­ge­richts sei unvertretbar und überschreite die Grenzen einer verfas­sungs­kon­formen Auslegung.

Selbst verfas­sungs­konforme einschränkende Auslegung nicht unvertretbar

3. Selbst wenn man davon ausginge, das Hamburgische Verfas­sungs­gericht habe keine praktische Konkordanz hergestellt, sondern eine verfas­sungs­konforme einschränkende Auslegung vorgenommen, so erscheint eine solche Auslegung vorliegend nicht unvertretbar. Hierfür spricht – neben der vom Hamburgischen Verfas­sungs­gericht angeführten weiten Verbreitung dieser Auffassung –, dass auch das Bundes­ver­fas­sungs­gericht selbst Art. 44 Abs. 4 GG einschränkend ausgelegt hat. Warum die Rechtsprechung des Hamburgischen Verfas­sungs­ge­richts vor diesem Hintergrund gänzlich unvertretbar sein soll, hätte ebenfalls näherer Begründung bedurft.

Keine Verfas­sungs­wid­rigkeit bei deckender Vorschrift mit Regelung im Grundgesetz erkennbar

4. Gegen die Annahme, das Hamburgische Verfas­sungs­gericht sei von der Verfas­sungs­wid­rigkeit des Art. 26 Abs. 5 Satz 1 der Hamburgischen Verfassung überzeugt und deswegen zur Vorlage an das Bundes­ver­fas­sungs­gericht verpflichtet gewesen, spricht schließlich die Wortlaut­gleichheit mit Art. 44 Abs. 4 Satz 1 GG. Eine Vorschrift, die sich mit einer Regelung im Grundgesetz deckt, dürfte kaum verfas­sungs­widrig sein.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ ra-online

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