Bundesverfassungsgericht Beschluss21.11.2012
Vollstreckungsschutz gegen Zwangsräumung bei SuizidgefahrGrundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) ist zu beachten
Besteht die Gefahr, dass der Schuldner im Falle einer Zwangsräumung Suizid begeht, ist ihm gemäß § 765 a ZPO Vollstreckungsschutz zu gewähren. Insofern hat das Vollstreckungsgericht das Grundrecht auf Leben und körperlicher Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) zu beachten. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hervor.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Einem 72 Jahre alten Hauseigentümer drohte im Februar 2012 eine Zwangsräumung. Da er befürchtete im Falle der Räumung Selbstmord zu begehen, beantragte er Vollstreckungsschutz.
Amtsgericht und Landgericht verneinten Vollstreckungsschutz
Dieser Schutz wurde ihm jedoch sowohl vom Amtsgericht Freiberg als auch vom Landgericht Chemnitz versagt. Zur Begründung führte das Landgericht aus, dass nach Ausführungen eines Sachverständigen keine akute Suizidgefahr bestanden habe. Sollte sich dies zum Zeitpunkt der Räumung geändert haben, was nach Auffassung des Sachverständigen zu erwarten war, obliege es dem Gerichtsvollzieher entsprechende Maßnahmen zum Lebensschutz zu ergreifen. Der Hauseigentümer erhob daraufhin Verfassungsbeschwerde.
Nichtbeachtung des Grundrechts auf Leben und körperlicher Unversehrtheit
Das Bundesverfassungsgericht entschied zu Gunsten des Hauseigentümers und hob die Entscheidung des Landgerichts auf. Die Entscheidung des Landgerichts habe nicht hinreichend das Grundrecht auf Leben und körperlicher Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) berücksichtigt. Denn das Gericht habe das Bestehen einer Suizidgefahr im Zeitpunkt der Räumung und gegebenenfalls geeignete Maßnahmen zu deren Abwendung nicht geprüft.
Landgericht musste Möglichkeit eines Suizids zum Zeitpunkt der Räumung prüfen
Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts habe das Landgericht die Entscheidung über ein Vollstreckungsschutz nicht dem Gerichtsvollzieher überlassen dürfen. Vielmehr hätte es selbst der Frage nachgehen müssen, ob dem Hauseigentümer zum Zeitpunkt der Räumung Gefahr für Leib oder Leben droht und wie einer solchen Gefahr gegebenenfalls zu begegnen ist. Als mögliche Maßnahmen nannte das Bundesverfassungsgericht den Aufschub der Zwangsräumung. Dies verbunden mit der Auflage, dass der Hauseigentümer soziale Hilfe für die Bewältigung der Situation in Anspruch nimmt.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 21.03.2014
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (vt/rb)