03.12.2024
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Dokument-Nr. 15245

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Beschluss23.01.2013Bundesverfassungsgericht2 BvR 1645/10, 2 BvR 1676/10 und 2 BvR 1677/10
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NVwZ 2013, 502Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ), Jahrgang: 2013, Seite: 502
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Bundesverfassungsgericht Beschluss23.01.2013

Verfas­sungs­be­schwerden gegen das Waffengesetz erfolglosEinschlägige Vorschriften des Waffengesetzes verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat drei Verfas­sungs­be­schwerden gegen das geltende Waffengesetz, mit denen die Beschwer­de­führer eine Verletzung staatlicher Schutzpflichten rügen, nicht zur Entscheidung angenommen. Das Gesetz verletzt die Beschwer­de­führer nicht in ihren Grundrechten. Dem Gesetzgeber kommt bei der Erfüllung seiner verfas­sungs­recht­lichen Pflicht, das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Bürger zu schützen, ein weiter Einschätzungs- und Gestal­tungs­spielraum zu. Seine Entscheidung, welche Maßnahmen geboten sind, kann nur begrenzt nachgeprüft werden. Ein grund­recht­licher Anspruch der Beschwer­de­führer auf weitergehende Maßnahmen würde die - vorliegend nicht zu treffende - Feststellung voraussetzen, dass die geltenden Regelungen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich wären.

Im zugrunde liegenden Fall wandten sich die Beschwer­de­führer mit ihren Verfas­sungs­be­schwerden - vor dem Hintergrund des Amoklaufs eines ehemaligen Schülers in Winnenden - gegen das geltende Waffengesetz. Sie rügen eine Verletzung ihres Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) dadurch, dass das Waffengesetz tödliche Schusswaffen für den Schießsport erlaubt bzw. deren Gebrauch nicht ausreichend einschränkt. Das Waffengesetz habe in den vergangenen Jahren keinen ausreichenden Schutz vor diversen Mordserien mit privaten legalen Waffen geboten. Dies stelle ein verfas­sungs­widriges Unterlassen des Gesetzgebers dar. Die Verschärfungen des Waffenrechts nach den Ereignissen von Winnenden seien nicht geeignet, solche Vorkommnisse künftig zu verhindern oder auch nur wesentlich zu erschweren.

BVerfG nimmt Verfas­sungs­be­schwerden mangels Aussicht auf Erfolg nicht zur Entscheidung an

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat die Verfas­sungs­be­schwerden nicht zur Entscheidung angenommen. Die für die Entscheidung maßgeblichen verfas­sungs­recht­lichen Vorgaben sind geklärt. Zudem haben die Verfas­sungs­be­schwerden, selbst wenn man Zuläs­sig­keits­be­denken zurückstellt, keine Aussicht auf Erfolg.

BVerfG kann Verletzung der Schutzpflicht nur bei gänzlich nicht getroffener Schutz­vor­keh­rungen feststellen

Aus dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) ist auch eine Schutzpflicht des Staates und seiner Organe abzuleiten, deren Vernach­läs­sigung von den Betroffenen grundsätzlich mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden kann. Eine solche Schutzpflicht besteht auch hinsichtlich der Missbrauchs­ge­fahren, die vom Umgang mit Schusswaffen ausgehen. Die Entscheidung, welche Maßnahmen geboten sind, kann jedoch nur begrenzt nachgeprüft werden. Nach ständiger Rechtsprechung kann das Bundes­ver­fas­sungs­gericht eine Verletzung der Schutzpflicht daher nur dann feststellen, wenn die öffentliche Gewalt Schutz­vor­keh­rungen überhaupt nicht getroffen hat oder die ergriffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen.

Schutzkonzept des Waffengesetzes beruht auf Erlaub­nis­pflich­tigkeit des Umgangs mit Schusswaffen

Nach diesem Maßstab können die einschlägigen Vorschriften des Waffengesetzes von Verfassungs wegen nicht beanstandet werden. Das Schutzkonzept des Waffengesetzes beruht im Kern auf der Erlaub­nis­pflich­tigkeit des Umgangs mit Schusswaffen, soweit dieser nicht gänzlich verboten ist. Voraussetzung für die Erteilung einer Erlaubnis sind grundsätzlich die Volljährigkeit des Antragstellers, dessen Zuverlässigkeit und persönliche Eignung sowie der Nachweis der erforderlichen Sachkunde und eines Bedürfnisses. Den mit der Verfas­sungs­be­schwerde besonders gerügten Erwerb und Besitz von großkalibrigen Schusswaffen durch Sportschützen hat der Gesetzgeber an das Erreichen eines erhöhten Mindestalters von 21 Jahren geknüpft. Verstöße gegen die Erlaub­nis­pflicht sind mit Strafe bedroht. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber ein ebenfalls strafbewehrtes Verbot der Überlassung von Waffen oder Munition an nicht berechtigte Personen statuiert sowie eine sichere Aufbewahrung von Waffen und Munition angeordnet. Verstöße gegen die Aufbe­wah­rungs­vor­schriften hat er allgemein als Ordnungs­wid­rig­keiten und unter verschärften Voraussetzungen als Straftat sanktioniert. Einzelne Vorschriften aus den skizzierten Normkomplexen hat der Gesetzgeber erst als Reaktion auf die Amokläufe von Erfurt und Winnenden eingeführt oder verschärft.

Getroffenen Regelungen und Schutz­vor­keh­rungen zum Schutz der Allgemeinheit nicht gänzlich ungeeignet

Bei dieser Rechtslage lässt sich weder feststellen, dass die öffentliche Gewalt überhaupt keine Schutz­vor­keh­rungen gegen die von Schusswaffen ausgehenden Gefahren getroffen hat, noch, dass offensichtlich die getroffenen Regelungen und Maßnahmen in ihrer Gesamtheit gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich wären, um die Allgemeinheit vor den Gefahren des missbräuch­lichen Umgangs mit Schusswaffen zu schützen. Angesichts des dem Gesetzgeber bei der Erfüllung seiner Schutzpflichten zukommenden weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestal­tungs­spielraums steht den Beschwer­de­führern ein grund­recht­licher Anspruch auf weitergehende oder auf bestimmte Maßnahmen wie das Verbot von Sportwaffen nicht zu.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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