18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen einen Teil der Glaskuppel und einen Turm des Reichstagsgebäudes in Berlin.
ergänzende Informationen

Bundesverfassungsgericht Beschluss02.05.2016

Deutsche Telekom AG darf beamteten Mitarbeiter bei Tochter­ge­sell­schaft einsetzenBeamten­rechtliche Statusrechte bleiben auch durch Zuweisung einer Tätigkeit bei Tochter­ge­sell­schaft des Post­nachfolge­unternehmens gewahrt

Das Bundes­verfassungs­gericht hat die Verfassungs­beschwerde eines beamteten Beschwer­de­führers gegen die dauerhafte Zuweisung einer Tätigkeit bei einer Tochter­ge­sell­schaft der Deutschen Telekom AG nicht zur Entscheidung angenommen. Die Wahrnehmung der Dienst­herrn­befugnisse bei den Post­nachfolge­unternehmen durch Nichtbeamte stellt keine Verletzung von Art. 33 Abs. 5 GG dar. Zudem ergibt sich aus Art. 33 Abs. 5 GG kein Anspruch des Beschwer­de­führers auf eine Tätigkeit unmittelbar bei einem Post­nachfolge­unternehmen. Vielmehr sind mit der Zuweisung einer Tätigkeit bei einer Tochter­ge­sell­schaft eines Post­nachfolge­unternehmens die beamten­recht­lichen Statusrechte des Beschwer­de­führers gewahrt.

Der Beschwer­de­führer des zugrunde liegenden Verfahrens ist Technischer Fernmel­de­amtsrat bei der Deutschen Telekom AG. Im Jahr 2010 wurde ihm dauerhaft eine Tätigkeit als Senior Referent Support Voice in einer Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom AG zugewiesen. Die Zuweisung erfolgte auf der Grundlage von § 4 Abs. 4 Satz 2 Postper­so­na­l­rechts­gesetz (PostPersRG).

Widerspruch gegen Zuweisung neuer Tätigkeit erfolglos

Der Widerspruch des Beschwer­de­führers gegen die Zuweisung blieb erfolglos. Nachdem das Verwal­tungs­gericht die Zuweisung auf seine Klage hin zunächst aufgehoben hatte, wies der Bayerische Verwal­tungs­ge­richtshof die Klage im Berufungs­ver­fahren ab. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zum Bundes­ver­wal­tungs­gericht blieb ohne Erfolg.

Mit seiner Verfas­sungs­be­schwerde macht der Beschwer­de­führer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 33 Abs. 5 GG geltend.

Ausübung von Dienst­herrn­be­fug­nissen durch Nichtbeamte stellt keine Verletzung von Art. 33 Abs. 5 GG dar

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht erklärte die Verfas­sungs­be­schwerde für unzulässig und zudem für unbegründet. Die Ausübung von Dienst­herrn­be­fug­nissen durch Nichtbeamte stellt keine Verletzung von Art. 33 Abs. 5 GG dar. Die Postnach­fol­ge­un­ter­nehmen üben im Wege der Beleihung Dienst­herrn­be­fugnisse aus (Art. 143b Abs. 3 Satz 2 GG), was auch die Möglichkeit der Wahrnehmung der Dienst­herrn­be­fugnisse durch Nichtbeamte als Dienst­vor­ge­setzte beinhaltet. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Einfügung von Art. 143b Abs. 3 Satz 2 GG entschieden hat, dass der Vorstand eines Postnach­fol­ge­un­ter­nehmens, dessen Mitglieder naturgemäß keine Beamten sind, die Befugnisse der obersten Dienstbehörde sowie des obersten Dienst­vor­ge­setzten und des obersten Vorgesetzten wahrnimmt (§ 1 Abs. 2 PostPersRG). Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Beschäftigung von Beamten in den Postnach­fol­ge­un­ter­nehmen vorübergehender Natur ist, da nach der Privatisierung eine Ernennung von Beamten bei den Postnach­fol­ge­un­ter­nehmen nicht mehr möglich ist. Wären die Aktien­ge­sell­schaften gezwungen als Dienst­vor­ge­setzte lediglich Beamte einzusetzen, könnte dies zu erheblichen organi­sa­to­rischen Problemen führen, insbesondere dann, wenn keine geeigneten Beamten (mehr) zur Verfügung stünden.

Abweichende Regelung bei Dienst­herrn­be­fug­nissen für Postnach­fol­ge­un­ter­nehmen stellt zulässige Fortentwicklung des Beamtenrechts dar

Auch Art. 33 Abs. 5 GG gebietet keine andere Auslegung von Art. 143b Abs. 3 Satz 2 GG. Zwar sind auch bei Beamten der Postnach­fol­ge­un­ter­nehmen die hergebrachten Grundsätze des Berufs­be­am­tentums zu berücksichtigen. Hierbei handelt es sich um einen Kernbestand von Struk­tur­prin­zipien, der allerdings die Ausübung von Dienst­herrn­be­fug­nissen allein durch beamtete Dienst­vor­ge­setzte nicht (mehr) umfasst. Auch wenn Dienst­herrn­be­fugnisse im klassischen hierarchischen Behördenaufbau grundsätzlich von anderen Beamten als Dienst­vor­ge­setzten ausgeübt werden, handelt es sich bei einer abweichenden Regelung für die Postnach­fol­ge­un­ter­nehmen auf Verfas­sungsebene zumindest um eine zulässige Fortentwicklung des Beamtenrechts. Die Struk­tu­rent­scheidung des Art. 33 Abs. 5 GG belässt ausreichend Raum, die geschichtlich gewachsene Institution in den Rahmen des heutigen Staatslebens einzufügen und den Funktionen anzupassen. Veränderungen verstoßen nur dann gegen Art. 33 Abs. 5 GG, wenn Grundsätze angetastet werden, die nicht hinweggedacht werden können, ohne dass damit zugleich die Einrichtung selbst verändert würde.

Dienst­herrn­be­fugnisse gegenüber Beamten müssen nicht zwingend nur durch andere Beamte ausgeübt werden

Schließlich folgt auch nicht aus Art. 33 Abs. 4 GG, dass Dienst­herrn­be­fugnisse gegenüber Beamten nur durch andere Beamte ausgeübt werden können. Die aus Art. 33 Abs. 4 GG erwachsene Verpflichtung, die ständige Ausübung hoheits­recht­licher Befugnisse in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen, zu übertragen, wird für die Ausübung von Dienst­herrn­be­fug­nissen im Bereich der Postnach­fol­ge­un­ter­nehmen beschränkt (Art. 143b Abs. 3 Satz 2 GG).

Kein Anspruch auf abstrakt-funktionelles Amt unmittelbar bei Postnach­fol­ge­un­ter­nehmen

Die Zuweisung eines abstrakten und konkreten Aufga­ben­be­reichs bei einer Tochterfirma eines Postnach­fol­ge­un­ter­nehmens stellt keine Verletzung von Art. 33 Abs. 5 GG oder Art. 143b Abs. 3 Satz 1 GG dar. Aus Art. 33 Abs. 5 GG ergibt sich kein Anspruch des Beschwer­de­führers darauf, dass ihm ein abstrakt-funktionelles Amt oder ein abstrakter Aufgabenbereich unmittelbar bei einem Postnach­fol­ge­un­ter­nehmen oder einer Behörde des Bundes verliehen wird.

Privatrechtlich organisiertes Postnach­fol­ge­un­ter­nehmen besitzt mangels hoheitlicher Aufgaben keine Ämterstruktur

Bei den privatrechtlich organisierten Postnach­fol­ge­un­ter­nehmen gibt es mangels hoheitlicher Aufgaben keine Ämterstruktur. Den Beamten der Postnach­fol­ge­un­ter­nehmen können daher keine Ämter im funktionellen Sinne zugewiesen werden. An die Stelle von abstrakt-funktionellen und konkret-funktionellen Ämtern treten bei den Postnach­fol­ge­un­ter­nehmen und ihren Tochter- und Enkel­un­ter­nehmen abstrakte und konkrete Aufga­ben­be­reiche. Dies ist mit den Vorgaben von Art. 33 Abs. 5 GG und Art. 143b Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar, da damit in ausreichender Weise der Anspruch auf eine amtsangemessene Beschäftigung gewahrt werden kann.

Keine Grund­rechts­ver­letzung durch Zuweisung einer Tätigkeit bei Tochter­ge­sell­schaft der Deutschen Telekom AG

Der Beschwer­de­führer wird auch nicht dadurch in seinen Grundrechten verletzt, dass ihm eine Tätigkeit bei einer Tochter­ge­sell­schaft der Deutschen Telekom AG und nicht bei einem Postnach­fol­ge­un­ter­nehmen direkt zugewiesen worden ist. Die Möglichkeit der dauerhaften Zuweisung von Tätigkeiten bei Tochter­un­ter­nehmen der Postnach­fol­ge­un­ter­nehmen und damit eine vollständige Eingliederung in diese Unternehmen ist mit Art. 33 Abs. 5 GG und Art. 143b Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar.

Weiter­be­schäf­tigung der Beamten muss nicht nur durch unmittelbare Postnach­fol­ge­un­ter­nehmen erfolgen

Insofern enthält die Priva­ti­sie­rungs­ent­scheidung eine Verpflichtung sowohl der Postnach­fol­ge­un­ter­nehmen als auch des Gesetzgebers, eine Weiter­ent­wicklung der Strukturen der Postnach­fol­ge­un­ter­nehmen und eine Anpassung der Unternehmen an die Anforderungen des Wettbewerbs zu fördern. Art. 143b Abs. 3 Satz 1 GG kommt dabei die Aufgabe zu, im Rahmen dieses Prozesses der Privatisierung zwischen den Anforderungen an die Postnach­fol­ge­un­ter­nehmen und den Interessen der Beamten an der Bewahrung ihres erworbenen beamten­recht­lichen Status einen Ausgleich zu schaffen. Dabei ist den Postnach­fol­ge­un­ter­nehmen für ihren Auftrag auch organisatorisch so weit wie möglich unter­neh­me­rische Freiheit einzuräumen. Es entspricht daher der Zielsetzung von Art. 143b Abs. 3 Satz 1 GG, einen flexiblen Einsatz der Beamten unter Wahrung ihrer Statusrechte zu ermöglichen. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass die in Art. 143b Abs. 3 Satz 1 GG garantierte Weiter­be­schäf­tigung der Beamten nur durch die unmittelbaren Postnach­fol­ge­un­ter­nehmen erfolgen kann. Vielmehr schließt Art. 143b Abs. 3 Satz 1 GG die Möglichkeit ein, dass der Weiter­be­schäf­ti­gungs­ga­rantie durch die Übertragung einer amtsan­ge­messenen Beschäftigung bei Tochter­ge­sell­schaften der Postnach­fol­ge­un­ter­nehmen nachgekommen wird.

BVerfG verneint unangemessene Benachteiligung von Beamten der ehemaligen Deutschen Bundespost

Die Beamten der ehemaligen Deutschen Bundespost werden durch diese Maßnahme auch nicht in ihren garantierten Rechten unangemessen benachteiligt. Sie bleiben weiterhin Beamte des Bundes. Ihre Statusrechte werden nicht berührt. Die Postnach­fol­ge­un­ter­nehmen haben allerdings dafür zu sorgen, dass sie wirksam die Einhaltung der beamten­recht­lichen Erfordernisse, insbesondere den Anspruch auf eine amtsangemessene Beschäftigung durch die Tochter­un­ter­nehmen, sicherstellen können. Aus Art. 143b Abs. 3 Satz 1 GG ergibt sich auch nicht die Verpflichtung, den Beamten, dem eine Tätigkeit bei einer Tochter­ge­sell­schaft zugewiesen worden ist, über einen unmittelbar bei den Postnach­fol­ge­un­ter­nehmen angesiedelten abstrakten Aufgabenbereich an die Mutter­ge­sell­schaft anzubinden. Die notwendige Anbindung an die mit Dienst­herrn­be­fug­nissen ausgestatteten Mutter­ge­sell­schaften erfolgt über deren Mehrheits­be­tei­ligung an den Tochter­ge­sell­schaften.

§ 4 Abs. 4 Satz 2 Postper­so­na­l­rechts­gesetz

Erläuterungen
(4) [...] Eine dauerhafte Zuweisung einer dem Amt entsprechenden Tätigkeit ist zulässig, wenn die Zuweisung nach allgemeinen beamten­recht­lichen Grundsätzen zumutbar ist und die Zuweisung der Tätigkeit bei einem Unternehmen erfolgt,

1. dessen Anteile ganz oder mehrheitlich dem Postnach­fol­ge­un­ter­nehmen gehören,

2. dessen Anteile ganz oder mehrheitlich Unternehmen nach Nummer 1 gehören,

3. dem die Anteile des Postnach­fol­ge­un­ter­nehmens ganz oder mehrheitlich gehören oder

4. dessen Anteile ganz oder mehrheitlich Unternehmen nach Nummer 3 gehören.

Art. 33 Abs. 4 und 5 GG

[...]

(4) Die Ausübung hoheits­recht­licher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berück­sich­tigung der hergebrachten Grundsätze des Berufs­be­am­tentums zu regeln und fortzu­ent­wickeln.

Art. 143b Abs. 3

[...]

(3) Die bei der Deutschen Bundespost tätigen Bundesbeamten werden unter Wahrung ihrer Rechtsstellung und der Verantwortung des Dienstherrn bei den privaten Unternehmen beschäftigt. Die Unternehmen üben Dienst­her­ren­be­fugnisse aus. Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Beschluss22721

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI