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Dokument-Nr. 3567

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Beschluss06.12.2006Bundesverfassungsgericht2 BvM 9/03
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Bundesverfassungsgericht Beschluss06.12.2006

Bundes­ver­fas­sungs­gericht stoppt Zugriff auf argentinische Botschafts­kontenPauschaler Verzicht auf Staate­n­im­munität erfasst nicht die diplomatische Immunität von Botschafts­konten

Durch argentinische Staatsanleihen geschädigte Anleger können nicht die Konten der argentinischen Botschaft pfänden lassen. Das hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschieden.

Die Republik Argentinien bediente sich im Zusammenhang mit der argentinischen Finanzkrise in erheblichem Umfang des Instruments der Staatsanleihen. Solche Anleihen wurden auch auf dem deutschen Kapitalmarkt aufgelegt und von deutschen Gläubigern gezeichnet. Diese Anleihen unterfallen dem deutschen Recht. Die Republik Argentinien formulierte in den Anlei­he­be­din­gungen einen allgemeinen Immuni­täts­verzicht, der sich auf das gerichtliche (Erkenntnis-) Verfahren und die anschließende Zwangs­voll­streckung erstreckt. Nachdem eine Gläubigerin ein Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (siehe auch: Argentinien muss Staatsanleihen zurückzahlen) erwirkt hatte, durch das die Republik Argentinien zur Zahlung von 766.937, 82 Euro verurteilt wurde, ordnete das Amtsgericht Berlin-Mitte die Pfändung der bei der Deutschen Bank belegenen Konten der argentinischen Botschaft an. Auf Erinnerung der Republik Argentinien stellte das Amtsgericht die Zwangs­voll­streckung einstweilen ein und legte dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht gemäß Art. 100 Abs. 2 GG die Frage vor, ob es eine allgemeine Regel des Völkerrechts gebe, nach der ein lediglich pauschaler Immuni­täts­verzicht zur Aufhebung des Schutzes der Immunität auch für solches Vermögen genügt, das dem Entsendestaat im Empfangsstaat zur Aufrecht­er­haltung der Funkti­o­ns­fä­higkeit seiner diplomatischen Mission dient.

Der Zweite Senat des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts kam zu dem Ergebnis, dass eine solche allgemeine Regel des Völkerrechts nicht feststellbar sei. Aus der Staatenpraxis und dem völker­recht­lichen Schrifttum ergebe sich, dass ein allgemeiner, in den Anlei­he­be­din­gungen eines ausländischen Staates enthaltener Immuni­täts­verzicht zwar geeignet sei, die allgemeine Staate­n­im­munität im Erkenntnis- und Vollstre­ckungs­ver­fahren aufzuheben. Die Zustimmung zur Vollstreckung auch in solches Vermögen, welches der Aufrecht­er­haltung des Betriebs der diplomatischen Mission des Entsendestaats dient, werde darin von Völkerrechts wegen aber nicht gesehen. Dies sei eine Folge des im Völker­rechts­verkehr anerkannt hohen Schutzniveaus diplomatischer Belange, das sich in dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen sowie ergänzendem Völker­ge­wohn­heitsrecht zeige.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

1. Im Zusammenhang mit Fragen der Immunität von Staaten im Erkenntnis- und im Vollstre­ckungs­ver­fahren vor deutschen Gerichten und der Vollstreckung in diplomatisch genutztes Vermögen ist zwischen der allgemeinen Staate­n­im­munität einerseits und der spezifischen diplomatischen Immunität der Mission eines ausländischen Staates andererseits zu unterscheiden. Staate­n­im­munität und diplomatische Immunität stellen unter­schiedliche Institute des Völkerrechts mit jeweils eigenen Regeln dar. Der besondere und weit reichende Schutz der diplomatischen Mission im Empfangsstaat ist ein Element, das in der Staatenpraxis besonders hervorgehoben wird, weil damit die diplomatischen Beziehungen von Staaten stehen und fallen.

2. Grundsätzlich können Staaten auf ihre allgemeine Immunität im Erkenntnis- und im Vollstre­ckungs­ver­fahren verzichten. Die Staatenpraxis unterscheidet bei der Vollstreckung weitgehend zwischen Vermögen eines Staates, das kommerziellen Zwecken dient, und solchen Vermö­gens­ge­gen­ständen oder -werten, die hoheitlichen Zwecken dienen. Im Vollstre­ckungsstaat belegene Vermögenswerte, die nicht hoheitlich genutzt werden, unterliegen im Ergebnis regelmäßig der Zwangs­voll­streckung, ohne dass eine Einwilligung oder ein Immuni­täts­verzicht seitens des Schuld­ner­staates erforderlich wären. Die Zwangs­voll­streckung in im Vollstre­ckungsstaat belegenes oder dort befindliches Vermögen, das hoheitlichen Zwecken eines ausländischen Staates dient, ist dagegen ohne die Einwilligung des betreffenden Staates nicht zulässig. Allerdings ist die Möglichkeit eines Immuni­täts­ver­zichts, der sich auf hoheitlich genutztes Vermögen erstreckt, anerkannt.

3. Aus der völker­recht­lichen Trennung zwischen der allgemeinen Staate­n­im­munität und der diplomatischen Immunität ergibt sich, dass Möglichkeit und Anforderungen an einen Verzicht auf die diplomatische Immunität nicht von den Regeln über die allgemeine Staate­n­im­munität mit umfasst werden. Der spezielle, aus dem Recht der diplomatischen Beziehungen abgeleitete Sonderstatus des Vermögens, das zur Aufrecht­er­haltung des Betriebs einer diplomatischen Mission im Empfangsstaat bestimmt ist, gewährt besonderen Schutz. Das Völker­ge­wohn­heitsrecht schließt Maßnahmen der Sicherung oder Zwangs­voll­streckung in Gegenstände aus, die der diplomatischen Vertretung eines fremden Staates zur Wahrnehmung ihrer amtlichen Funktionen dienen, soweit durch sie die Erfüllung diplomatischer Aufgaben beeinträchtigt werden könnte. Aus dem Grundsatz, dass sich der Empfangsstaat jeglicher Aktivitäten zu enthalten hat, die die Funktion der diplomatischen Mission zu beeinträchtigen geeignet sind, folgt, dass ein ausländischer Staat gegen die Vollstreckung in Gegenstände oder Vermögenswerte, die dem Betrieb seiner diplomatischen Mission dienen, die Unver­letz­lichkeit der Mission einwenden kann.

Trotz des hohen Schutzniveaus, das Gegenstände und Vermögenswerte, die diplomatischen Zwecken dienen, genießen, ist aber ein Verzicht auch auf die besondere diplomatische Immunität grundsätzlich möglich. Der Entsendestaat kann auf das Vorrecht des Schutzes durch den Empfangsstaat verzichten und dadurch auch die Vollstreckung in sein diplomatisch genutztes Vermögen ermöglichen.

4. Anhaltspunkte dafür, dass auch ein bloß pauschaler Verzicht, der weder den diplomatischen Schutz noch das darunter fallende Vermögen besonders erwähnt, ausreichen soll, diesen besonderen Schutz zu überwinden, lassen sich der Staatenpraxis, wie sie sich insbesondere in nationalen Gericht­s­ent­schei­dungen - etwa deutscher, britischer, US-amerikanischer, französischer und schwedischer Gerichte - niederschlägt, nicht in einem für die Allgemeinheit der Geltung einer solchen Regel ausreichenden Maße entnehmen. Auch aus Regelungen des diplomatischen Verkehrs, den Arbeiten der Völker­rechts­kom­mission und dem völker­recht­lichen Schrifttum, das als Anhaltspunkt für die Existenz von Gewohn­heitsrecht ergänzend herangezogen werden kann, lässt sich nicht ableiten, dass eine allgemeine Regel des Völkerrechts existiert, wonach ein pauschaler Verzicht auf die Immunität geeignet wäre, die diplomatische Immunität von Botschafts­konten aufzuheben.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 121/2006 des BVerfG vom 21.12.2006

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