21.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss13.04.2017

Bundes­verfassungs­gericht erklärt Kern­brennstoff­steuer­gesetz für unvereinbar mit dem Grundgesetz und somit für nichtigBundes­ge­setzgeber fehlt Gesetz­gebungs­kompetenz zum Erlass des Gesetzes

Außerhalb der durch das Grundgesetz vorgegebenen Kompe­ten­z­ordnung haben Bund und Länder kein Steuerer­findungs­recht. Da sich die Kern­brennstoff­steuer nicht dem Typus der Verbrauchsteuer im Sinne des Art. 106 GG zuordnen lässt, fehlt dem Bundes­ge­setzgeber die Gesetz­gebungs­kompetenz für den Erlass des Kern­brennstoff­steuergesetzes (KernbrStG). Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­verfassungs­gerichts hervor. Das Gericht erklärte damit das Kern­brennstoff­steuergesetz rückwirkend für nichtig.

Kernbrennstoff, der zur gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom verwendet wurde, unterlag nach dem Kernbrenn­stoff­steu­er­gesetz vom 8. Dezember 2010 der Besteuerung. Das Kernbrenn­stoff­steu­er­gesetz sollte Besteu­e­rungs­vorgänge erfassen, bei denen die sich selbsttragende Kettenreaktion vor dem 1. Januar 2017 ausgelöst wurde. Bei der Steuer handelte es sich nach Auffassung des Gesetzgebers um eine "Verbrauchsteuer im Sinn der Abgabenordnung". Steuerschuldner waren die Betreiber von Kernkraftwerken. Die Steuereinnahmen aus der Kernbrennstoffsteuer betrugen für den Bundeshaushalt in den Jahren 2011 bis 2016 insgesamt 6,285 Milliarden Euro.

FG Hamburg erbittet Vorab­ent­scheidung des BVerfG zur Vereinbarkeit des Kernbrenn­stoff­steu­er­ge­setzes mit dem Grundgesetz

Die Klägerin des Ausgangs­ver­fahrens setzte im Jahr 2011 in den Reaktor eines von ihr betriebenen Kernkraftwerks neue Brennelemente ein, löste eine sich selbsttragende Kettenreaktion aus und führte nach entsprechender Steueranmeldung einen Steuerbetrag in Höhe von rund 96 Millionen Euro ab. Daraufhin erhob sie Klage gegen die Steueranmeldung. Das Finanzgericht Hamburg hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht die Frage vorgelegt, ob das Kernbrenn­stoff­steu­er­gesetz vom 8. Dezember 2010 mit dem Grundgesetz unvereinbar ist.

Kernbrenn­stoff­steu­er­gesetz mit Grundgesetz unvereinbar

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschied, dass das Kernbrenn­stoff­steu­er­gesetz vom 8. Dezember 2010 mit Art. 105 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG unvereinbar und nichtig ist. Dem Bundes­ge­setzgeber fehlte die Gesetz­ge­bungs­kom­petenz zu seinem Erlass. Die Finanz­ver­fassung des Grundgesetzes ist Eckpfeiler der bundess­taat­lichen Ordnung. Sie bildet eine in sich geschlossene Rahmen- und Verfah­rens­ordnung und ist auf Formenklarheit und Formenbindung angelegt. Der strikten Beachtung der finanz­ver­fas­sungs­recht­lichen Zustän­dig­keits­be­reiche von Bund und Ländern kommt eine überragende Bedeutung für die Stabilität der bundess­taat­lichen Verfassung zu. Über ihre Ordnungs­funktion hinaus entfaltet die Finanz­ver­fassung eine Schutz- und Begren­zungs­funktion, die es dem einfachen Gesetzgeber untersagt, die ihm gesetzten Grenzen zu überschreiten.

Gesetzgeber steht Möglichkeit zur Veränderung oder "Neuerfindung" von Steuern offen

Art. 105 GG begründet als spezielle finanz­ver­fas­sungs­rechtliche Norm die Gesetz­ge­bungs­kom­pe­tenzen des Bundes und der Länder für den Bereich der Steuern. Art. 106 GG weist die Erträge bestimmter Steuern entweder dem Bund, den Ländern oder Bund und Ländern gemein­schaftlich zu. Neue Steuern sind auf ihre Kongruenz mit den aus hergebrachter Sicht typusprägenden Merkmalen der Einzel­steu­er­be­griffe der Art. 105 und Art. 106 GG zu prüfen. Entsprechen sie nicht allen Typusmerkmalen einer Einzelsteuer, sind Bedeutung und Gewicht der einzelnen Merkmale sowie der Grad an Abweichung zu bestimmen und danach in eine Gesamtwertung einzubeziehen. Auf dieser Grundlage ist zu entscheiden, ob im Ergebnis eine Übereinstimmung mit dem Typus anzunehmen ist. Innerhalb der durch Art. 105 und Art. 106 GG vorgegebenen Typusbegriffe steht es dem Gesetzgeber offen, neue Steuern zu "erfinden" und bestehende Steuergesetze zu verändern.

Freies Steue­rer­fin­dungsrecht kommt weder Bund noch Ländern zu

Die Zuweisung von Gesetz­ge­bungs­kom­pe­tenzen an Bund und Länder durch Art. 105 GG in Verbindung mit Art. 106 GG ist abschließend. Der einfache Gesetzgeber darf nur solche Steuern einführen, deren Ertrag durch Art. 106 GG dem Bund, den Ländern oder Bund und Ländern gemein­schaftlich zugewiesen wird. Ein freies Steue­rer­fin­dungsrecht kommt weder dem Bund noch den Ländern zu.

Einfachem Gesetzgeber steht kein Änderungs­an­spruch zu

Hierfür spricht insbesondere, dass ansonsten die Ertragshoheit für diese Steuern offen bliebe. Das Grundgesetz enthält keine Regelungen über die Ertragshoheit für nicht in Art. 106 GG aufgeführte Steuerarten. Um die Ertragshoheit für "frei schwebende Steuererträge" einer (nachträglichen) Regelung zuzuführen, bliebe nur der Weg einer Ergänzung des Art. 106 GG im Wege des verfas­sung­s­än­dernden Gesetzes. Allerdings steht es dem einfachen Gesetzgeber nicht zu, den Katalog des Art. 105 und Art. 106 GG (mittelbar) zu erweitern, indem er den verfas­sung­s­än­dernden Gesetzgeber in die Situation bringt, im Anschluss an die einfach­ge­setzliche Einführung einer neuen Steuer die Verfassungslage entsprechend anpassen und die Ertragshoheit im Nachgang regeln zu müssen.

Annahme eines Steue­rer­fin­dungs­rechts nicht mit Schutz der Bürger vor unübersehbarer Vielzahl an Steuern in Einklang zu bringen

Jede Unsicherheit bei der Zuordnung von Erträgen kann zu erheblichen Verwerfungen innerhalb der Finanz­ver­fassung führen, ihrer Befrie­dungs­funktion widersprechen und ihr Ziel, "unnötige Ausein­an­der­set­zungen zwischen Bund und Ländern" zu vermeiden, verfehlen. Die Geschlossenheit und Ordnungs­funktion der Finanz­ver­fassung sichert zudem das Vertrauen der Bürger darauf, nur in dem durch die Finanz­ver­fassung vorgegebenen Rahmen belastet zu werden. Der Schutz der Bürger vor einer unübersehbaren Vielzahl von Steuern ist ein originärer und eigenständiger Zweck der Kompetenznormen der Finanz­ver­fassung, mit dem die Annahme eines Steue­rer­fin­dungs­rechts nicht in Einklang zu bringen wäre. Eines allgemeinen Steue­rer­fin­dungs­rechts des Bundes bedarf es auch nicht, damit er über ein Instrumentarium verfügt, um ein Steue­rer­fin­dungsrecht der Länder entsprechend einzuhegen, weil bereits ein solches allgemeines Steue­rer­fin­dungsrecht der Länder nicht gegeben ist. Die Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanz­ver­fassung entfaltet ihre Wirkung auch in Bezug auf landes­rechtliche Regelungen.

Verbrauch­steuern sind von Unter­neh­men­steuern abzugrenzen

Die Kernbrenn­stoff­steuer ist eine Steuer im finanz­ver­fas­sungs­recht­lichen Sinne, denn sie ist ohne individuelle Gegenleistung zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs erhoben worden. Sie entspricht aber nicht dem Typus der Verbrauchsteuer gemäß Art. 106 Abs. 1 Nummer 2 GG.

Die Typusbegriffe der Art. 105 und 106 GG - und damit auch der Typus der Verbrauchsteuer - sind weit zu interpretieren. Der Begriff der Verbrauchsteuer im Sinne des traditionellen deutschen Steuerrechts umfasst zwar nicht nur Steuern auf Güter des "letzten" Verbrauchs, das heißt die Belastung des Verbrauchs im privaten Haushalt, sondern betrifft auch den produktiven Bereich. Die Verbrauch­steuern sind aber von den Unter­neh­men­steuern abzugrenzen. Die Trennlinie ist bei der Anknüpfung an den Gewinn der Unternehmer einerseits und der Anknüpfung an die Einkom­mens­ver­wendung der Endverbraucher andererseits zu ziehen. Diese Unterscheidung zwischen (privater) Einkom­mens­ver­wendung und (unter­neh­me­rischer) Einkom­men­s­er­zielung ist für das finanz­ver­fas­sungs­rechtliche "Vertei­lungs­gefüge" von grundsätzlicher Bedeutung.

Steuer ist auf Abwälzung auf Endverbraucher angelegt

Verbrauch­steuern sind im Regelfall indirekte Steuern. Sie werden zwar auf der Ebene des Verteilers oder Herstellers des verbrauch­steu­erbaren Gutes erhoben. Steuerschuldner und Steuerträger - das heißt die (natürliche oder juristische) Person, die die Steuerlast im wirtschaft­lichen Ergebnis trägt - sind jedoch nicht identisch. Vielmehr ist die Steuer auf eine Abwälzung auf den Endverbraucher angelegt, mit der Folge, dass die Unternehmer als Steuerschuldner von der Steuerlast wirtschaftlich ent- und die privaten Verbraucher als Steuerträger wirtschaftlich belastet werden. Verbrauch­steuern sollen die in der Einkommens- und Vermö­gens­ver­wendung zu Tage tretende steuerliche Leistungs­fä­higkeit des Endverbrauchers abschöpfen.

Gestal­tungs­spielraum des Gesetzgebers ist bei Auswahl der Steuer­ge­gen­stände typusbedingt eingeschränkt

Der Typus einer Verbrauchsteuer erfordert ferner den Verbrauch eines Gutes, das der Befriedigung eines ständigen privaten Bedarfs dient. Der weite Gestal­tungs­spielraum des Gesetzgebers bei der Auswahl der Steuer­ge­gen­stände ist insoweit typusbedingt eingeschränkt. Dabei kommt es nicht auf einen - im Einzelfall nicht kontrol­lierbaren - tatsächlichen Verbrauch an, sondern darauf, ob der Besteu­e­rungs­ge­genstand zum Verbrauch bestimmt ist.

Schließlich setzen Verbrauch­steuern regelmäßig den Übergang des Verbrauchsgutes aus einem steuerlichen Nexus in den steuerlich nicht gebundenen allgemeinen Wirtschafts­verkehr voraus, ohne aber - wie die Verkehrsteuern - im Tatbestand beide Seiten, insbesondere beide Vertragspartner, zu erfassen.

Der Typus der Verbrauch­steuern umfasst danach solche Steuern, die nach ihrem Regelungs­konzept den Verbrauch bestimmter Güter des ständigen Bedarfs durch den privaten Endverbraucher belasten sollen und auf Grund eines äußerlich erkennbaren Vorgangs - regelmäßig das Verbringen des Verbrauchsgutes in den allgemeinen Wirtschafts­verkehr - von demjenigen als Steuerschuldner erhoben werden, in dessen Sphäre sich der Vorgang verwirklicht.

Kernbrenn­stoff­steuer ist keine Verbrauchsteuer

Nach diesen Maßstäben ist die Kernbrenn­stoff­steuer keine Verbrauchsteuer. Die gebotene Gesamt­be­trachtung führt zu dem Ergebnis, dass sie bereits das zentrale Typusmerkmal einer Besteuerung der privaten Einkom­mens­ver­wendung nicht erfüllt und aufgrund der Besteuerung eines reinen Produk­ti­o­ns­mittels typusfremd ist. Die Geset­zes­ma­te­rialien über die Einführung der Kernbrenn­stoff­steuer sprechen gegen eine Zielsetzung des Gesetzgebers, für die Besteuerung an die Einkom­mens­ver­wendung der privaten Verbraucher anzuknüpfen. Er geht in der Geset­zes­be­gründung nicht von einer Steigerung der Stromkosten aus, da nach seiner Auffassung eine "Überwälzung der den Stromerzeugern entstehenden zusätzlichen Kosten nur in geringem Umfang möglich sein wird". Auch die Annahme des Gesetzgebers, die Unternehmen würden durch die Kernbrenn­stoff­steuer mit "bis zu 2,3 Milliarden Euro" belastet werden, weist in dieselbe Richtung. Diese Summe ist identisch mit dem damals kalkulierten Steueraufkommen. Aus den weiteren Geset­zes­ma­te­rialien ergibt sich nichts anderes, insbesondere nicht aus dem Hinweis, die vollständige Abwälzung der Steuerlast sei "grundsätzlich [...] möglich". Dies wird durch die eigene Feststellung des Gesetzgebers, eine Abwälzung werde im maßgeblichen Regelfall nicht gelingen, widerlegt. Wäre eine Belastung der Verbraucher - die einzig über den Preis für den an sie abgegebenen Strom erfolgen kann - gewollt gewesen, hätte es zudem nahe gelegen, dafür an die mit den Kernbrenn­stoffen produzierte und an die Verbraucher abgegebene Strommenge statt an das Einsetzen der Brennelemente oder -stäbe in einen Kernreaktor und das Auslösen einer sich selbsttragenden Kettenreaktion und damit einen Vorgang weit außerhalb der Sphäre der Verbraucher anzuknüpfen. Im Falle der Besteuerung eines reinen Produk­ti­o­ns­mittels, das sich nicht im Endver­brauchsgut körperlich wiederfindet, hat die Abgrenzung zwischen der Besteuerung der privaten Einkom­mens­ver­wendung der Endverbraucher und der Besteuerung unter­neh­me­rischer Tätigkeit entscheidende Bedeutung für den Verbrauch­steu­ertypus. Trotz des gebotenen weiten Verständnisses bei der Bestimmung der Einzel­steu­er­be­griffe der Art. 105 und 106 GG kommt demgegenüber den Gesichtspunkten, dass die Kernbrennstoffe bei ihrem Einsatz wirtschaftlich aufgezehrt und damit im Sinne des Verbrauch­steu­er­be­griffs "verbraucht" werden und dass es nicht zum Typus von Verbrauch­steuern gehört, allein Genussmittel zu besteuern, kein ausreichendes Gewicht zu, um dennoch eine Verbrauchsteuer annehmen zu können.

BVerfG erklärt Kernbrenn­stoff­steu­er­ge­setzes für nichtig

Der Verstoß des Kernbrenn­stoff­steu­er­ge­setzes gegen Art. 105 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 106 Abs. 1 Nummer 2 GG führt vorliegend zur Nichti­g­er­klärung des Gesetzes. Zwar kann die Notwendigkeit einer verlässlichen Finanz- und Haushalts­planung es gebieten, von einer Rückwirkung der Entscheidung abzusehen. Die Notwendigkeit einer verlässlichen Finanz- und Haushalts­planung kann allerdings nur Geltung beanspruchen, wenn der Gesetzgeber sich auf seine Finanz- und Haushalts­planung verlassen durfte. Dies war im Hinblick auf die von Anfang an mit erheblichen finanz­ver­fas­sungs­recht­lichen Unsicherheiten belastete Kernbrenn­stoff­steuer nicht der Fall.

Abweichende Meinung der Richter Huber und Müller

Soweit die Senatsmehrheit das Kernbrenn­stoff­steu­er­gesetz für verfas­sungs­widrig hält, stimmen die Richter Huber und Müller dem zwar im Ergebnis, nicht jedoch in der Begründung zu.

Art. 105 GG enthält eine Regelung über die Verteilung der Gesetz­ge­bungs­kom­pe­tenzen im Bereich des Steuerrechts, wobei Art. 105 Abs. 2 GG die "übrigen Steuern" der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes unterwirft. Schon dem Wortlaut lässt sich nicht entnehmen, dass damit ausschließlich die in Art. 106 GG aufgelisteten Steuern gemeint sind. Auch Systematik, Sinn und Zweck sowie Entste­hungs­ge­schichte der Finanz­ver­fassung sprechen für die Anerkennung einer konkurrierenden Steuer­fin­dungs­kom­petenz des Bundes nach Art. 105 Abs. 2 GG.

Art. 105 GG unterscheidet sich in seiner Funktion grundlegend von Art. 106 GG. Während Art. 105 GG die Gesetz­ge­bungs­kom­pe­tenzen im Bereich des Steuerrechts zuordnet, dient Art. 106 GG der Verteilung des gesamt­s­taat­lichen Steuer­auf­kommens zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Warum die Verteilung des Aufkommens der in Art. 106 GG aufgeführten Steuern und Steuerarten zu einer Beschneidung der Regelungs­kom­pe­tenzen des Steuer­ge­setz­gebers nach Art. 105 GG und damit zum Ausschluss eines Steue­rer­fin­dungs­rechts führen soll, erschließt sich angesichts der unter­schied­lichen Regelungs­ge­gen­stände beider Vorschriften nicht.

Auch der verfas­sung­s­än­dernde Gesetzgeber ging erkennbar nicht davon aus, dass mit der Neuregelung der Art. 105 und 106 GG ein abschließendes System der Steuer­ver­teilung geschaffen werden konnte. Angestrebt war vielmehr eine Reform, die eine bewegliche Anpassung der Steuer­ver­teilung an die wechselnden Finanz­be­dürfnisse der verschiedenen Aufgabenträger ermöglichen sollte. Hinzu kommt, dass das Zustim­mungs­er­for­dernis des Bundesrates einen einseitigen und nicht abgestimmten Zugriff des Bundes auf das Steueraufkommen ebenso verhindern dürfte, wie einen "Wettlauf der Steue­rer­fin­dungen".

Von Art. 105 GG gedeckt ist - soweit ihr wegen des Vorrangs der Verfassung Art. 106 GG nicht entgegensteht - auch die Zuweisung der Ertragshoheit. Dass die Zuständigkeit des Steuer­ge­setz­gebers nicht auch die Regelung der Ertrags­ver­teilung beinhalten soll, ist nicht nachvollziehbar. Neben der Regelung von Steuer­tat­bestand, Steuerschuldner und Steuertarif ist auch die Bestimmung des Steuer­gläu­bigers und des Ertrags­zu­ständigen ein unverzichtbarer Bestandteil steuer­recht­licher Regelungen. Der einfache Gesetzgeber kann bei Einführung einer neuen, nicht dem Katalog des Art. 106 GG unterfallenden Steuer somit auch über deren Ertrags­zu­weisung entscheiden. Zwischen Steuer­ge­setz­gebung und Ertrags­zu­weisung besteht ein so enger sachlicher Zusammenhang, dass eine Materie sinnvollerweise nicht ohne die andere geregelt werden kann.

Verfas­sungs­rechtliche Vorgaben hegen den Steuer­ge­setzgeber im Hinblick auf Steue­rer­fin­dungen ein und gewährleisten dadurch den Schutz der Bürger vor übermäßiger Abgaben­be­lastung. Jede Steuer muss nicht nur den formalen Anforderungen des Grundgesetzes (Gesetzmäßigkeit und Bestimmtheit) genügen, sondern auch und gerade den materiellen Maßstäben der Grundrechte. Dazu gehören insbesondere die Prinzipien der Leistungs­fä­higkeit, der Lasten­gleichheit, des Schutzes des Existenz­mi­nimums, des Verbots der Benachteiligung von Ehe und Familie, des Verbots der Erdros­se­lungs­steuer und der eigen­tums­scho­nenden Besteuerung.

Das Zustim­mungs­er­for­dernis des Art. 105 Abs. 3 GG erfasst über den Wortlaut hinaus auch Fälle, in denen der Bund kraft seiner konkurrierenden Gesetz­ge­bungs­be­fugnis nach Art. 105 Abs. 2 GG erstmals ein Steueraufkommen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Länder ausschließt. Solange und soweit der Bund von seiner konkurrierenden Gesetz­ge­bungs­kom­petenz nach Art. 105 Abs. 2 GG keinen Gebrauch gemacht hat, steht der steuer­ge­setz­ge­be­rische Zugriff auf die neu zu erschließende Steuerquelle potenziell den Ländern zu. Diese Zugriffs­mög­lichkeit wird ihnen durch eine "Steuererfindung" des Bundes für die betroffene Steuerquelle genommen. Hierdurch werden die finanziellen Interessen der Länder, deren Schutz Art. 105 Abs. 3 GG zu dienen bestimmt ist, unmittelbar betroffen. Dem muss durch eine Erstreckung des Zustim­mungs­er­for­der­nisses auf diese Fälle Rechnung getragen werden.

Nach diesen Maßstäben hat der Bund zwar die konkurrierende Gesetz­ge­bungs­zu­stän­digkeit für die Kernbrenn­stoff­steuer. Das Kernbrenn­stoff­steu­er­gesetz wurde jedoch nicht mit Zustimmung des Bundesrates erlassen und ist daher formell verfas­sungs­widrig und nichtig.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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