21.11.2024
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Dokument-Nr. 30620

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Bundesverfassungsgericht Beschluss22.07.2021

BVerfG entscheidet über vorschlags­berechtigte Parteien für BundestagswahlDKP zur Bundestagswahl zugelassen

In seiner öffentlichen Sitzung am 8. und 9. Juli 2021 hat der Bundes­wahl­aus­schuss entschieden, welche Vereinigungen nach seiner Prüfung als wahlvorschlags­berechtigte Parteien für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag anzuerkennen seien. Gegen die Nicht­a­n­er­kennung haben zwanzig Vereinigungen Beschwerde beim Bundes­verfassungs­gericht erhoben.

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht prüft im Rahmen des Beschwer­de­ver­fahrens im Wesentlichen, ob eine Vereinigung den formellen Anforderungen an die Betei­li­gungs­anzeige nach § 18 Abs. 2 BWahlG genügt hat und ob ihr die Eigenschaft einer Partei im Sinne des Art. 21 Abs. 1 GG, § 2 Abs. 1 PartG zukommt. Für letzteres ist grundsätzlich maßgeblich, ob die Gesamtwürdigung der tatsächlichen Verhältnisse den Schluss zulässt, dass die Vereinigung ernsthaft ihre erklärte Absicht verfolgt, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. In neunzehn Verfahren blieben die Nicht­a­n­er­ken­nungs­be­schwerden erfolglos. Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) wurde hingegen als wahlvor­schlags­be­rechtigte Partei für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag anerkannt (2 BvC 8/21).

Erfolg für DKP

Der Bundes­wahl­aus­schuss begründete seine Nicht­a­n­er­kennung der Beschwer­de­führerin damit, dass die Kriterien der Partei­ei­gen­schaft gemäß § 2 PartG nicht erfüllt seien: Die Vereinigung habe nach Mitteilung des Deutschen Bundestages die Rechtsstellung als Partei verloren, weil sie sechs Jahre lang entgegen der Pflicht zur öffentlichen Rechen­schafts­legung gemäß § 23 PartG den jeweiligen Rechen­schafts­bericht nicht in einer den gesetzlichen Minde­st­an­for­de­rungen genügenden Form eingereicht habe (§ 2 Abs. 2 Satz 2 PartG). Dieser Auffassung folgte das BVerfG nicht und entschied, das die zulässige Nicht­a­n­er­ken­nungs­be­schwerde begründet ist. Die Beschwer­de­führerin ist als wahlvor­schlags­be­rechtigte Partei für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag anzuerkennen.

BVerfG verneint Verlust der Partei­ei­gen­schaft

Entgegen der Auffassung des Bundes­wahl­aus­schusses tritt der Verlust der Partei­ei­gen­schaft nicht bereits ein, wenn eine Partei – wie die Beschwer­de­führerin – in einem Zeitraum von sechs Jahren mehrere Rechen­schafts­be­richte unter Einhaltung der inhaltlichen Minde­st­an­for­de­rungen des § 19 a Abs. 3 Satz 5 PartG nicht fristgemäß eingereicht hat. Dies ergibt sich aus einer im Lichte von Art. 21 Abs. 1 GG vorzunehmenden Auslegung von § 2 Abs. 2 Satz 2 PartG. Danach ist die nicht fristgerechte Einreichung des Prüfberichts der Nicht­ein­reichung nicht gleichzustellen und für sich genommen nicht ausreichend, die Rechtsfolge des Verlusts der Partei­ei­gen­schaft gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 PartG auszulösen. Die demnach gebotene Gesamtwürdigung der tatsächlichen Verhältnisse der Beschwer­de­führerin, insbesondere des Umfangs ihrer Organisation, der Zahl ihrer Mitglieder und des Hervortretens in der Öffentlichkeit, lassen darauf schließen, dass sie in der Lage ist, ernsthaft an der politischen Willensbildung des Volkes für den Bereich des Bundes oder eines Landes mitzuwirken.

Fünf Beschwerden genügten nicht den Begrün­dungs­an­for­de­rungen

Laut BVerfG waren die Nicht­a­n­er­ken­nungs­be­schwerden in fünfzehn Verfahren bereits unzulässig. Die Beschwerden der Vereinigungen Jesusparty - Partei des Evangeliums (2 BvC 1/21), Bundes­zen­tralrat der Schwarzen in Deutschland (ZRSD) (2 BvC 2/21), Allianz Zukunft (2 BvC 3/21), Bündnis der Generationen - Rentner und Familie (2 BvC 6/21) und der KaiPartei (2 BvC 15/21) genügten nicht den Begrün­dungs­an­for­de­rungen.

Fünf Beschwerden genügten nicht den Begrün­dungs­an­for­de­rungen

Die Beschwerden der Vereinigungen Partei Aktive Demokraten Deutschland (2 BvC 11/21), Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands (APPD) (2 BvC 12/21), Grundeinkommen für Alle (GFA) (2 BvC 16/21), Klima­schutz­partei (KSP) (2 BvC 17/21), Undeutscher Verein (2 BvC 18/21), MenschenRechte 100pro (2 BvC 19/21) und Deutsche Friedensunion (DFU) (2 BvC 20/21) wurden jedenfalls verfristet erhoben. Die Vereinigung Klima­schutz­partei (KSK) hatte zwar innerhalb der Frist per E-Mail vom 13. Juli 2021 Beschwerde eingelegt. Die E-Mail erfüllte jedoch nicht das Formerfordernis der Schriftform nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Das am 14. Juli 2021 um 9.51 Uhr eingegangene Fax der Beschwer­de­führerin wahrte die Frist hingegen nicht. Soweit die Vereinigung Grundeinkommen für Alle (GFA) einen überraschend langen Postweg ihrer Beschwerde zum Bundes­ver­fas­sungs­gericht belegte, kommt im besonders beschleunigt zu betreibenden Verfahren der Nicht­a­n­er­ken­nungs­be­schwerde eine Wieder­ein­setzung in den vorigen Stand nicht in Betracht.

Zwei Beschwerden mangels ordnungsgemäßer Vertretung unwirksam

Die Beschwerden der Vereinigungen Allianz Vielfalt & Mitbestimmung (2 BvC 4/21) und Bündnis GRAL - Ganzheitliches Recht auf Leben (2 BvC 5/21) genügten nicht den Begrün­dungs­an­for­de­rungen und waren darüber hinaus auch deshalb unzulässig, weil sie mangels ordnungsgemäßer Vertretung nicht wirksam anhängig gemacht worden waren.

Bündnis für Innovation & Gerechtigkeit (BIG) fehlt Recht­schutz­be­dürfnis

Das Bündnis für Innovation & Gerechtigkeit (BIG) verfügte nicht über das erforderliche Rechts­schut­z­in­teresse (2 BvC 14/21). Durch Schreiben an den Bundes­wahl­leiter vom 8. Juli 2021 hatte der Beschwer­de­führer gegenüber diesem die Betei­li­gungs­anzeige an der Wahl zurückgenommen und seinen Wählerinnen und Wählern empfohlen, eine andere, bereits zugelassene Partei bei der kommenden Bundestagswahl zu wählen. Damit entfällt das Interesse des Beschwer­de­führers an der Feststellung, als Partei mit eigenen Wahlvorschlägen an der Wahl zum 20. Deutschen Bundestag teilnehmen zu können.

In vier Verfahren waren die Beschwerden unbegründet

In vier Verfahren waren die Beschwerden jedenfalls unbegründet. Der Vereinigung Die Natürlichen e.V. (2 BvC 7/21) fehlt die Eigenschaft einer wahlvor­schlags­be­rech­tigten Partei. Die erforderliche Gesamtwürdigung der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere das Hervortreten in der Öffentlichkeit sowie der Umfang und die Festigkeit der Organisation, lassen nicht erkennen, dass die Beschwer­de­führerin in der Lage ist, ernsthaft an der politischen Willensbildung des Volkes im Bund oder in einem Land teilzunehmen. Die Vereinigungen DIE REPUBLIKANER (REP) (2 BvC 9/21) und Die Losfraktion (LOS) (2 BvC 13/21) haben dem Bundes­wahl­leiter ihre Beteiligung an der Wahl nicht fristgerecht, nämlich gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 BWahlG bis spätestens am sieben­und­neun­zigsten Tage vor der Wahl (21. Juni 2021) bis 18.00 Uhr schriftlich angezeigt. Die Nicht­a­n­er­ken­nungs­be­schwerde der Vereinigung Deutsche Zentrumspartei - Älteste Partei Deutschlands gegründet 1870 - ZENTRUM wurde zurückgewiesen (2 BvC 10/21). Die Begründung der Entscheidung wird gesondert übermittelt (§ 96 d Satz 2 BVerfGG).

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)

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