18.10.2024
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Dokument-Nr. 29317

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Bundesverfassungsgericht Beschluss08.09.2020

Tabakhersteller scheitert mit Verfassungs­beschwerde gegen das Tabak­erzeugnis­gesetzVerbot von aromatisiertem Tabak bleibt bestehen

Das Bundes­verfassungs­gericht hat die Verfassungs­beschwerde einer Produzentin von Tabak­er­zeug­nissen gegen das Tabak­erzeugnis­gesetz (TabakerzG) und die Verordnung über Tabak­er­zeugnisse und verwandte Erzeugnisse (TabakerzV) nicht zur Entscheidung angenommen. Eine Überprüfung dieser Regelungen am Maßstab der deutschen Grundrechte nicht in Betracht kommt, weil sie zwingendes Unionsrecht umsetzen. Angesichts der zwischen­zeitlich ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Vereinbarkeit des einschlägigen zwingenden unions­recht­lichen Fachrechts mit den Unions­grund­rechten erscheint es auch ausgeschlossen, eine Überprüfung am Maßstab der deutschen Grundrechte durch eine Vorlage mit dem Ziel der Ungül­ti­g­er­klärung dieses unions­recht­lichen Fachrechts zu eröffnen. Soweit die Beschwer­de­führerin die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht als verspätet rügt, ist eine Prüfung am Maßstab der deutschen Grundrechte zwar eröffnet, eine Grundrechts­verletzung allerdings nicht genügend dargetan.

Die Beschwer­de­führerin sieht sich als Produzentin von Tabak­er­zeug­nissen, insbesondere mentholisierten Tabak-Feinschnitten, durch die Regelungen der § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 TabakerzG in Verbindung mit §§ 12 bis 16 TabakerzV und § 18 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 TabakerzG in ihren Rechten aus Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG verletzt und macht zudem geltend, infolge einer als verspätet gerügten Umsetzung der EUTPD II in nationales Recht in ihren Rechten aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG verletzt zu sein. Die Verfas­sungs­be­schwerde ist unzulässig, soweit die Beschwer­de­führerin die Unvereinbarkeit von § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 TabakerzG in Verbindung mit §§ 12 bis 16 TabakerzV und § 18 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 TabakerzG mit dem Grundgesetz rügt.

BVerfG: Keine Überprüfung der angegriffenen Regelungen am Maßstab der deutschen Grundrechte

Das BVerfG hat die Verfas­sungs­be­schwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Diese sei unzuläddig, soweit sich die Beschwer­de­führerin durch die Überg­angs­re­gelung des § 47 Abs. 6 TabakerzG beschwert sieht und geltend macht, dass diese lediglich für Menthol-Zigaretten, jedoch nicht für mentholisierten Tabak gelte. Denn mit der – nach Erhebung der Verfas­sungs­be­schwerde – erlassenen Regelung des § 34 Abs. 3 TabakerzV wurde klargestellt, dass die Übergangsfrist auch für mentholisierten Feinschnitt gilt. Darüber hinaus ist eine Überprüfung der angegriffenen Regelungen des TabakerzG und der TabakerzV durch das Bundes­ver­fas­sungs­gericht am Maßstab der deutschen Grundrechte nicht eröffnet, weil sie zwingende unions­rechtliche Vorgaben in deutsches Recht umsetzen. Soweit dem nationalen Gesetzgeber Gestal­tungs­spielräume verbleiben, betreffen sie nicht die von der Beschwer­de­führerin geltend gemachte grundrechtliche Beschwer.

Überprüfung durch Vorlage an EuGH ohne Erfolg

Angesichts der zwischen­zeitlich ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Vereinbarkeit des einschlägigen zwingenden unions­recht­lichen Fachrechts mit den Unions­grund­rechten geht auch die Anregung der Beschwer­de­führerin ins Leere, eine Überprüfung am Maßstab der deutschen Grundrechte durch eine Vorlage an den Gerichtshof mit dem Ziel der Ungül­ti­g­er­klärung des unions­recht­lichen Fachrechts zu eröffnen. Der Europäische Gerichtshof hat die Vereinbarkeit der maßgeblichen Vorgaben der EUTPD II mit Unionsrecht – zuletzt mit dem Urteil vom 30. Januar 2019, Planta Tabak-Manufaktur, C-220/17, EU:C:2019:76 – gerade auch im Hinblick auf die von der Beschwer­de­führerin als verletzt bezeichneten Unions­grund­rechte bestätigt. Im Übrigen ist - auch mit Blick auf diese Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs - weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass die Unions­grund­rechte den vom Grundgesetz jeweils als unabdingbar gebotenen Schutz zumal des Wesensgehalts der hier in Rede stehenden deutschen Grundrechte nicht generell verbürgen.

Verfas­sungs­be­schwerde auch hinsichtlich der verspäteten Umsetzung unzulässig

Die Verfas­sungs­be­schwerde ist auch unzulässig, soweit die Beschwer­de­führerin rügt, die EUTPD-II hätte so rechtzeitig in deutsches Recht umgesetzt werden müssen, dass die Unternehmen auf dieser Grundlage die notwendigen Maßnahmen zur Umstellung der Produk­ti­o­ns­a­bläufe vor Anwendung der Neuregelung ab dem 20. Mai 2016 hätten durchführen können. Zwar ist die Prüfung am Maßstab der deutschen Grundrechte eröffnet, weil die EUTPD-II insoweit Gestal­tungs­spielraum lässt. Die Mitgliedstaaten waren unionsrechtlich nicht gehindert, die Vorschriften zur Umsetzung der EUTPD-II schon vor deren Anwendbarkeit ab dem 20. Mai 2016 zu erlassen.

Grund­rechts­ver­letzung nicht ausreichend dargetan

Eine Verletzung von Grundrechten ist jedoch nicht in einer den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG genügenden Weise dargetan. Die Beschwer­de­führerin zeigt nicht nachvollziehbar auf, dass die geltend gemachten Inves­ti­ti­o­ns­kosten und Ertragseinbußen nicht ohnehin aufgrund der zwingenden unions­recht­lichen Vorgaben entstanden wären, sondern bei einer frühzeitigen Umsetzung der EUTPD-II in deutsches Recht vor dem 20. Mai 2016 hätten verhindert werden können. Zudem legt sie nicht dar, dass eine isolierte frühzeitige Teilumsetzung bereits hinreichend konkretisierter Vorgaben der EUTPD-II in deutsches Recht trotz der damit verbundenen Zersplitterung des Gesetz­ge­bungs­ver­fahrens überhaupt möglich gewesen wäre.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)

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