21.11.2024
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Dokument-Nr. 25119

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Bundesverfassungsgericht Beschluss06.10.2017

Verfassungs­beschwerde gegen Begrenzung auf Übernahme angemessener Kosten der Unterkunft und Heizung erfolglosVom Gesetzgeber nicht normierter Anspruch auf unbegrenzte Übernahme von Kosten für Unterkunft und Heizung nicht zu beanstanden

Das Bundes­verfassungs­gericht hat entschieden, dass die Begrenzung der Koste­n­er­stattung für Unterkunft und Heizung auf "angemessene" Kosten mit dem Grundgesetz zu vereinbaren ist. Der Gesetzgeber muss keinen Anspruch auf unbegrenzte Übernahme der Wohnungskosten vorsehen. Die Regelung ist auch ausreichend klar und verständlich. Damit hat der Gesetzgeber seiner aus der Verfassung herzuleitenden Pflicht genügt, einen konkreten gesetzlichen Anspruch zur Erfüllung des Grundrechts auf ein menschen­würdiges Existenzminimum zu schaffen.

Die Beschwer­de­führerin des zugrunde liegenden Verfahrens bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebens­un­terhalts. Sie bewohnt alleine eine 77 qm große Wohnung, für die das Jobcenter die Miet- und Heizkosten zunächst vollständig und seit 2008 nur teilweise übernahm. Ihre Klage auf vollständige Kostenübernahme wies das Sozialgericht ab; Berufung und Revision blieben erfolglos. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde trägt sie vor, in ihrem Grundrecht auf ein menschen­würdiges Existenzminimum verletzt zu sein.

Daneben hat das Sozialgericht Mainz dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht zwei Verfahren vorgelegt, weil es die Regelung in § 22 Abs. 1 Satz 1 Sozial­ge­setzbuch (SGB) II zu den Kosten der Unterkunft und Heizung für verfas­sungs­widrig hält (Az. 1 BvL 2/15, 1 BvL 5/15).

Verfas­sungs­be­schwerde bleibt erfolglos

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschied, dass die mit der Verfas­sungs­be­schwerde erhobenen Rügen einer Verfas­sungs­wid­rigkeit des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht durchgreifen. Die Regelung genügt der Pflicht des Gesetzgebers, einen konkreten gesetzlichen Anspruch zur Erfüllung des Grundrechts auf ein menschen­würdiges Existenzminimum zu schaffen.

Grundgesetz gibt keinen exakt bezifferten Anspruch auf Sozia­l­leis­tungen vor

Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gewährleistet das gesamte menschenwürdige Existenzminimum, zu dessen Sicherung auch die Bedarfe für Unterkunft und Heizung zu decken sind. Das Grundgesetz gibt keinen exakt bezifferten Anspruch auf Sozialleistungen vor. Die Gewährleistung eines menschen­würdigen Existenz­mi­nimums muss aber durch ein Gesetz gesichert sein, das einen konkreten Leistungs­an­spruch enthält.

Es ist verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber keinen Anspruch auf unbegrenzte Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung normiert hat. Zwar betrifft diese Bedarfsposition die grundlegende Lebenssituation eines Menschen. Doch ergibt sich daraus nicht, dass auch jedwede Unterkunft im Falle einer Bedürftigkeit staatlich zu finanzieren und Mietkosten unbegrenzt zu erstatten wären.

Konkreter Bedarf von Leistungs­be­rech­tigten ist einzel­fa­ll­bezogen zu ermitteln

Der Gesetzgeber durfte den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit verwenden, um die Kostenübernahme für Unterkunft und Heizung zu begrenzen. Was hier als "angemessen" zu verstehen ist, lässt sich durch Auslegung und insbesondere unter Berück­sich­tigung der Entste­hungs­ge­schichte und der weiteren Regelungen des Sozial­ge­setz­buches ausreichend bestimmen. Danach ist der konkrete Bedarf der Leistungs­be­rech­tigten einzel­fa­ll­bezogen zu ermitteln. Dabei gehen die Fachgerichte davon aus, dass anhand der im unteren Preissegment für vergleichbare Wohnungen am Wohnort der Leistungs­be­rech­tigten marktüblichen Wohnungsmieten ermittelt werden kann, welche Kosten konkret angemessen sind und übernommen werden müssen.

Vorlagen des Sozialgerichts Mainz unzulässig

Mit separatem Beschluss hat die Kammer festgestellt, dass die Vorlagen des Sozialgerichts Mainz unzulässig sind. Es fehlte eine hinreichende Darlegung durch das vorlegende Gericht, dass und wie die Anspruchs­grundlage ausgelegt werden kann, um den verfas­sungs­recht­lichen Anforderungen zu entsprechen (Az. 1 BvL 2/15, 1 BvL 5/15).

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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