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30.01.2025  
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Dokument-Nr. 32538

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Bundesverfassungsgericht Beschluss09.11.2022

Verfassungs­beschwerde einer Zeitungs­heraus­geberin gegen die gerichtliche Untersagung einer Meinung­s­äu­ßerung erfolgreichHerausgeberin durch die Untersagung des OLG in ihrer Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verletzt

Das Bundes­verfassungs­gericht hat entschieden, dass die Beschwer­de­führerin – Herausgeberin einer Tageszeitung – in ihrer Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verletzt ist, indem ihr die Äußerung „Den Staat lehne [der Antragsteller] (…) ab“ mit der Begründung gerichtlich untersagt wurde, dass für diese Meinung kein Mindestbestand an tatsächlichen Anknüpfungs­tatsachen festzustellen sei. Die Berich­t­er­stattung betrifft einen Beitrag über eine aus Sicht ehemaliger Mitglieder sektenähnliche Gemeinschaft, der der Antragsteller des Ausgangs­ver­fahrens vorstehe.

Die Beschwer­de­führerin ist Herausgeberin einer Tageszeitung, in deren Onlineausgabe sie am 4. September 2020 einen Beitrag mit dem Titel „Aussteiger packen aus: So geht es in der Guru-Gemeinschaft zu“ veröffentlichte. Der Bericht beleuchtet kritisch inhaltliche Ausrichtung, Strukturen und Hierarchien innerhalb einer aus Sicht ehemaliger Mitglieder sektenähnlichen Gemeinschaft, der der Antragsteller des Ausgangs­ver­fahrens vorstehe. In dem Beitrag heißt es unter Bezugnahme auf die Aussage einer ehemaligen „Schülerin“: „Den Staat lehne [der Antragsteller] (…) - der sich seine Seminargebühren auch in bar bezahlen lässt - ab (…)“. Anders als die Ausgangsinstanz untersagte das Oberlan­des­gericht die Verbreitung der angegriffenen Äußerung. Trotz des grundsätzlichen Vorrangs freier Meinung­s­äu­ßerung sei die Äußerung einer abschätzigen Meinung unzulässig, wenn gemessen an der Eingriff­sin­tensität kein Mindestbestand an tatsächlichen Anknüp­fung­s­tat­sachen festzustellen sei. Vorliegend fehle es an Anknüp­fung­s­tat­sachen, die ansatzweise die Meinung belegten, dass der Antragsteller tatsächlich in einem weiten Sinne den Staat ablehne. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwer­de­führerin gegen den Beschluss des Oberlan­des­ge­richts und rügt eine Verletzung ihrer Meinungs- und Pressefreiheit.

BVerfG: Grundrechte auf Meinungs- und Pressefreiheit verletzt

Die Verfas­sungs­be­schwerde ist zulässig und offensichtlich begründet. Die angegriffene Entscheidung verletzt die Beschwer­de­führerin in ihren Grundrechten auf Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG. Hinsichtlich des Inhalts der Berich­t­er­stattung ergeben sich Umfang und Grenzen des grund­recht­lichen Schutzes aus dem Grundrecht der Meinungs­freiheit, wobei die Aufgabe der Presse, die Öffentlichkeit über Angelegenheiten von öffentlichem Interesse zu informieren, eine Verstärkung des durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten Schutzes begründen kann. In Fällen der vorliegenden Art ist eine Abwägung zwischen der Schwere der Persön­lich­keits­be­ein­träch­tigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungs- und Pressefreiheit durch die Untersagung der Äußerung andererseits vorzunehmen. Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind, wird sie als Meinung von dem Grundrecht geschützt. Im Rahmen der Abwägung ist dann die Richtigkeit ihrer tatsächlichen Bestandteile von maßgeblicher Bedeutung. Das Oberlan­des­gericht lässt bereits nicht sicher erkennen, ob es bedacht hat, dass es mit seiner Forderung nach einem „Mindestbestand an tatsächlichen Anknüp­fung­s­tat­sachen“ Sorgfalts­pflichten formuliert hat, die die Beschwer­de­führerin in unter­schied­lichem Maße treffen können, je nachdem, ob sie sich die Äußerung ihrer Informantin zu eigen gemacht hat oder lediglich deren Einschätzung dokumentiert. Soweit das Oberlan­des­gericht die angegriffene Äußerung als Meinung­s­äu­ßerung einstuft, ist dies im Ergebnis nicht zu beanstanden, bietet für die nachfolgende Abwägung jedoch einen unvollständigen Ausgangspunkt, soweit es dies damit begründet, dass der Bericht der Beschwer­de­führerin keine Tatsachen angebe, aus denen ihre Informantin ihre Meinung herleite, der Antragsteller lehne den Staat ab. Wer behauptet, ein anderer vertrete einen bestimmten Standpunkt, äußert eine Einschätzung, in der tatsächliche und wertende Elemente miteinander vermengt sind, und die deshalb insgesamt als Meinung geschützt wird. Meinung­s­äu­ße­rungen müssen jedoch grundsätzlich nicht begründet werden, sondern genießen unabhängig davon Grund­rechts­schutz, ob sie rational oder emotional, begründet oder grundlos sind. Dem wird die angegriffene Entscheidung nicht gerecht, soweit das Oberlan­des­gericht in seiner Abwägung davon ausgeht, die angegriffene Äußerung enthalte eine „abschätzige Meinung“, für die es gemessen an ihrer erhöhten „Eingriff­sin­tensität“ an einem „Mindestbestand an tatsächlichen Anknüp­fung­s­tat­sachen“ fehle, die ansatzweise belegten, dass der Antragsteller tatsächlich in einem weiten Sinne den Staat ablehne. Allerdings ist der vom Oberlan­des­gericht zugrunde gelegte Maßstab im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat hierzu festgestellt, dass es auch für Schluss­fol­ge­rungen über Beweggründe oder Absichten Dritter als einem Werturteil gleichkommende Erklärungen eine ausreichende Tatsa­chen­grundlage geben müsse. Innerhalb der Abwägung ergibt es einen Unterschied, ob es sich bei der Einschätzung von Beweggründen, Absichten oder Standpunkten eines anderen um eine auf Tatsachen fußende Schluss­fol­gerung handelt oder um eine willkürlich aus der Luft gegriffene Wertung. Den hiernach zu stellenden Anforderungen an eine ausreichende Tatsa­chen­grundlage wird die angegriffene Entscheidung für den Streitfall aber nicht hinlänglich gerecht. Das Oberlan­des­gericht zieht die der Berich­t­er­stattung zugrun­de­lie­genden Anknüp­fung­s­tat­sachen in ihrer Wahrheit nicht in Zweifel, misst ihnen jedoch im Rahmen der Abwägung keine Bedeutung zu.

"Erhöhte Eingriff­sin­tensität" der Äußerung nicht hinreichend begründet

Zudem wird der grundrechtliche Schutz der Meinungs­freiheit verkürzt, soweit es der angegriffenen Äußerung eine "erhöhte Eingriff­sin­tensität" beimisst, ohne zu begründen, inwieweit die Einschätzung, der Antragsteller lehne „den Staat“ ab, überhaupt abschätzig oder geeignet sein soll, ihn in der öffentlichen Wahrnehmung herabzusetzen. Verfas­sungs­rechtlich keinen Bestand haben kann die angegriffene Entscheidung aber auch insoweit, als das Oberlan­des­gericht meint, selbst die Wahrnehmung eines öffentlichen Interesses könne die Verbreitung der angegriffenen Äußerung nur dann rechtfertigen, wenn die Beschwer­de­führerin davon habe ausgehen dürfen, über hinreichende Anknüp­fung­s­tat­sachen für die Haltung des Antragstellers zu verfügen, „den Staat“ abzulehnen. Damit entzieht die Entscheidung in verfas­sungs­rechtlich nicht tragbarer Weise den Infor­ma­ti­o­nswert der angegriffenen Berich­t­er­stattung von vornherein jeder Abwägung und verkürzt überdies Bedeutung und Tragweite der Meinungs­freiheit im öffentlichen Meinungskampf, die bei öffentlich zur Diskussion gestellten, gesell­schaft­liches Interesse erregenden Beiträgen selbst mit scharfen Äußerungen gebraucht werden darf.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)

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