23.11.2024
23.11.2024  
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Dokument-Nr. 33585

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Bundesverfassungsgericht Beschluss15.11.2023

Erfolgreiche Verfassungs­beschwerde eines Lehrers gegen eine Durchsuchung zur Ermittlung seiner Einkommens­verhältnisse in einem StrafverfahrenDurchsuchung verstößt gegen das Grundrecht auf Unver­letz­lichkeit der Wohnung

Das Bundes­verfassungs­gericht hat der Verfassungs­beschwerde eines verbeamteten Lehrers stattgegeben, die sich gegen eine Durchsuchungs­anordnung richtet.

Der Beschwer­de­führer ist verbeamteter Lehrer. Die Staats­an­walt­schaft führte gegen ihn ein Ermitt­lungs­ver­fahren wegen des Verdachts der Beleidigung. Sie warf ihm vor, als Teilnehmer einer Kundgebung zwei dort eingesetzte Polizeibeamte als „Scheißkerle“ und „Prügelbullen“ bezeichnet zu haben. Der Beschwer­de­führer nahm durch seinen Verteidiger zum Tatvorwurf Stellung und teilte unter anderem mit, „Beamter im aktiven Dienst“ zu sein. Nach Eingang der Stellungnahme ordnete das Amtsgericht im November 2021 die Durchsuchung der Wohnung des Beschwer­de­führers zur Ermittlung seiner persönlichen und wirtschaft­lichen Verhältnisse an. Der Beschluss wurde im Januar 2022 vollzogen. Dabei gewährte der Beschwer­de­führer den Beamten Eintritt in seine Wohnung und händigte ihnen seine jüngsten Bezüge­mit­tei­lungen sowie seine Einkom­men­steu­e­r­er­klärung aus. Weitere Durch­su­chungs­maß­nahmen wurden daraufhin nicht durchgeführt. Im Januar 2023 fand eine Haupt­ver­handlung statt, an deren Ende das Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt wurde. Der Beschwer­de­führer rügt unter anderem eine Verletzung des Grundrechts auf Unver­letz­lichkeit der Wohnung. § 102 Straf­pro­zess­ordnung (StPO) decke keine Durchsuchungen allein zur Feststellung von Tagessatzhöhen. Die Durch­su­chungs­a­n­ordnung sei jedenfalls unver­hält­nismäßig.

Durchsuchung zur Berechnung einer Geldstrafe unver­hält­nismäßig

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig erhoben ist, ist sie begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwer­de­führer in seinem Grundrecht auf Unver­letz­lichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG. Zwar war die Durchsuchung nicht bereits deshalb unzulässig, weil lediglich die Einkom­mens­ver­hältnisse des Beschwer­de­führers ermittelt werden sollten. Nach § 160 Abs. 3 Satz 1 StPO haben sich die Ermittlungen der Staats­an­walt­schaft nämlich auch auf Umstände zu erstrecken, die für die Bestimmung der Rechtsfolgen der Tat von Bedeutung sind; dazu zählen die persönlichen und wirtschaft­lichen Verhältnisse eines Beschuldigten zwecks Bestimmung der Tagessatzhöhe. Allerdings war die Anordnung der Durchsuchung hier unver­hält­nismäßig. Angesichts grund­rechts­scho­nender, alternativer Ermitt­lungs­hand­lungen stand eine Durchsuchung beim Beschwer­de­führer außer Verhältnis zur Schwere der hier verfolgten Straftat. Naheliegend und grund­rechts­schonend wäre es gewesen, zunächst den Beschwer­de­führer über seinen Verteidiger zu seinen persönlichen und wirtschaft­lichen Verhältnissen zu befragen. Eine solche Nachfrage hätte im Streitfall aus der ex ante-Perspektive mit realistischer Wahrschein­lichkeit zur Erlangung ausreichender Informationen zu seinen persönlichen und wirtschaft­lichen Verhältnissen geführt. Auch die Gefahr eines Beweis­mit­tel­ver­lustes bestand nicht.

Staats­an­walt­schaft hätte auch einfach die Besol­dungs­stelle fragen können

Als naheliegende und grund­rechts­schonende Alternative zu einer Wohnungsdurchsuchung wäre aber auch eine Anfrage bei der Besol­dungs­stelle des Beschwer­de­führers nach dem von dort bezogenen Einkommen in Betracht gekommen. Durch eine solche Anfrage sind zwar nicht zwingend Informationen zu allen Einkünften zu erlangen. § 40 Abs. 3 Strafgesetzbuch (StGB) erfordert aber – zumal in Fällen der kleineren Kriminalität – auch nicht die Ausschöpfung aller Beweismittel, wenn ansonsten die fachrechtlichen Voraussetzungen für eine Schätzung der Einkünfte vorliegen. Durchsuchungen zur Ermittlung der für die Bestimmung der Tagessatzhöhe entscheidenden persönlichen und wirtschaft­lichen Verhältnisse eines Beschuldigten sind daher grundsätzlich nur dann verhältnismäßig, wenn anhand der übrigen zur Verfügung stehenden Beweismittel keine Schätzung möglich ist. Hätten sich Staats­an­walt­schaft und Amtsgericht mit den durch die genannten Maßnahmen zu erlangenden Informationen zum Einkommen des Beschwer­de­führers nicht begnügen wollen, wären darüber hinaus eine Abfrage bei der Bundesanstalt für Finanz­dienst­leis­tungs­aufsicht und anschließende Bankanfragen in Betracht gekommen. Auch insoweit handelt es sich im Vergleich zur angeordneten Durchsuchung um eine meist weniger grund­rechts­in­tensive Maßnahme.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/ab)

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