21.11.2024
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Dokument-Nr. 5917

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Beschluss03.07.1998Bundesverfassungsgericht1 BvR 434/98
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Bundesverfassungsgericht Beschluss03.07.1998

Keine verfas­sungs­recht­lichen Bedenken gegen Verbot der Errichtung eines Testaments von Heimbewohnern zugunsten von Heimbetreibern

Die 1. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat die Verfas­sungs­be­schwerde der Betreiber einer Pension, in der auch alte und pflege­be­dürftige Menschen betreut wurden, nicht zur Entscheidung angenommen. Die Verfas­sungs­be­schwerde richtete sich gegen zivil­ge­richtliche Urteile, mit denen die Erteilung eines Erbscheins für die Beschwer­de­führer abgelehnt worden war, obwohl die verstorbene Heimbewohnerin die Beschwer­de­führer als Erben eingesetzt hatte.

Die Beschwer­de­führer hatten in der Pension über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren auf Dauer mindestens drei alte und pflege­be­dürftige Menschen betreut. Dafür erhielten sie von ihren Pflegegästen monatlich 5.000,-- DM. Mit Wissen der Beschwer­de­führer errichtete eine Bewohnerin 1988 ein handschrift­liches Testament, in dem sie die Beschwer­de­führer zu ihren Erben einsetzte. Nach dem Tod der Erblasserin beantragten die Beschwer­de­führer die Erteilung eines Erbscheins. Die Zivilgerichte lehnten diesen Antrag mit der Begründung ab, das Testament verstoße gegen das gesetzliche Verbot des § 14 Heimgesetzes in der seinerzeit gültigen Fassung (HeimG a.F.) und sei daher nichtig.

§ 14 des HeimG a.F. lautete (auszugsweise):

(1) Dem Träger einer Einrichtung ist es untersagt, sich über das für die Unterbringung, Beköstigung und Pflege der Bewohner vereinbarte Entgelt hinaus Vermö­gens­vorteile versprechen oder gewähren zu lassen, soweit es sich nicht um geringwertige Aufmerk­sam­keiten handelt. Die zuständige Behörde kann Ausnahmen zulassen, wenn der Vermö­gens­vorteil ausschließlich für gemeinnützige Zwecke oder in Erfüllung einer sittlichen Verpflichtung versprochen oder gewährt wird.

(2) Dem Leiter, den Beschäftigten oder sonstigen Mitarbeitern der Einrichtung ist es untersagt, sich für zu erbringende Leistungen Vermö­gens­vorteile versprechen oder gewähren zu lassen, soweit es sich nicht um geringwertige Aufmerk­sam­keiten handelt.

Die jetzt gültige Fassung des HeimG hat einen ähnlichen Wortlaut.

Gegen die Urteile erhoben die Beschwer­de­führer Verfas­sungs­be­schwerde und rügten eine Verletzung der Erbrechts­ga­rantie aus Art. 14 Abs. 1 GG.

Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts

Die Kammer hat die Verfas­sungs­be­schwerde nicht zur Entscheidung angenommen, da die Annah­me­vor­aus­set­zungen des § 93 a BVerfGG nicht vorliegen. Zur Begründung heißt es u.a.:

Die Verfas­sungs­be­schwerde hat keine grundsätzliche verfas­sungs­rechtliche Bedeutung. Das Verbot des § 14 HeimG a.F. stellt eine verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstandende Einschränkung der Testierfreiheit dar.

a) Das Testierverbot dient legitimen Gemein­wohl­zielen. § 14 HeimG a.F. verfolgt im wesentlichen drei Zwecke: Erstens soll verhindert werden, daß die Hilf- oder Arglosigkeit alter und pflege­be­dürftiger Menschen in finanzieller Hinsicht ausgenützt wird. Zweitens soll der Heimfriede geschützt werden. Es soll verhindert werden, daß durch die Gewährung von finanziellen Zusatz­leis­tungen oder -versprechen eine unter­schiedliche Behandlung der Bewohner eines Altenheims eintritt. Drittens dient das Testierverbot dazu, die Testierfreiheit der Heimbewohner zu sichern. Die Vorschrift soll alte Menschen davor bewahren, daß ihr Recht auf freie Verfügung von Todes wegen durch Druck faktisch gefährdet wird.

b) Das in § 14 HeimG a.F. aufgestellte Verbot ist zur Erreichung dieser Zwecke geeignet und erforderlich.

Die Kammer führt aus, daß es zur Erreichung dieser Ziele keine milderen, dennoch gleich wirksamen Mittel gibt. Das gilt zum einen für die Vorschrift der Sitten­wid­rigkeit von Rechts­ge­schäften (§ 138 BGB), die Vorschriften über den Widerruf von Testamenten und auch für die Einführung einer Meldepflicht für testa­men­ta­rische Zuwendungen. Auch die Beschränkung des Verbots auf die aktive Einflußnahme bei der Testa­ments­ge­staltung ist kein gleich wirksames milderes Mittel. Es würde dadurch nicht verhindert, daß einzelne Bewohner sich durch testa­men­ta­rische Versprechen Vorteile im Heimbetrieb "erkaufen" könnten und daß eine Art Konkur­renz­si­tuation zwischen den Heimbewohnern entstehen würde, die den Heimfrieden gefährden könnte.

c) Das in § 14 HeimG a.F. enthaltene Verbot ist auch im übrigen verhältnismäßig. Für den Heimträger und die Mitarbeiter des Heimes stellt sich das Verbot der Vorteilsannahme als übliche und zumutbare Einschränkung ihrer Berufs- und Gewer­be­aus­übungs­freiheit dar. Auch die Testier­mög­lich­keiten der Heimbewohner werden nicht in unzumutbarer Weise erschwert. Da § 14 HeimG a.F. nur Vorteils­ver­sprechen verbietet, schließt die Norm testa­men­ta­rische Verfügungen zugunsten des Heimträgers oder des Heimpersonals dann nicht aus, wenn sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt und gleichsam im Stillen angeordnet werden. Bei fehlender Kenntnis des Begünstigten ist das Testament stets wirksam.

Die Annahme der Verfas­sungs­be­schwerde ist im vorliegenden Fall auch nicht zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwer­de­führer angezeigt. Es ist nicht ersichtlich, daß die Zivilgerichte bei der Anwendung und Auslegung des § 14 HeimG a.F. auf den vorliegenden Fall Bedeutung und Tragweite der Erbrechts­ga­rantie grundsätzlich verkannt hätten. Die Feststellung des Sachverhalts und die Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts sind Sache der allgemein zuständigen Gerichte und einer verfas­sungs­ge­richt­lichen Kontrolle weitgehend entzogen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 85 des BVerfG vom 23.07.1998

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