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Bundesverfassungsgericht Beschluss03.07.1998
Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Verbot der Errichtung eines Testaments von Heimbewohnern zugunsten von Heimbetreibern
Die 1. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde der Betreiber einer Pension, in der auch alte und pflegebedürftige Menschen betreut wurden, nicht zur Entscheidung angenommen. Die Verfassungsbeschwerde richtete sich gegen zivilgerichtliche Urteile, mit denen die Erteilung eines Erbscheins für die Beschwerdeführer abgelehnt worden war, obwohl die verstorbene Heimbewohnerin die Beschwerdeführer als Erben eingesetzt hatte.
Die Beschwerdeführer hatten in der Pension über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren auf Dauer mindestens drei alte und pflegebedürftige Menschen betreut. Dafür erhielten sie von ihren Pflegegästen monatlich 5.000,-- DM. Mit Wissen der Beschwerdeführer errichtete eine Bewohnerin 1988 ein handschriftliches Testament, in dem sie die Beschwerdeführer zu ihren Erben einsetzte. Nach dem Tod der Erblasserin beantragten die Beschwerdeführer die Erteilung eines Erbscheins. Die Zivilgerichte lehnten diesen Antrag mit der Begründung ab, das Testament verstoße gegen das gesetzliche Verbot des § 14 Heimgesetzes in der seinerzeit gültigen Fassung (HeimG a.F.) und sei daher nichtig.
§ 14 des HeimG a.F. lautete (auszugsweise):
(1) Dem Träger einer Einrichtung ist es untersagt, sich über das für die Unterbringung, Beköstigung und Pflege der Bewohner vereinbarte Entgelt hinaus Vermögensvorteile versprechen oder gewähren zu lassen, soweit es sich nicht um geringwertige Aufmerksamkeiten handelt. Die zuständige Behörde kann Ausnahmen zulassen, wenn der Vermögensvorteil ausschließlich für gemeinnützige Zwecke oder in Erfüllung einer sittlichen Verpflichtung versprochen oder gewährt wird.
(2) Dem Leiter, den Beschäftigten oder sonstigen Mitarbeitern der Einrichtung ist es untersagt, sich für zu erbringende Leistungen Vermögensvorteile versprechen oder gewähren zu lassen, soweit es sich nicht um geringwertige Aufmerksamkeiten handelt.
Die jetzt gültige Fassung des HeimG hat einen ähnlichen Wortlaut.
Gegen die Urteile erhoben die Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde und rügten eine Verletzung der Erbrechtsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG.
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Die Kammer hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, da die Annahmevoraussetzungen des § 93 a BVerfGG nicht vorliegen. Zur Begründung heißt es u.a.:
Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Das Verbot des § 14 HeimG a.F. stellt eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Einschränkung der Testierfreiheit dar.
a) Das Testierverbot dient legitimen Gemeinwohlzielen. § 14 HeimG a.F. verfolgt im wesentlichen drei Zwecke: Erstens soll verhindert werden, daß die Hilf- oder Arglosigkeit alter und pflegebedürftiger Menschen in finanzieller Hinsicht ausgenützt wird. Zweitens soll der Heimfriede geschützt werden. Es soll verhindert werden, daß durch die Gewährung von finanziellen Zusatzleistungen oder -versprechen eine unterschiedliche Behandlung der Bewohner eines Altenheims eintritt. Drittens dient das Testierverbot dazu, die Testierfreiheit der Heimbewohner zu sichern. Die Vorschrift soll alte Menschen davor bewahren, daß ihr Recht auf freie Verfügung von Todes wegen durch Druck faktisch gefährdet wird.
b) Das in § 14 HeimG a.F. aufgestellte Verbot ist zur Erreichung dieser Zwecke geeignet und erforderlich.
Die Kammer führt aus, daß es zur Erreichung dieser Ziele keine milderen, dennoch gleich wirksamen Mittel gibt. Das gilt zum einen für die Vorschrift der Sittenwidrigkeit von Rechtsgeschäften (§ 138 BGB), die Vorschriften über den Widerruf von Testamenten und auch für die Einführung einer Meldepflicht für testamentarische Zuwendungen. Auch die Beschränkung des Verbots auf die aktive Einflußnahme bei der Testamentsgestaltung ist kein gleich wirksames milderes Mittel. Es würde dadurch nicht verhindert, daß einzelne Bewohner sich durch testamentarische Versprechen Vorteile im Heimbetrieb "erkaufen" könnten und daß eine Art Konkurrenzsituation zwischen den Heimbewohnern entstehen würde, die den Heimfrieden gefährden könnte.
c) Das in § 14 HeimG a.F. enthaltene Verbot ist auch im übrigen verhältnismäßig. Für den Heimträger und die Mitarbeiter des Heimes stellt sich das Verbot der Vorteilsannahme als übliche und zumutbare Einschränkung ihrer Berufs- und Gewerbeausübungsfreiheit dar. Auch die Testiermöglichkeiten der Heimbewohner werden nicht in unzumutbarer Weise erschwert. Da § 14 HeimG a.F. nur Vorteilsversprechen verbietet, schließt die Norm testamentarische Verfügungen zugunsten des Heimträgers oder des Heimpersonals dann nicht aus, wenn sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt und gleichsam im Stillen angeordnet werden. Bei fehlender Kenntnis des Begünstigten ist das Testament stets wirksam.
Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist im vorliegenden Fall auch nicht zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführer angezeigt. Es ist nicht ersichtlich, daß die Zivilgerichte bei der Anwendung und Auslegung des § 14 HeimG a.F. auf den vorliegenden Fall Bedeutung und Tragweite der Erbrechtsgarantie grundsätzlich verkannt hätten. Die Feststellung des Sachverhalts und die Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts sind Sache der allgemein zuständigen Gerichte und einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle weitgehend entzogen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 02.04.2005
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 85 des BVerfG vom 23.07.1998
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