Dokument-Nr. 4441
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Bundesverfassungsgericht Beschluss30.05.2007
Squeeze-out-Verfahren ist mit dem Grundgesetz vereinbar - BVerfG billigt Zwangsausschluss von AktionärenKein Verstoß gegen das Eigentumsrecht
Die Regelungen zum Ausschluss von Minderheitsaktionären aus einem Unternehmen (so genannte Squeeze-out-Verfahren) sind mit dem Grundgesetz vereinbar. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Mit dem im Jahre 2002 eingeführten Squeeze-out-Verfahren, kann ein Mehrheitsaktionär, dem mindestens 95 Prozent der Aktien eines Unternehmens gehören, die übrigen Aktionäre per Beschluss der Hauptversammlung ausschließen. Er muss sie dafür aber mit Geld abfinden. Dieses Verfahren verletze nicht das Eigentumsgrundrecht der Minderheitsaktionäre, führten die Richter aus.
Nach den §§ 327 a ff. Aktiengesetz kann ein Hauptaktionär, dem mindestens 95 % des Grundkapitals der betroffenen Gesellschaft gehören, durch einen Übertragungsbeschluss die verbleibenden Minderheitsaktionäre aus der Aktiengesellschaft ausschließen. Diese Möglichkeit des „Squeeze-out“ ist zum 1. Januar 2002 in das Aktiengesetz eingefügt worden. Die Minderheitsaktionäre sind vom Hauptaktionär in Geld abzufinden. Wirksam wird der Übertragungsbeschluss mit Eintragung in das Handelsregister. Wird der Übertragungsbeschluss von den Minderheitsaktionären angefochten, hindert dies in der Regel die Handelsregistereintragung. Eine Beschleunigung kann aber erreicht werden, wenn das betroffene Unternehmen im Rahmen eines Freigabeverfahrens ein Vorziehen der Handelsregistereintragung trotz der noch anhängigen Anfechtungsklage erreicht.
Die Beschwerdeführer waren Minderheitsaktionäre einer mittelständischen, börsennotierten Aktiengesellschaft. Auf Antrag des Hauptaktionärs, der 98,36 % des Kapitals hielt, beschloss die Gesellschaft den Ausschluss der Minderheitsaktionäre. Hiergegen erhoben die Beschwerdeführer Anfechtungsklage. Daraufhin erwirkte die Gesellschaft einen gerichtlichen Beschluss über die vorzeitige Eintragung des Ausschlusses in das Handelsregister. Die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde wurde von der 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts nicht zur Entscheidung angenommen. Die Vorschriften über den Ausschluss von Minderheitsaktionären seien verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
1. Die Vorschriften über den Ausschluss von Minderheitsaktionären aus einer Aktiengesellschaft verletzen nicht deren Eigentumsgrundrecht. Der Gesetzgeber verfolgt mit den Regelungen einen legitimen Zweck. Minderheitsaktionäre können die Durchsetzung unternehmerischer Entscheidungen gegen die Stimmenmehrheit des Hauptaktionärs zwar im Regelfall nicht verhindern. Unter Umständen sind sie aber in der Lage, die vom Hauptaktionär als sinnvoll erachteten unternehmerischen Entscheidungen und Maßnahmen zu verzögern. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass die Zahl der Anfechtungsklagen gegen Hauptversammlungsbeschlüsse seit Anfang der 1980er Jahre signifikant angestiegen und die Mehrzahl der Klagen von privaten Anlegern mit Kleinstbesitz erhoben worden ist. Angesichts dessen liegt die Einschätzung des Gesetzgebers nicht fern, dass Minderheitsaktionäre verschiedentlich Kleinstbeteiligungen ausnutzen, um den Hauptaktionär bei der Unternehmensführung zu behindern und ihn zu finanziellen Zugeständnissen zu veranlassen.
Demgegenüber stellt die Aktie für Minderheitsaktionäre typischerweise eher eine Kapitalanlage als eine unternehmerische Beteiligung dar. Angesichts dessen ist es dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht verwehrt, die Schutzvorkehrungen zugunsten des Minderheitsaktionärs auf die vermögensrechtliche Komponente der Anlage zu konzentrieren. Mit dem Erfordernis eines Quorums von 95 % Aktienbesitz beim Hauptaktionär ist sichergestellt, dass nur Aktionäre ausgeschlossen werden, deren Anlageinteresse sich angesichts des Fehlens realer Einwirkungsmöglichkeiten auf die Unternehmensführung auf die vermögensrechtliche Komponente konzentriert.
2. Die angegriffenen Regelungen gewährleisten auch einen angemessenen Wertersatz für den ausgeschlossenen Aktionär. Der Gesetzgeber hat dies dadurch sichergestellt, dass die Angemessenheit der Abfindung bereits vorab durch einen gerichtlich ausgewählten und bestellten Sachverständigen überprüft wird. Unabhängig davon gewährleistet das Spruchverfahren, dass etwaige Fehleinschätzungen des Gutachters nachträglich korrigiert werden können.
3. Das vom Gesetzgeber bereitgestellte Anfechtungsverfahren gewährleistet den Betroffenen effektiven Rechtsschutz. Dies gilt auch im Hinblick auf das Freigabeverfahren. Zweck des Freigabeverfahrens ist es, die „Registersperre“ zu überwinden, die bei Erhebung einer Anfechtungsklage eintritt. Ohne derartige verfahrensrechtliche Regelungen bestünde die Gefahr, dass das Squeeze-out selbst weitgehend wirkungslos wird. Minderheitsaktionäre wären nach wie vor in der Lage, die Umsetzung unternehmerischer Entscheidungen durch die Erhebung von Anfechtungsklagen für geraume Zeit zu verhindern.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 26.06.2007
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 71/07 des BVerfG vom 26.06.2007
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