21.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss30.05.2007

Squeeze-out-Verfahren ist mit dem Grundgesetz vereinbar - BVerfG billigt Zwangs­aus­schluss von AktionärenKein Verstoß gegen das Eigentumsrecht

Die Regelungen zum Ausschluss von Minder­heits­ak­ti­onären aus einem Unternehmen (so genannte Squeeze-out-Verfahren) sind mit dem Grundgesetz vereinbar. Das hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschieden. Mit dem im Jahre 2002 eingeführten Squeeze-out-Verfahren, kann ein Mehrheits­ak­tionär, dem mindestens 95 Prozent der Aktien eines Unternehmens gehören, die übrigen Aktionäre per Beschluss der Haupt­ver­sammlung ausschließen. Er muss sie dafür aber mit Geld abfinden. Dieses Verfahren verletze nicht das Eigen­tums­grundrecht der Minder­heits­ak­tionäre, führten die Richter aus.

Nach den §§ 327 a ff. Aktiengesetz kann ein Hauptaktionär, dem mindestens 95 % des Grundkapitals der betroffenen Gesellschaft gehören, durch einen Übertra­gungs­be­schluss die verbleibenden Minder­heits­ak­tionäre aus der Aktien­ge­sell­schaft ausschließen. Diese Möglichkeit des „Squeeze-out“ ist zum 1. Januar 2002 in das Aktiengesetz eingefügt worden. Die Minder­heits­ak­tionäre sind vom Hauptaktionär in Geld abzufinden. Wirksam wird der Übertra­gungs­be­schluss mit Eintragung in das Handelsregister. Wird der Übertra­gungs­be­schluss von den Minder­heits­ak­ti­onären angefochten, hindert dies in der Regel die Handels­re­gis­te­r­ein­tragung. Eine Beschleunigung kann aber erreicht werden, wenn das betroffene Unternehmen im Rahmen eines Freiga­be­ver­fahrens ein Vorziehen der Handels­re­gis­te­r­ein­tragung trotz der noch anhängigen Anfech­tungsklage erreicht.

Die Beschwer­de­führer waren Minder­heits­ak­tionäre einer mittel­stän­dischen, börsennotierten Aktien­ge­sell­schaft. Auf Antrag des Hauptaktionärs, der 98,36 % des Kapitals hielt, beschloss die Gesellschaft den Ausschluss der Minder­heits­ak­tionäre. Hiergegen erhoben die Beschwer­de­führer Anfech­tungsklage. Daraufhin erwirkte die Gesellschaft einen gerichtlichen Beschluss über die vorzeitige Eintragung des Ausschlusses in das Handelsregister. Die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde wurde von der 3. Kammer des Ersten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts nicht zur Entscheidung angenommen. Die Vorschriften über den Ausschluss von Minder­heits­ak­ti­onären seien verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

1. Die Vorschriften über den Ausschluss von Minder­heits­ak­ti­onären aus einer Aktien­ge­sell­schaft verletzen nicht deren Eigen­tums­grundrecht. Der Gesetzgeber verfolgt mit den Regelungen einen legitimen Zweck. Minder­heits­ak­tionäre können die Durchsetzung unter­neh­me­rischer Entscheidungen gegen die Stimmenmehrheit des Hauptaktionärs zwar im Regelfall nicht verhindern. Unter Umständen sind sie aber in der Lage, die vom Hauptaktionär als sinnvoll erachteten unter­neh­me­rischen Entscheidungen und Maßnahmen zu verzögern. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass die Zahl der Anfech­tungs­klagen gegen Haupt­ver­samm­lungs­be­schlüsse seit Anfang der 1980er Jahre signifikant angestiegen und die Mehrzahl der Klagen von privaten Anlegern mit Kleinstbesitz erhoben worden ist. Angesichts dessen liegt die Einschätzung des Gesetzgebers nicht fern, dass Minder­heits­ak­tionäre verschie­dentlich Kleinst­be­tei­li­gungen ausnutzen, um den Hauptaktionär bei der Unter­neh­mens­führung zu behindern und ihn zu finanziellen Zugeständnissen zu veranlassen.

Demgegenüber stellt die Aktie für Minder­heits­ak­tionäre typischerweise eher eine Kapitalanlage als eine unter­neh­me­rische Beteiligung dar. Angesichts dessen ist es dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht verwehrt, die Schutz­vor­keh­rungen zugunsten des Minder­heits­ak­tionärs auf die vermö­gens­rechtliche Komponente der Anlage zu konzentrieren. Mit dem Erfordernis eines Quorums von 95 % Aktienbesitz beim Hauptaktionär ist sichergestellt, dass nur Aktionäre ausgeschlossen werden, deren Anlageinteresse sich angesichts des Fehlens realer Einwir­kungs­mög­lich­keiten auf die Unter­neh­mens­führung auf die vermö­gens­rechtliche Komponente konzentriert.

2. Die angegriffenen Regelungen gewährleisten auch einen angemessenen Wertersatz für den ausge­schlossenen Aktionär. Der Gesetzgeber hat dies dadurch sichergestellt, dass die Angemessenheit der Abfindung bereits vorab durch einen gerichtlich ausgewählten und bestellten Sachver­ständigen überprüft wird. Unabhängig davon gewährleistet das Spruchverfahren, dass etwaige Fehlein­schät­zungen des Gutachters nachträglich korrigiert werden können.

3. Das vom Gesetzgeber bereitgestellte Anfech­tungs­ver­fahren gewährleistet den Betroffenen effektiven Rechtsschutz. Dies gilt auch im Hinblick auf das Freiga­be­ver­fahren. Zweck des Freiga­be­ver­fahrens ist es, die „Registersperre“ zu überwinden, die bei Erhebung einer Anfech­tungsklage eintritt. Ohne derartige verfah­rens­rechtliche Regelungen bestünde die Gefahr, dass das Squeeze-out selbst weitgehend wirkungslos wird. Minder­heits­ak­tionäre wären nach wie vor in der Lage, die Umsetzung unter­neh­me­rischer Entscheidungen durch die Erhebung von Anfech­tungs­klagen für geraume Zeit zu verhindern.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 71/07 des BVerfG vom 26.06.2007

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