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Dokument-Nr. 35211

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Beschluss25.06.2025Bundesverfassungsgericht1 BvR 368/22
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Bundesverfassungsgericht Beschluss25.06.2025

Berliner Hochschulgesetz in Teilen verfas­sungs­widrigErfolgreiche Verfas­sungs­be­schwerde einer staatlichen Hochschule des Landes Berlin gegen Regelung des Berliner Hochschul­ge­setzes

Mit heute veröf­fent­lichtem Beschluss hat der Erste Senat des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts entschieden, dass § 110 Abs. 6 Sätze 2 und 3 des Gesetzes über die Hochschulen im Land Berlin (Berliner Hochschulgesetz – BerlHG) mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar und nichtig ist.

Die Beschwer­de­führerin ist eine staatliche Hochschule des Landes Berlin. Sie wendet sich gegen die Verpflichtung der Hochschulen des Landes Berlin, allen befristet auf einer Quali­fi­ka­ti­o­ns­stelle beschäftigten promovierten wissen­schaft­lichen Mitar­bei­te­rinnen und Mitarbeitern mit Abschluss des Arbeits­ver­trages eine unbefristete Beschäftigung bei Erreichen des Quali­fi­ka­ti­o­nsziels zuzusagen (Anschlusszusage).

Die Verfas­sungs­be­schwerde hat Erfolg. § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG greift in das Grundrecht auf Freiheit der Wissenschaft gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ein. Die Regelung ist mangels Gesetz­ge­bungs­kom­petenz des Landes formell verfas­sungs­widrig.

Sachverhalt

Die angegriffene landes­rechtliche Regelung des § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG verpflichtet die Hochschulen des Landes Berlin dazu, allen befristet auf einer Quali­fi­ka­ti­o­ns­stelle beschäftigten promovierten wissen­schaft­lichen Mitar­bei­te­rinnen und Mitarbeitern mit Abschluss des Arbeits­ver­trages eine unbefristete Beschäftigung bei Erreichen des Quali­fi­ka­ti­o­nsziels zuzusagen. Die Regelung findet auf Einstellungen von promovierten wissen­schaft­lichen Mitarbeitern und Mitar­bei­te­rinnen Anwendung, die ab 1. Januar 2026 erfolgen.

Demgegenüber können nach dem bundes­ge­setz­lichen Wissen­schafts­zeit­ver­trags­gesetz (WissZeitVG) die Hochschulen die Arbeitsverträge des zur Qualifizierung eingestellten wissen­schaft­lichen Personals mit einer Promotion befristen, ohne dass die Befristung Verpflichtungen der Hochschulen gegenüber diesem wissen­schaft­lichen Personal auslöst.

Mit ihrer Verfas­sungs­be­schwerde rügt die Beschwer­de­führerin eine Verletzung ihrer nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Wissen­schafts­freiheit.

Wesentliche Erwägungen des Senats

Die zulässige Verfas­sungs­be­schwerde ist begründet.

1. § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG greift in das Grundrecht der Beschwer­de­führerin auf Freiheit der Wissenschaft gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ein. Dieses schützt als Abwehrrecht die freie wissen­schaftliche Betätigung gegen staatliche Eingriffe. Dem Schutz der Wissen­schafts­freiheit unterfallen auch Perso­na­l­ent­schei­dungen in Angelegenheiten der für den Prozess der Gewinnung und Vermittlung wissen­schaft­licher Erkenntnisse verant­wort­lichen Hochschul­leh­re­rinnen und Hochschullehrer und ihrer wissen­schaft­lichen Mitar­bei­te­rinnen und Mitarbeiter sowie die Aufgabe der Hochschulen, den akademischen Nachwuchs zu fördern.

Die angegriffene Regelung nimmt den Hochschulen die Möglichkeit, eigen­ver­ant­wortlich zu entscheiden, ob und welche promovierten wissen­schaft­lichen Mitarbeiter sie nach erfolgreichem Abschluss der Quali­fi­ka­ti­o­nsphase weiter beschäftigen. Dies verkürzt unmittelbar die Freiheit der Hochschulen zur Auswahl des wissen­schaft­lichen Personals mit nachteiligen Folgen etwa für die Förderung des akademischen Nachwuchses, welche die Möglichkeit zur generellen Befristung der Beschäf­ti­gungs­ver­hältnisse des wissen­schaft­lichen Personals auf Quali­fi­ka­ti­o­ns­stellen erfordert.

2. Der Eingriff in das Grundrecht auf Wissen­schafts­freiheit ist verfas­sungs­rechtlich nicht gerechtfertigt. § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG ist formell verfas­sungs­widrig. Die Regelung ist nicht von einer Gesetz­ge­bungs­kom­petenz des Landes gedeckt.

a) Die angegriffene Regelung ist dem Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG für den Sachbereich „Arbeitsrecht“ zuzuordnen, der Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung ist. Dieser Kompetenztitel begründet eine umfassende Gesetz­ge­bungs­kom­petenz für die Rechts­be­zie­hungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die sich jedenfalls insoweit auch auf die Rechts­ver­hältnisse der im öffentlichen Dienst Beschäftigten erstreckt, als es um Bestimmungen über die Dauer und Beendigung von Arbeits­ver­hält­nissen geht.

Die Gesetz­ge­bungs­kom­petenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG bedarf der Abgrenzung von den anderweitigen Gesetz­ge­bungs­kom­pe­tenzen des Bundes und der Länder für die Rechts­ver­hältnisse der im öffentlichen Dienst Beschäftigten. Welcher Gehalt dem Recht des öffentlichen Dienstes danach in Abgrenzung zum Arbeitsrecht im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zukommt, ist verfas­sungs­ge­richtlich bisher nur punktuell geklärt. Zu einer abschließenden Klärung besteht auch hier kein Anlass. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat bereits in einem Fall, in dem es um die Anwendung einer ausschließlich die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes betreffenden Regelung des Kündi­gungs­schutzes ging, entschieden, dass sich der Bundes­ge­setzgeber hierfür auf seine Kompetenz für das Arbeitsrecht berufen kann. Danach unterfällt auch die hier in Rede stehende Pflicht der Hochschulen, den befristet eingestellten promovierten wissen­schaft­lichen Mitarbeitern den Abschluss eines unbefristeten Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nisses bei erfolgreicher Qualifizierung zuzusichern, dem Arbeitsrecht im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG. Diese Regelung trifft ebenso wie die Vorschriften zum Kündi­gungs­schutz Bestimmungen über die Dauer und Beendigung von Arbeits­ver­hält­nissen.

b) Das Land Berlin kann sich insoweit nicht auf eine Gesetz­ge­bungs­be­fugnis berufen, weil der Bundes­ge­setzgeber seine Gesetz­ge­bungs­kom­petenz für das Arbeitsrecht genutzt hat und im WissZeitVG abschließende Bestimmungen zur Dauer und Beendigung der Arbeits­ver­hältnisse der zur Qualifizierung eingestellten wissen­schaft­lichen Mitarbeiter mit einer Promotion getroffen hat. Damit steht die Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG einer landes­ge­setz­lichen Regelung dieses Bereichs, wie sie hier durch § 110 Abs. 6 Satz 2 BerlHG erfolgt ist, entgegen. Dass die bundes­recht­lichen Befris­tungs­re­ge­lungen abschließend sind, ergibt sich aus Wortlaut, Systematik, Entste­hungs­ge­schichte und Regelungszweck. Nicht zuletzt ist von einer Sperrwirkung auszugehen, weil den Gesetz­ge­bungs­ma­te­rialien zu entnehmen ist, dass der Bundes­ge­setzgeber bewusst darauf verzichtet hat, mit dem angegriffenen Landesrecht vergleichbare Regelungen zu treffen.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/pt)

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