Dokument-Nr. 9464
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Bundesverfassungsgericht Beschluss11.03.2010
BVerfG: Volle Anrechung des Kindergelds auf "Hartz IV-Leistungen" verfassungsgemäßKeine Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums
Die Anrechnung von Kindergeld als leistungsminderndes Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 SGB II auf „Hartz IV-Leistungen“ ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht.
Der 1994 geborene Beschwerdeführer lebte mit seinen Eltern in einer Bedarfsgemeinschaft nach dem so genannten „Hartz IV-Gesetz“ (SGB II) und bezog Sozialgeld. Das Kindergeld wurde - wie in § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II ausdrücklich angeordnet - in voller Höhe als leistungsminderndes Einkommen auf das Sozialgeld angerechnet. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass das Kindergeld nur zur Hälfte hätte angerechnet werden dürfen: Die nicht anzurechnende Hälfte entspreche dem Betrag, den der Gesetzgeber bei zu versteuerndem Einkommen als Steuervergünstigung in Form des Kinderfreibetrags gewähre und mit dem er dem Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf für das Kind Rechnung trage. Wenn bei „Hartz IV“-Empfängern dieser Kinderfreibetrag mangels zu versteuernden Einkommens nicht zum Tragen komme, sei dies dadurch auszugleichen, dass das Kindergeld zur Hälfte anrechnungsfrei bleibe. Andernfalls würden „Hartz IV-Empfänger“ gegenüber anderen Kindergeldempfängern grundlos benachteiligt und hinsichtlich des Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarfs würde das Existenzminimum unterschritten. Nach erfolgloser Klage auf Nachzahlung vor den Sozialgerichten hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde eingelegt.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
Nur teilweise Anrechnung des Kindergeldes zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht nötig
Die vollständige Anrechnung des Kindergeldes als leistungsminderndes Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 SGB II auf „Hartz IV-Leistungen“ ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist nicht verletzt. Denn der Beschwerdeführer hat durch das Kindergeld und das gekürzte Sozialgeld im Ergebnis staatliche Leistungen in der gesetzlich bestimmten Höhe erhalten. Zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums war es auch nicht geboten, das Kindergeld teilweise anrechnungsfrei zu stellen. Zwar trägt das Einkommensteuerrecht der Deckung des Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbildungsbedarfs eines Kindes durch Kinderfreibeträge Rechnung. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verlangt aber keine Sozialleistungen, die den Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf für Kinder in gleichem Maße berücksichtigen wie das Steuerrecht. Dies hat das Bundesverfassungsgericht bereits in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 zur Verfassungswidrigkeit der Regelleistungen nach dem „Hartz IV-Gesetz“ festgestellt.
Keine Ungleichbehandlung erkennbar
Die volle Anrechnung des Kindergeldes wahrt den Gleichheitssatz. Der Gesetzgeber, der bei zu versteuerndem Einkommen Steuervergünstigungen in Form von Kinderfreibeträgen gewährt, ist nicht verpflichtet, Sozialleistungen in vergleichbarer Höhe für Personen und deren Angehörige zu gewähren, die - wie im Fall des Beschwerdeführers - kein zu versteuerndes Einkommen erzielen. Auch sonst ist keine Ungleichbehandlung zu erkennen, da § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II hinsichtlich Zahlung und Anrechnung des Kindergeldes alle Kindergeldberechtigten und alle zu einer Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern gehörenden hilfebedürftigen Kinder gleich behandelt.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 08.04.2010
Quelle: ra-online, BVerfG
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