15.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss11.03.2010

BVerfG: Volle Anrechung des Kindergelds auf "Hartz IV-Leistungen" verfas­sungsgemäßKeine Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschen­würdigen Existenz­mi­nimums

Die Anrechnung von Kindergeld als leistungs­min­derndes Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 SGB II auf „Hartz IV-Leistungen“ ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Dies entschied das Bundes­ver­fas­sungs­gericht.

Der 1994 geborene Beschwer­de­führer lebte mit seinen Eltern in einer Bedarfs­ge­mein­schaft nach dem so genannten „Hartz IV-Gesetz“ (SGB II) und bezog Sozialgeld. Das Kindergeld wurde - wie in § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II ausdrücklich angeordnet - in voller Höhe als leistungs­min­derndes Einkommen auf das Sozialgeld angerechnet. Der Beschwer­de­führer ist der Ansicht, dass das Kindergeld nur zur Hälfte hätte angerechnet werden dürfen: Die nicht anzurechnende Hälfte entspreche dem Betrag, den der Gesetzgeber bei zu versteuerndem Einkommen als Steuer­ver­güns­tigung in Form des Kinder­frei­betrags gewähre und mit dem er dem Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbil­dungs­bedarf für das Kind Rechnung trage. Wenn bei „Hartz IV“-Empfängern dieser Kinder­frei­betrag mangels zu versteuernden Einkommens nicht zum Tragen komme, sei dies dadurch auszugleichen, dass das Kindergeld zur Hälfte anrechnungsfrei bleibe. Andernfalls würden „Hartz IV-Empfänger“ gegenüber anderen Kinder­gel­d­emp­fängern grundlos benachteiligt und hinsichtlich des Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbil­dungs­bedarfs würde das Existenzminimum unterschritten. Nach erfolgloser Klage auf Nachzahlung vor den Sozialgerichten hat der Beschwer­de­führer Verfas­sungs­be­schwerde eingelegt.

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat die Verfas­sungs­be­schwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Nur teilweise Anrechnung des Kindergeldes zur Gewährleistung eines menschen­würdigen Existenz­mi­nimums nicht nötig

Die vollständige Anrechnung des Kindergeldes als leistungs­min­derndes Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 SGB II auf „Hartz IV-Leistungen“ ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschen­würdigen Existenz­mi­nimums ist nicht verletzt. Denn der Beschwer­de­führer hat durch das Kindergeld und das gekürzte Sozialgeld im Ergebnis staatliche Leistungen in der gesetzlich bestimmten Höhe erhalten. Zur Gewährleistung eines menschen­würdigen Existenz­mi­nimums war es auch nicht geboten, das Kindergeld teilweise anrechnungsfrei zu stellen. Zwar trägt das Einkom­men­steu­errecht der Deckung des Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbil­dungs­bedarfs eines Kindes durch Kinder­frei­beträge Rechnung. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschen­würdigen Existenz­mi­nimums verlangt aber keine Sozia­l­leis­tungen, die den Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbil­dungs­bedarf für Kinder in gleichem Maße berücksichtigen wie das Steuerrecht. Dies hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht bereits in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 zur Verfas­sungs­wid­rigkeit der Regelleistungen nach dem „Hartz IV-Gesetz“ festgestellt.

Keine Ungleich­be­handlung erkennbar

Die volle Anrechnung des Kindergeldes wahrt den Gleichheitssatz. Der Gesetzgeber, der bei zu versteuerndem Einkommen Steuer­ver­güns­ti­gungen in Form von Kinder­frei­be­trägen gewährt, ist nicht verpflichtet, Sozia­l­leis­tungen in vergleichbarer Höhe für Personen und deren Angehörige zu gewähren, die - wie im Fall des Beschwer­de­führers - kein zu versteuerndes Einkommen erzielen. Auch sonst ist keine Ungleichbehandlung zu erkennen, da § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II hinsichtlich Zahlung und Anrechnung des Kindergeldes alle Kinder­geld­be­rech­tigten und alle zu einer Bedarfs­ge­mein­schaft mit ihren Eltern gehörenden hilfe­be­dürftigen Kinder gleich behandelt.

Quelle: ra-online, BVerfG

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